Der Artikel behandelt das (meist) nicht bewußt
                vollzogene Hineinwachsen in Denk- und Handlungsstrukturen
                in die 'Psychologie als Wissenschaft' (Titel der
                Voraussetzungsprüfung für das Wiener Psychologie-Studium)
                gemäß den geltenden Ansprüchen. Es wird versucht zu
                zeigen, auf welche Weise extern kreierte Bedürfnisse von
                den Subjekten als eigene übernommen werden und auf
                welche - teilweise subtilen - Arten versucht wird,
                Widerstand zu brechen oder zu untergraben und welche
                Handlungsmöglichkeiten sich daraus ergeben.
              
              Der nun
                folgende Absatz erhebt nicht die Absicht, irgendwelche
                neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorzulegen und es ist
                davon auszugehen, daß die Mehrzahl der LeserInnen mit
                den darin leicht angerissenen Inhalten weit gründlicher
                vertraut ist, als sie hier zur Darstellung kommen, jedoch
                halte ich es für wichtig, von vorne herein
                Ausgangspositionen klarzustellen um nicht auf selbverständliche
                Art etwas vorauszusetzen und dadurch Mißverständnisse
                zu provozieren. Weiters ist es mir wichtig, die
                Fundamentalität des Sozialisationsprozesses
                hervorzuheben, sich immer wieder vor Augen zu halten, daß
                wir - trotzdem wir uns vom Gefühl her als eigenständig
                und unabhängig erleben - bis in unsere letzten Wurzeln
                Produkte unserer Gesellschaft sind - im
                inrteraktionistischen, und nicht im deterministischen
                Sinn.
              Sozialisation bedeutet also das
                Hineinwachsen von Individuen in die sie umgebende
                Gesellschaft, d.h. also, daß wir in die Regeln und Übereinkünfte
                des/der zugehörigen Systems/Systeme eingeweiht,
                gewissermaßen als weißes Blatt langsam beschrieben
                werden. Über die Identifikation mit den Eltern bis zur
                Ausbildung der eigenen Identität lernen wir alles
                Wichtige, das es laut geltenden Maßstäben zu wissen
                gilt, aber mehr als das ist die Bildung unserer
                  Identität in der Form wie wir sie kennen ausschließlich erst durch die seit Kindesbeinen vonstatten gehende
                    Teilhabe an der Gesellschaft möglich. Die
                gesellschaftliche Wirklichkeit und somit auch all ihre
                bestehenden Normen und Regeln werden vom ersten Moment
                des Eintretens in diese graduell übernommen und
                internalisiert. Unser Geist, unsere Art zu denken, unsere
                Interessen, etc. sind alle Produkte der menschlichen
                Gemeinschaft. Es handelt sich - im Sinne des symbolischen
                Interaktionismus nach Mead (1973) - um einen aktiven
                Vorgang des Aushandelns, um aktives Auskundschaften,
                Kennenlernen, Reagieren, Annehmen, Rebellieren und nicht
                um simples Lernen bzw. Aufnehmen und dementsprechendes
                Handeln, wie es oft in der Psychologie und der
                Sozialpsychologie postuliert wird – wie am bekannten
                Beispiel des Behaviourismus nachvollziehbar.
              In den hier auszubreitenden Überlegungen
                soll die Aufmerksamkeit auf die Institution Hochschule
                und die Interaktion mit ihr seitens StudentInnen (als
                dort Hineinwachsende) und Lehrenden (als dieses Wachstum
                Steuernde und Überwachende) fokussiert werden. Im
                Lateinischen steht 'institutio' für 'Einrichtung',
                'Unterweisung', was beides schlichtweg genau das ausdrückt,
                was es für uns auszubreiten gilt. 
              Mead sieht den ersten Schritt, der zu einer
                Institutionalisierung führt, in der Vereinheitlichung
                von Handlungsmustern gegenüber bestimmten Situationen.
                Reaktionsmuster und -abfolgen werden im jeweiligen Sinne
                der sich entwickelnden bzw. entwickelten Institution
                geeicht. Die ganze Gemeinschaft oder der betroffene -
                sich als solcher empfindende - Teil davon reagieren in
                einer geeigneten Situation, das ist eine solche, die das
                Handeln der Einrichtung entsprechend ihrer Funktion, d.h.
                Zielsetzung und ihrem Sinngefüge, erfordert, gegenüber
                dem einzelnen, der ihr Eingreifen nötig macht oder sich
                z.B. zwecks Dienstleistung an sie wendet, auf
                vereinheitlichte Weise. Daraus ist erkennbar, daß der
                Begriff der Institution weiter gefaßt werden muß, als m/f
                es umgangssprachlich gewohnt ist: Nämlich als Übereinkunft
                (dieser Begriff ist aber nicht ganz passend, da er das
                Einverständnis aller miteinschließt, welches aber
                sicherlich nicht einfach vorausgesetzt werden kann), in
                einer bestimmten Weise auf bestimmte Gegebenheiten zu
                reagieren. "Institutionalisierung findet statt,
                sobald habitualisierte Handlungen durch Typen von
                Handelnden reziprok typisiert werden." (Berger und
                Luckmann, S.58) Damit ist gemeint, daß - in
                vorinstitutionalisierten Zuständen - Menschen in ihren
                sich wiederholenden Handlungen einer Gewöhnung
                unterliegen, welche die Handlungen im Großen und Ganzen
                immer gleich ausschauen läßt und dem handelnden Subjekt
                aus der Sicht eines Betrachters eine Eigenart im Umgang
                mit der entsprechenden Situation aufdrückt. Der nächste
                Schritt ist, daß von diesem eingewöhnten
                Handlungsablauf, der ursprünglich der Zeitersparnis
                dient, nicht mehr abgewichen wird und zusätzlich nicht
                mehr abgewichen werden darf. Letzteres ist schon eine
                Vorstufe zur Institutionalisierung - es fehlt jedoch der
                Zusatz, daß es sich bei den die institutionalisierte
                Handlung Tätigenden um typisierte Subjekte handelt, d.h.
                solche, die in der erforderlichen Situation, abseits
                ihrer individuellen Unterschiede, in derselben Art und
                Weise handeln und das allen an sie Herantretenden gegenüber.
                Es entsteht also eine bestimmte Rolle, die zur
                Ausführung institutioneller Handlungen maßgeschneidert
                ist.
              Das Problem der Entpersonifizierung, das
                sich durch die die Institutionen tragenden Rollen ergibt,
                stellt ein individualitätsfeindliches dar, da die
                Institution auf die einzelnen Menschen nicht spezifisch
                sondern vereinheitlichend zugeht. "Ein Teil des
                Selbst hat sich (...) objektiviert als Vollstrecker eben dieser Handlung, während das ganze
                Selbst sich nun mehr oder weniger von der vollzogenen
                Handlung zurückziehen kann. So wird es möglich, sich
                sein Selbst als nur teilhaft mit der Handlung
                identifiziert vorzustellen (...)". (ebenda, S. 77) 
              Durch Verdinglichung (1) scheinen die Institutionen mit der Natur
                zu verschmelzen; und die Welt der Institutionen wird
                Notwendigkeit und Schicksal, Glück oder Unglück."
                Dasselbe gilt eben für Rollen: "Die Modellformel für
                diese Art der Verdinglichung lautet: 'Ich habe in diesem
                Falle keine Wahl. Ich muß in meiner Stellung so handeln.'"
                (ebenda, S.97) Das Problem eines Individuums kann
                innerhalb einer Institution also voraussichtlich erst
                dann gelöst werden, wenn es die Regeln beherrscht und
                sich nach ihnen verhält und die Möglichkeiten der
                Institution nicht überschritten werden.
              Mit Foucault können wir an diesem Punkt
                den Begriff der Macht und darauffolgend jenen der Machtökonomie einführen. Dadurch wird eine
                Betroffenheitsdimension der Subjekte sichtbar, die in der
                distanzierteren Sprache Berger & Luckmanns verborgen
                bleibt. Jede Rolle ist somit mit Macht ausgestattet,
                wobei hier nicht nur von offiziellen Rollen die Rede ist,
                sondern von der Gesamtheit der in der betreffenden
                Institution auch informell angebotenen. JedeR die/der
                also auch nur ein Bruchstück einer Rolle für sich
                beanspruchen kann, kann die darin enthaltene Macht ausüben.
                Durch das alle Ebenen bzw. Hierarchien diffundierende Tätigen von Macht verschwimmen die Grenzen zwischen TäterInnen
                und Opfern bzw. Herrschenden und Beherrschten. 
              Wenn m/f sich der Eingebundenheit in diese
                Machtökonomie nicht bewußt ist, erscheint die gegebene
                Situation einer/m als zwingende, die Handlungsmöglichkeiten
                bestimmende und kanalisierende Realität, an der m/f
                quasi unverschuldet ist - als nur “teilhaft mit der
                Handlung identifiziert”, s.o. In diese Kerbe gilt
                es, einen Keil zu treiben und die immer vorhandene eigene
                Verantwortung - die bewußte Entscheidung für
                entsprechende Handlungen - aufzweisen und einzufordern.
              Bevor ich genauer auf die gesonderte
                Kategorie der universitären Hochschule eingehe, scheint
                es mir zwingend, noch einige Überlegungen zur Schule im
                Allgemeinen anzuführen, da bestimmte Zustände und
                Verhaltensmuster aller involvierten Parteien nur unter
                diesen Prämissen nachvollziehbar werden. 
               
              
              
              
              Die Art, Institutionen zu begegnen und ihre
                Inhalte zu übernehmen, wird also von kleinauf gelernt
                und gelehrt. M/f erkennt zwar irgendwann, daß diese Welt
                nicht die beste ist, aber trotzdem kommt m/f nicht bzw.
                selten auf die Idee, daß der spezifische Gang der Dinge
                nur ein möglicher ist, der uns nur deshalb so legitim
                erscheint, da er für uns seit unserer Geburt
                Wirklichkeit ist. Unsere 'Zahmheit' gegenüber dem
                'Aggressor' Hochschule/Universität u.a. ist zum größten
                Teil nur eine Folge der vorhergegangenen
                Schulsozialisation. Beinahe jedes Kind freut sich am
                Anfang auf die Schule - schon nach ein paar Wochen ist
                davon oft nichts mehr zu spüren. Faulheit und
                Desinteresse, Eigenschaften, die StudentInnen ja auch
                gerne zugeschrieben werden, sind doch nicht solche, die
                das Kind ursprünglich ‘besitzt’. Sie sind
                Reaktionen auf Umstände. Natürliche Impulse wie
                Neugier, Wissensdurst, der Drang alles verstehen zu
                wollen, spielerisch zu lernen etc. werden in der Schule
                systematisch unterdrückt. Auf die ständigen 'Warum-Fragen'
                der Kinder wird aber auch seitens der Eltern und nahen
                Erwachsenen irgendwann nur mehr mit "das ist halt so"
                oder mit Achselzucken geantwortet. Das hinterläßt den
                Eindruck, als gäbe es darauf gar keine Antworten - wenn
                schon nicht einmal die Erwachsenen eine wissen - und
                bildet die Voraussetzung, die soziale Realität als
                naturgegeben wahrzunehmen. "Die Fragen der Kinder
                nach der symbolischen Sinnwelt sind schwieriger zu
                beantworten als ihre Fragen nach den institutionalen
                Wirklichkeiten des Alltagslebens. Auch die Fragen
                beunruhigter Erwachsener verlangen noch mehr und
                differenzierte Denkarbeit." (Berger & Luckmann,
                S.114) Die 'Warum-Fragen' wirken auf die Erwachsenen
                verunsichernd, da sie nach einer Erklärung für Vorgänge
                verlangen, die m/f nicht gewohnt ist zu hinterfragen, was
                auf den Wirklichkeitscharakter der menschlichen
                Gesellschaft zurückzuführen ist. Wenn wiederholt keine
                Antworten kommen, wird das Kind im Laufe der Zeit seine
                Fragerei einstellen. Als positive Aussicht ist noch
                anzumerken, daß dieser Impuls auch wieder zum Leben
                erweckt werden kann. Zum Zeitpunkt, wo das Kind in die
                Schule kommt, hat es schon für viele Bereiche gelernt,
                diese einfach hinzunehmen, auch wenn es den Grund dafür
                nicht weiß. Als solcher, d.h. hinzunehmender, Bereich
                kommt nun die Schule hinzu und in dieser selbst wird das
                Hinterfragen wohl auch nicht gerade gelehrt.
              Gleichzeitig mit der Gewöhnung seitens des
                Kindes, diese Fragen nicht mehr zu stellen, kommt es zu
                dem Effekt, daß damit die Fähigkeit zum 'selbständigen
                Denken' untergraben, dramatisch ausgedrückt: verstümmelt
                wird. 
              Die üblicherweise im Alter von sechs
                Jahren beginnende erzwungene Eingewöhnung in die Schule
                gewährleistet somit nicht nur eine Gewöhnung an dort
                stattfindende konkrete Zustände und Regeln, sondern auch
                eine ebensolche an Gebräuchlichkeiten, die den Kontext
                der Schule weit übersteigen und für unser
                gesellschaftliches Zusammenleben bestimmend sind. 
              Um sich klarzumachen, welche Ziele mit der
                allgemeinen Schulpflicht und mit der aktuellen Form der
                Praktizierung von Schule verfolgt werden, ist es
                notwendig, sich die gesellschaftliche Einbettung dieser
                Institution genauer anzusehen: Auf welchem Hintergrund
                wurde sie gegründet, wer bestimmt Verhaltens-, Aufstiegs-,
                Abstiegs-, Aufnahme- und Aussperrungsgründe, etc. –
                kurzum: Wie gestaltet sich die Machtverteilung.
               
              
              Eine verbreitete, aber nur teilweise
                zutreffende Erklärung für die Gründung von Schulen und
                die damit einhergehende allgemeine Schulpflicht findet
                sich in den Impulsen der Aufklärung: Sie "gilt als
                die 'bedeutenste europäische Emanzipationsbewegung' [Mieck,
                1989], deren Grundgedanken bis heute gelten und
                gesellschaftsgestaltend wirken. Immanuel Kants Worte
                werden paradigmatisch als Definition für die neue
                Sichtweise des Menschen zitiert, wonach Unmündigkeit
                selbstverschuldet ist, 'wenn die Ursache derselben nicht
                am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und
                des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen
                zu bedienen'. 'Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen
                Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung'
                [Kant, 1964], der klar mit den Prämissen einer
                gottgewollten Ordnung bricht. Das selbständige,
                vernunftgeleitete, seinem Gemeinwesen dienende Individuum
                wird zum Ideal erhoben, durch Erziehung sollen die
                  Menschen zu eigenem und damit allgemeinem Glück geführt
                  werden. [ Hervorhebung v.Verf.]" (Lauggas (2), S.8) 
              Ein genauerer Blick auf Österreich: "Maria
                Theresia [die ja die allgemeine Schulpflicht einführte,
                s.u.] war (...) eine gebildete Frau. (...) Ihr Hauptziel
                war in allen Bildungsebenen von Universitäten bis zu
                Elementarschulen eine Ausweitung der Staatsmacht [Hervorhebung
                v.Verf.] und staatlich kontrollierte Ausbildung der
                Untertanen, wie dies besonders deutlich in den Universitätsreformen
                seinen Niederschlag fand. 'Rationalität, Uniformität,
                Utilität und Funktionalität … galten auch auf dem
                Gebiet der Bildungspolitik als oberste Maximen.' [Grimm,
                1987] Bis zu Maria Theresias Regierungszeit lag das
                Schulwesen völlig in der Hand der Stände, vor allem der
                Geistlichkeit. Ihre Bildungspolitik wird beschrieben als
                Übergang vom 'Ecclesiasticum' zum 'Politicum': Das als
                Angelegenheit der Kirche betrachtete Schulwesen wurde
                sukzessive auch für das Staatswesen interessant. …
                1774 wurde die allgemeine Unterrichtspflicht eingeführt,
                der Kaiserin aber lag es fern, damit jener aufklärerischen
                Intention Vorschub zu leisten, wonach das Individuum aus
                seiner Unmündigkeit herausgeführt werden sollte. (...)
                'Die Chancen auf eine unter originär pädagogischen
                Vorzeichen stehenden grundlegenden Neugestaltung des
                gesamten Bildungswesens waren durch das Faktum, daß
                Schule und Unterricht in Österreich in der zweiten Hälfte
                des 18. Jahrhunderts in das »Vorfeld der Verwaltung« rückten,
                auf ein Minimum gesunken, denn die von der »Staatsräson«
                gerägten bildungspolitischen Zielsetzungen der
                theresianischen (und in großen Teilen auch
                josephimischen; Anm. M.L.) Bürokratie, die ... zum »Träger
                der neuen Staatsanschauung« wurde, unterschied sich
                stark von den als »liberal« zu qualifizierenden
                Vorstellungen über Erziehung und Unterricht, wie sie die
                zeitgenössische Aufklärungspädagogik entwickelt hatte.'[Grimm,
                1987]" (Lauggas, S.13) Da Regierungen damals wie
                heute von Interessen geleitet wurden und werden,
                verwundert es wenig, wenn jene, die weitreichende
                Entscheidungen treffen, diese so fällen, daß sie für
                die sie involvierende Machtökonomie zum Vorteil gereicht.
                Wie das Päckchen dann präsentiert wird, hier eben mit
                Aufklärungsgedanken umhüllt, ist im Grunde eine andere
                Frage.
              Um die Machtverhältnisse vom Prinzip her
                beibehalten zu können, war es also notwendig, die Aufklärungsgedanken
                in einer kontrollierbaren Form umzusetzen. “Der Ort,
                an dem flächendeckende Erziehung gewährleistet werden
                sollte, wird die Schule. Eines der zentralen Fächer
                stellt von Anfang an die sogenannte 'Leibeserzeihung'
                dar, die Körper- und Selbstbeherrschung, die nichts mehr
                dem Zufall überläßt und die eigene Diszipliniertheit
                und Gehorsamkeit zum verinnerlichten Bedürfnis [Hervorhebung
                v.Verf.] macht. Die Wahrnehmung von Kindern bewirkt die
                Entwicklung der Pädagogik und ist unmittelbar gekoppelt
                an den Ursprung moderner Verschulung, die wiederum eine
                sukzessive Verlängerung der Kindheit einleitet.
                Glantschnig [1987] faßt treffend zusammen: 'Der Mensch
                wird unter dem Aspekt der Effektivierung seiner
                Arbeitskraft gesehen, der Disziplinierung seines Körpers
                und der Normalisierung seines Verhaltens. Die Pädagogik
                hat wesentlichen Anteil an der Entwicklung dieser
                wissenschaftlichen Maschinerie, die den Körper des
                Einzelnen durchdringt, zergliedert und in Hinblick auf
                einen allgemeinen Zweck wieder zusammensetzt.'" (ebenda,
                S.121)
              "'Die wirklichen und körperlichen
                Disziplinen bildeten [beim Übergang von der alten,
                monarchistischen zur neuen, auf Institutionen verteilten
                Machtökonomie] die Basis und das Untergeschoß zu den
                formellen und rechtlichen Freiheiten.' [Foucault, S.285]
                So sind nach Foucault die Disziplinen ["als
                gemeinsamer Nenner verschiedener Institutionen, in denen
                sich die Machtökonomie jeweils konkret verkörpert";
                Holzkamp, S.350] nur scheinbar 'nichts anderes als ein
                Subsystem des Rechts ... Tatsächlich aber sind' sie 'als
                eine Art Gegenrecht wirksam. Sie haben nämlich gerade
                die Aufgabe, unübersteigbare Asymmetrien einzuführen
                und Gegenseitigkeiten auszuschließen.'[Foucault, S.285]"
                (Holzkamp, S.350)
               
              
              Die Schulpflicht der Kinder erfüllt in
                unserem kapitalistischen Gesellschaftssystem zwei
                Grundfunktionen: Erstens dient sie der Heranbildung
                produktiver WirtschaftsteilnehmerInnen und
                gesellschaftstreuer Mitmenschen und zum zweiten gewährleistet
                sie die Bereitstellung der Arbeitskraft der Eltern bzw.
                der Mutter für die Zeit, die das Kind/die Kinder in der
                Schule verbringt. Daß die Schule nicht primär dem Wohle
                der Kinder dient und nach ihren Bedürfnissen
                ausgerichtet ist, zeigt sich schon an der Struktur dieser
                Einrichtung. Ottomeyer geht soweit, daß er Schulen als
                'totale Institutionen' bezeichnet, in der es “eine bürokratische
                Verwaltung" gibt, “hierarchische soziale Ränge
                und ein (...) Regelsystem für das zwischenmenschliche
                Verhalten." Die Kinder “sind mehr oder weniger
                unfreiwillig hier und unterstehen der Weisungsbefugnis
                und Sanktionsgewalt des 'Stabs'. (...) Den Insassen
                werden viele Möglichkeiten zum Ausdruck ihrer persönlichen
                Identität weggenommen" und sie unterliegen “noch
                in den intimsten Verrichtungen (m/f denke an das
                schulische 'Austreten') der Kontrolle durch den Stab".
                (ebenda, S.212) “Der Eintritt in die Schule ist für
                das Kind ein folgenschweres und ziemlich bitteres
                Ereignis. Deshalb versucht m/f es ihm auch durch das
                bekannte Zuckertüten-Ritual [in der BRD] zu versüßen.
                Die in der Schule herrschenden Anforderungen an das
                kindliche Verhalten bedeuten einen scharfen Bruch mit dem
                vertrauten sozialen Milieu der bisher fast ausschließlich
                bestimmenden Familien- und Freundschaftsbeziehungen, in
                denen sich die ersten Ansätze eines kindlichen Selbstgefühls
                und Selbstbewußtseins herausgebildet hatten." (ebenda,
                S.220)
              “Derselbe Bruch betrifft auch die Art
                und Weise der kindlichen Gegenstandsaneignung und des
                Erkundungsverhaltens. Während dies bisher eng mit
                spontanen körperlichen Bewegungsabläufen … und
                mehr oder weniger spielerischen Handhabung der
                Lerngegenstände verbunden war, findet Lernen nun abgelöst
                vom direkten Kontakt mit den Gegenständen statt, daß
                der Körper samt seinem Betätigungsdrang erst einmal auf
                einem Stuhl stillgestellt werden muß. Der Schüler muß
                seine persönliche Lebens- und Herkunftsgeschichte
                weitgehend vor der Schulpforte lassen, und er lernt, in
                zwei verschiedenen zwischenmenschlichen Welten zu leben.
                Die Anforderungen der Schule sind unpersönlich,
                leistungsbezogen und unerbittlich - wer nicht mitkommt,
                dem droht die soziale Ausstoßung in die Sonderschule und
                der Status des Asozialen; hierin ist die Schule durchaus
                schon eine Vorbereitung auf die Härte des
                kapitalistischen Erwerbslebens." (Ottomeyer, S.220)
              Das Interesse am Schulstoff wird durch die
                Zerstückeltheit und zeitliche wie lebenspraktische
                Entfernung der Lehrinhalte zusätzlich behindert. “Das
                Fehlen eines wirklichen Sachbezugs für die gemeinsame
                Lerntätigkeit hat zur Folge, daß die schulischen
                Lerngegenstände nur noch in symbolisch-abziehbildartiger
                Form gegenübertreten. (...) Aber auch diese symbolisch
                vorgestellten gemeinsamen Lehrgegenstände werden durch
                das von staatlichen Lehrplänen kontrollierte Prinzip des
                Fachunterrichtes noch einmal aufgesplittert und damit
                entwirklicht [s. Beck, 1974]. So taucht etwa ein
                eigentlich so interessantes Thema wie das Leben der
                Menschen in der englischen Gesellschaft einmal (...) im
                englischen Sprachunterricht auf, dann noch einmal im
                Geschichtsunterricht, im Georaphie-Unterricht, wo die
                Beziehungen der Menschen zur Natur und ihre
                Siedlungsformen ganz abgelöst von der Geschichte und vom
                Sozialleben behandelt werden, und vielleicht noch einmal
                im Sozialkundeunterricht. Wenn die Schüler in diesen Fächern
                auch noch von verschiedenen Lehrern unterrichtet werden,
                was anzunehmen ist, so wird es ihnen wahrscheinlich endgültig
                unmöglich gemacht, einen sinnvollen Zusammenhang
                zwischen den verschiedenen Teilaspekten herzustellen."
                (Ottomeyer, op.cit., S.224) Hier ist hinzuzufügen, daß
                die verschiedenen historischen Epochen in den diversen Fächern
                oft gar nicht simultan behandelt werden.
              Am Ende dieser Überlegungen läßt sich
                mit Franz (1978) die Frage stellen, ob die immer stärker
                um sich greifende Produktorientiertheit und
                funktionalistische Ausrichtung nicht "den Schüler
                mehr zum Objekt der Institution als zum Subjekt in der
                Institution Schule machen." (in Horn, o.J., S.373) 
               
              
              Der Hochschule ist in ihrer Eigenschaft als
                Institution zu eigen, daß sie einerseits der Vermittlung
                von bestimmtem Wissen über verschiedene Gebiete dient
                und aber zur selben Zeit, genauer gesagt: zeitgleich mit
                den Lehrinhalten auch Anweisungen darüber liefert, wie
                dieses Wissen zu gebrauchen ist. D.h. gelehrt und gelernt
                wird, wie die Instrumente der Wissenschaft zu gültigen -
                von der Wissenschaft anerkannten - Ergebnissen führen.
                Es wird von Anfang an versucht, unsachgemäßes Handhaben
                von Methoden und Erkenntnissen zu verhindern, um
                letztendlich das Gebäude des jeweiligen Sinnsystems
                nicht zu unterminieren bzw. es in Legitimationszwänge zu
                bringen. "'Einsozialisierung' in wissenschaftliches
                Handeln wäre (...) unvollständig (...) wenn es sich nur
                auf die erkenntnislogischen Kategorien (...) bezöge und
                nicht gerade auch auf die Kompetenz zum
                wissenschaftlichen Alltagshandeln." (Klüver,
                1988, S. 157, in Hurrelmann & Ulich [Hrsg.], Jahr?, S.
                422) Der/die StudentIn soll ja nicht nur wissen,
                wie sich ein/e WissenschaftlerIn verhält, sondern ihm/ihr
                soll es natürlich erscheinen, sich gerade so zu
                verhalten und nicht anders - ohne das zu hinterfragen. 
              Grundlegend in der Wahrnehmung der
                Institution Hochschule ist die in ihr vorhandene
                Hierarchie der verschiedenen Rollenträger und die damit
                verbundene Machtökonomie. Hierarchien ziehen sich durch
                den gesamten Komplex des Hochschulsystems und werden von
                den verschiedenen RollenträgerInnen perpetuiert. In der
                Folge will ich am konkreten Beispiel von Wien versuchen,
                zunächst auf institutioneller Ebene die Ränge zwischen
                den einzelnen Gebäudekomplexen festzuschreiben und im nächsten
                Abschnitt dann die verschiedenen relevanten Rollen in
                ihren die Subjekte prägenden Eigenschaften
                herauszukristallisieren:
              Auf der höchsten Ebene bietet sich zuerst
                zwischen den einzelnen Universitäten (d.i. z.B.
                Hauptuniversität: HU, Wirtschaftsuniversität: WU,
                Technische Universität: TU etc.) eine wertbehaftete
                Rangordnung gemäß ihrem 'Gebrauchswert', der sich im
                Umgang der Politik und der Wirtschaft, also der 'mächtigen
                Kräfte' in unserem Gesellschaftssystem, mit diesen
                exemplarisch zeigt. Dazu genügt es, sich die zugeteilten
                Bugets anzusehen, bzw. die Ausstattung mit Mitteln (m/f
                denke als drastisches Beispiel an die Institutsbibliothek
                Psychologie hier in Wien, die dem Anschein nach überhaupt
                kein Geld bekommt, s.u.). Diese Zustände hinterlassen
                natürlich dementsprechende Eindrücke und zeigen einem/r
                wie es um ihn/sie steht. Es findet regelrecht eine 'Prägung'
                statt, durch welche m/f erlebt, welchen
                Stellenwert m/f z.B. als StudentIn aber auch als
                LehrendeR in der gesellschaftspolitischen Ordnung hat. In
                der Folge kommt es dazu, daß beispielsweise ein/e
                forschende/r WissenschaftlerIn der WU im politischen und
                öffentlichkeitswirksamen Bereich mehr Einfluß hat als
                eine/r der HU. 
              Die nächsttieferliegende Ebene ist jene
                der Fakultäten der einzelnen Universitäten (z.B. auf
                der HU: Medizinische Fakultät: Med, Naturwissenschaften:
                NaWi, Grund- und Integrativwissenschaften: GruWi,
                Geisteswissenschaften: Gewi, etc.), auf welcher ebenfalls
                hierarchische Ordnungen festgestellt werden können:
                Exemplarisch sind hier die MedizinerInnen zu nennen, die
                eine herausragende Position - ganz entsprechend der
                Wichtigkeit, die ihnen in der Gesellschaft eingestanden
                bzw. zugeteilt wird - einnehmen. Die Studienrichtungen
                der GruWi (u.a.: Philosophie, Politikwissenschaft,
                Psychologie, Soziologie, 'Völkerkunde') aber sind,
                provokant ausgedrückt, fast unerwünscht, da sie z.B.
                als Zufluchtsort für FaulenzerInnen oder für die
                Gesellschaft unproduktive Elemente angesehen werden -
                zumindest von der breiten Öffentlichkeit; die Wertschätzung
                seitens der Politik drückt sich, wie oben schon erwähnt,
                in der Bereitstellung von Kapital aus - und ihnen eine
                Qualität der gesellschaftsrelevanten Wissensproduktion
                abgesprochen wird (das gilt zumindest solange, bis m/f
                nicht ihren/seinen Titel errungen hat; ab dann wird einer/m
                schon fast mit Kniefall begegnet). In einer Ausgabe des
                Spiegel (3, 1999) wird beispielsweise von einem
                Soziologieprofessor berichtet, der ein Drittel der
                StudentInnen für unfähig hält. Das schließt er, dem
                Bericht zufolge, aus deren Äußerungen während eines
                Umtrunks zu Semsterbeginn, wo die jungen Leute erzählten,
                warum sie an die Uni gekommen wären: Einer, weil er
                keine Lehrstelle gefunden habe, eine andere, weil sie
                morgens ausschlafen möchte. Der so Empörte fordert
                daher konsequent ein 'Eingangsgespräch', wie es von den
                Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft, im Einklang
                mit deren Maxime Leistung, Leistung, Leistung, schon vor
                zwei Jahren gefordert wurde.
              Als nächstes bietet sich die Rangordnung
                zwischen den verschiedenen Instituten innerhalb der
                jeweiligen Fakultät dar. Nehmen wir als Beispiel die
                Philosophie, die, obwohl (oder gerade weil?) niemand, außer
                den Eingeweihten natürlich, eine Ahnung über ihre
                Inhalte hat und diese auch nicht versteht, trotzdem ihren
                Stellenwert in der Gesellschaft hat, wo hingegen die
                Psychologie als Fach kein 'Selbstvertrauen' besitzt. Ich
                möchte es bei der Subsummierung der komplexen Situation
                der Psychologie im gesellschaftlich-wissenschaftlichen
                Kontext unter diesem Begriff belassen, da dies sonst den
                hier gesetzten Rahmen sprengen würde. 
              Die letzte Ebene ist die des Institutes
                selber, wo an oberster Stelle ProfessorInnen rangieren
                und an unterster StudentInnen. Im Stab der Lehrenden sind
                die 'externen', d.h. nicht vom Institut angestellten,
                LektorInnen das 'Schlußlicht', die, mitunter auch aus
                Profilierungsgründen, meist aber aus Spaß an der Sache
                oder Idealismus, unter Umständen sogar unentgeltlich
                ihre Lehrveranstaltungen abhalten und trotzdem teilweise
                von den Institutsoberen dabei behindert werden. Das hat
                hauptsächlich darin seinen Ursprung, daß diese
                ''Externen', wie das Wort schon suggeriert, nicht
                institutsangehörig sind und daher oft alternative
                Inhalte zum gängigen Lehrangebot bieten, die nicht
                selten kritisch sind und somit 'wissenschaftliche
                Wahrheiten' i.b.a. ihre Berechtigung hinterfragen. Die
                Angehörigen des Mittelbaus, also AssisstentInnen und
                einige ‘außerordentliche’ ProfessorInnen, sind
                hingegen schon in das System integriert und mitten im
                Aufbau ihrer wissenschaftlichen Karriere, daher kann m/f
                von ihnen nur schwerlich erwarten, daß sie die
                Grundmauern des Gebäudes, das sie bewohnen wollen,
                aufweichen. Die Härte der Hierarchie veranschaulichend
                wirkt auch der unerbittliche Machtkampf des Mittel- und
                Oberbaus um erfolgreiche Forschungsergebnisse und somit
                die bessere Position in der Institution und darüber
                hinaus in der Wissenschaftswelt. 
               
              
              Ich will nun überleiten zum änfänglichen
                Empfinden von Psychologie-StudentInnen in ihrem Studium,
                meine Erfahrungen miteinschließend, aber mich nicht
                ausschließlich auf diese berufend, welche Verhältnisse
                sich ihnen bieten und wie sie sich, ohne es zu merken -
                ja auch, weil m/f es schon sein Leben lang gewohnt ist,
                wie an den allgemeinen Ausführungen zur Schule klar
                geworden sein dürfte - in das System eingliedern, dabei
                zwar streckenweise Unbehagen verspüren, dieses aber
                nicht kausal auf das System zurückführen. 
              Wie anhand der Ausführungen im vorigen
                Abschnitt bezüglich der Universitäts-Hierarchien
                nachvollziehbar, läßt sich ja schon vor dem Überschreiten
                der Schwelle zur Uni ein Einfluß der sekundären
                Sozialisation des Studiums - eben mit dessen Einbettung
                in die Gesellschaft und die Hochschulstruktur -
                feststellen. D.h. also, daß m/f durch den Stellenwert,
                den die jeweilige Universität in der Gesellschaft hat,
                schon beeinflußt wird, bevor m/f überhaupt einen Fuß
                in sie gesetzt hat. Der Sprung/Übergang vom Status des/r
                Schülers/in zu jenem des/r Studenten/in ist insofern von
                einem qualitativen Blickpunkt her interessant, da sich im
                überhöhten Bild, das m/f als SchülerIn von den
                StudentInnen hat, wiederum eine gesellschaftliche
                Hierarchie ausdrückt. Ist m/f in diesen 'höheren'
                Status eingetreten, fühlt m/f sich dann auch - zumindest
                eine zeitlang - als etwas Besonderes, einer bestimmten
                Elite angehörig. Letzteres fühlt m/f vielleicht nicht
                direkt, de facto ist es aber das Ergebnis, da ja trotz
                des in Österreich noch geltenden freien
                Hochschulzuganges hauptsächlich nur bestimmte,
                privilegierte Gesellschaftsschichten, also mittlere und
                obere, an die Universität gehen. Einen sich dem Bewußtsein
                stärker aufdrängenden Charakter hat hingegen die
                Universität bzw. das jeweilige Institut selber, als
                konkretes Gebäude bzw. Gebäudekomplex, die bzw. das oft
                als 'Labirynth' oder 'chaotisch' beschrieben wird (vgl.
                Huber, in Hurrelmann & Ulich) und damit schon
                verunsichernd auf das uneingeweihte Subjekt wirkt.
                Was vermitteln diese Umstände: M/f erkennt - mehr als
                Gefühl denn als Gedanke, daß m/f außerhalb steht. M/f
                will jedoch hinein, m/f möchte ja studieren, daher wird
                m/f versuchen, an Informationen zu gelangen, wie m/f sich
                verhalten muß, d.i.: wo m/f weiterführende
                Informationen z.B. bezüglich Verwaltungsaspekten
                bekommt, welche Vorlesungen als erste besucht werden sollen,
                welche ProfessorInnen die wichtigen sind u.ä. Alte
                Reaktionsmuster auf Situationsanforderungen werden verunsichert. 
              Diese Phase der Orientierung kann sich je
                nach Klarheitsgrad der Struktur unterschiedlich lang
                dahinziehen. Die mittels 'symbolischer Gewalt' (Bourdieu
                & Passeron) "in Bedeutungszusammenhänge
                eingewiesenen Subjekte (...)" bleiben "(...)
                geflissentlich im Unklaren (...) über die Willkür, die
                Zufälligkeit dieser Bedeutungszusammenhänge. Was
                Geschichte ist, erscheint als Natur. Und der Naturgröße
                Wissenschaft gegenüber, so scheint es dann, bleibt nur
                unterwerfendes Lernen." (Rumpf, o.J., in Horn, o.J.,
                S.43) Die Institution hält verschiedene Rollen bereit,
                die m/f besetzen kann. Als Neuankömmling schlüpft m/f
                erst mal in jene des/r Studenten/in und beginnt sich eine
                - zwar nicht ausschließliche - Institutionsidentität
                anzulernen. Wenn wir genauer hinschauen, ist die
                allererste Rolle, die bereitgehalten wird jene des/r
                Erstsemestrigen, der/die ihrerseits nocheinmal unterhalb
                der des/r Studenten/in angesiedelt ist. Aus diesem Grund
                ist das am Institut für Psychologie in Wien angebotene
                alternative, d.h. in diesem Falle nicht sachbezogene
                Erstsemestrigen-Tutorium eine - nebenbei gefährdete, da
                von mehreren Seiten bekämpfte - erfreuliche Einrichtung,
                die versucht, in dieser Orientierungsphase einen Ruhepol
                zu bieten, an den m/f sich halten kann, um im
                Anpassungsstreß zu pausieren. Diese
                'strukturaufweichende' Komponente ist den BetreiberInnen
                oft gar nicht so bewußt. Sie versuchen, keine Distanz
                zwischen AnfängerInnen und Höhersemestrigen aufkommen
                zu lassen, während der Großteil der restlichen
                StudentInnen ihre Rolle schon übergestreift hat und sich
                somit mit den Erstsemestrigen nicht mehr identifizieren
                kann bzw.will und bis zu einem gewissen Grad sich einfach
                denkt "das ist nun mal so" und "ich mußte
                da auch durch" bzw. "da muß m/f durch".
                Die Tatsache, daß diese Alternativtutorien gemessen an
                der StudentInnenanzahl relativ schwach besucht sind, läßt
                bzw. ließe sich in logischer Folge auf die schon
                mitgebrachte Einstellung des 'sich Unterwerfens' bzw.
                'Durchhaltens' (Stichwort Leistung) zurückführen, die
                den Besuch einer solchen Veranstaltung überflüssig
                erscheinen läßt. Ein dazu passendes persönliches
                Beispiel ist, daß die sympathische und humorvolle Präsentation
                dieser Tutoriumsgruppe auf eine Kollegin peinlich, im
                Sinne von zu 'schulisch' wirkte. Sie erklärt das
                folgendermaßen: Da es zwischen der Rolle der Schülerin
                und jener der Studentin ja nicht einen abrupten Wechsel,
                sondern einen Übergang gibt, besteht in der
                Anfangsphase, in welcher m/f mit den neuen Anforderungen
                zur Rollenerfüllung erst umgehen lernen muß,
                Unsicherheit. Obwohl sie offiziell schon eine Studentin
                war, fühlte sie sich noch nicht als solche. Der
                Identifikationsprozeß war noch nicht abgeschlossen. Das
                Element des 'Schulischen' stellte also für den Identitätsbildungsprozeß
                ein Gefahrenmoment dar. 
              Rumpf arbeitet heraus, wie es überhaupt
                zur Bereitschaft zur Übernahme neuer Denkmuster, die
                jenen der Institution Hochschule entsprechen, kommt: Die
                Unsicherheit hinsichtlich des eigenen Verhaltens zu
                Anfang generiert im Individuum Ängste "vor der
                eigenen Bedeutungslosigkeit und Undomestiziertheit",
                die es nur durch "blinde Identifikation mit
                wissenschaftlich (...) verbürgten Autoritäten" (S.50)
                unterbinden kann. Dadurch, daß die eigene Identität
                durch die völlig neue und undurchsichtige Situation zu
                Studienbeginn - teilweise erheblich - verunsichert ist
                bzw. sein kann, entwickelt sie eine "Neigung zu
                allem, was festen Halt gibt" wie z.B. "ein
                Lehrbuch, ein solides Grundwissen, ein klares
                Anforderungssystem (...) mit klaren didaktischen
                Rollenverteilungen (...)." (S.61) Es findet,
                drastisch ausgedrückt, eine Identifikation mit dem
                Aggressor statt (vgl. Horn, 1972).
              Das 'Angsterzeugungsmittel' par excellence
                ist natürlich die Prüfung. M/f weiß ja schon aus der
                Schule um diese unangenehme Wirkung, d.h. sie ist kein
                Instrument, das heimlich wirkt, sondern ihre
                Eigenschaften liegen offen auf der Hand. Was ich damit
                sagen will ist, daß hier gar kein Hehl aus dieser
                Absicht gemacht wird, wenn es auch nicht öffentlich
                zugegeben wird. Offiziell dienen Prüfungen ja nur der
                'Wissensüberprüfung'. Aber was ist damit
                eigentlich gemeint: Es soll herausgefunden werden, ob der/die
                StudentIn ja wohl auch alles einverleibt hat, was ihm/ihr
                vorgesetzt wurde. Es geht nicht um das In-Erfahrung-bringen,
                ob die Prüflinge den Stoff reflektiert haben, sondern
                nur darum abzufragen, ob das, was in den Köpfen zu
                  sein hat, auch dort ist. 
              Das bestätigt auch unsere eigenen
                Erfahrungen dahingehend, daß es z.B. bei Prüfungen bis
                auf Ausnahmen darauf ankommt, ob m/f die richtigen Worte
                bzw. Fachbegriffe hinschreibt, unabhängig davon, ob m/f
                den entsprechenden Sachverhalt korrekt umschrieben hat, was ja Ausdruck von Vcht weiß. Als solcher, d.h.
                hinzunehmender, Bereich kommt nun die Schule hinzu und in
                dieser selbst wird das Hinterfragen wohl auch nicht
                gerade gelehrt. Gleichzeitig mit der Gewöhnung seitens
                des Kindes, diese Fragen nicht mehr zu stellen, kommt es
                zu dem Effekt, daß damit die Fähigkeit zum 'selbständigen
                Denken' untergraben, dramatisch ausgedrückt: verstümmelt
                wird. Die üblicherweise im Alter von sechs Jahren
                beginnende erzwungene Eingewöhnung in die Schule gewährleistet
                somit nicht nur eine Gewöhnungmit einem Aufleuchten auf
                die Stirn berührt und ihnen dadurch zeigt, ob sie
                aufgenommen sind oder nicht und falls ja, an welchem
                Platz sie stehen, also was sie wert sind. Die Prüfung
                zeigt “das Heraufkommen einer neuen Spielart der
                Macht an, in der jeder seine eigene Individualität als
                Stand zugewiesen erhält, in der er auf die ihn
                charakterisierenden Eigenschaften, Maße, Abstände und
                ‘Noten’ festgelegt wird, die aus ihm einen
                ‘Fall’ machen.” (Foucault, S.247; in
                Holzkamp, S.357) Diese Normierungsfunktion funktioniert
                auf der Hochschule allerdings etwas anders als in der
                Grund- oder Hauptschule, da ja hier die Noten nicht öffentlich
                vor einer Klasse offenbart werden, sondern jedeR ihr/sein
                Ergebnis ‘privat’ erfährt.- sie wird also beim
                Übergang Schule zu Hochschule den Subjekten selbst übertragen.
                Mit der nun subjektiv schon seit über zehn Jahren
                erfahrenen Normierungspraxis und der eigenen
                Eingespanntheit in die Bedürfnisstrukturen der
                schulischen Machtökonomie, die ja eine Lebenswelt
                darstellt, dürfte die internalisierte Normierung des eigenen Selbst im Sinne der Institution keine
                Probleme verursachen. Das Individuum ist mit seiner
                Frustration alleingelassen und wird also selbst dazu
                angehalten, etwas in die geforderte Richtung zu
                unternehmen - mit dieser neuen Dimension der
                Eigenverantwortlichkeit verschwimmt das Bild der
                Institution Universität als Aggressor. 
              Wenn m/f sich dafür entscheidet, ‘gute’
                Noten haben zu wollen, steht m/f vor einem weiteren
                Problem, das mit der Gleichung ‘brav lernen = gute
                Note’ nicht so einfach zu lösen ist: Der Vorwurf
                der Willkür bei der Notengebung ist ja nichts neues, m/f
                denke an das Gleichnis des ‘Noten-Würfelns’,
                vielmehr gilt es, die Dimension der daraus folgenden Unnachvollziehbarkeit für die Subjekte zu unterstreichen, die als
                kontinuierliche Frustrationsquelle fungiert. Gesetzt also
                der Fall, m/f will ‘gute’ Noten, so hat m/f
                keinesfalls die Garantie, lediglich mit einem mittelmäßigen
                Engagement eine entsprechende Benotung zu bekommen
                - vielleicht hat m/f ja unglücklicherweise nicht alle
                richtigen Schlüsselwörter hingeschrieben -, sondern muß
                sich vielmehr entscheiden, alles zu geben und somit den
                Stoff lückenlos zu beherrschen, oder aber von der
                Sammlung glorreicher Noten Abschied zu nehmen und sich
                mit Glückstreffern zufrieden zu geben. Sich von den
                Noten gänzlich unabhängig zu machen, ist jedoch gar
                nicht so leicht. Das Gefühl beim Durchblättern von
                lauter Vierern und Dreiern hat doch seine Wirkung, sprich
                einN unzufrieden mit den eigenen ‘unzureichenden’
                Leistungen sein zu lassen. Das ist zwar relativ leicht
                wieder weggesteckt, nichtsdestotrotz gilt es, den ‘Charme’
                der Eins hier festzuhalten.
              Die Thematik der Prüfungen stellt jedoch
                nur einen Teilaspekt dar. In eine umfassende
                Bestandsaufnahme der Zustände und Maßnahmen, die bei
                den StudentInnen einen gewissen, noch zu klärenden und
                auf einen bestimmten Hintergedanken hinführenden,
                Eindruck bzw. Einfluß darstellen, gehören noch folgende
                Aspekte: Sehr oft hört m/f Klagen von KollegInnen -
                vorwiegend aus dem ersten Abschnitt -, die von den
                anfangs präsentierten Inhalten enttäuscht sind, da sie
                sich überhaupt nicht mit den Erwartungen, die m/f an das
                Fach Psychologie hat, decken (Psychophysik, Statistik,
                etc.). Das wird als ziemlich frustrierend empfunden, was
                sich mitunter in starken Motivationsproblemen niederschlägt.
                Diese Frustration führt bei nicht Wenigen sogar zu einem
                Studienabbruch: 60-80% im ersten Studienabschnitt. Somit
                ist eine erste Selektion erreicht. Bei jenen, die
                durchhalten (im wahrsten Sinne des Wortes nach dem Motto:
                Augen zu und durch), kann es zu zwei Arten des Umgangs
                mit diesen Inhalten kommen, nämlich erstens ein
                ledigliches Pflichterfüllen, das darin besteht,
                die Inhalte blind und taub in sich aufzunehmen, um sie
                bei der Prüfung wiedergeben und anschließend vergessen
                zu können mit dem bloßen Ziel, den Titel einer
                Psychologin bzw. eines Psychologen zu erlangen oder
                zweitens zu beginnen, sich mit den Inhalten zu
                identifizieren, also an sie zu glauben, was ein
                Hinterfragen somit ausschließt. Wobei hier hinzuzufügen
                ist, daß m/f sich ja, bis nicht ein gewisses Quantum an
                Emanzipation erreicht ist, sowieso nicht befähigt fühlt,
                Gelehrtes in Frage zu stellen, da m/f es ja als eine von
                der Wissenschaft, in dem Effekt also naturgegebene,
                Wahrheit empfindet. Auch wenn m/f das Aufnehmen der
                Inhalte wie im ersten Fall nur als Mittel zum Zweck
                betreibt, werden ohne kritisches Hinterfragen bestimmte
                in der Wissenschaft tradierte Grundvorstellungen über
                den Menschen in der Gesellschaft - z.B. die
                Individualisierungstendenz in der Psychologie - ihre
                Wirkung zeigen. Auseinanderseztungen mit den Inhalten
                sind somit alles andere als zwingend. Ich unterstelle
                nicht nur hier wieder einmal einen Hintergedanken, der
                zum Ziel hat, daß der Lernstoff nicht bzw. seltenst
                hinterfragt wird und somit die kritische
                Auseinanderseztung zwar nicht unmöglich macht aber doch
                nur unter erschwerten Bedingungen aufkeimen läßt. Ab
                diesem Punkt ist das Stadium erreicht, wo der/die
                StudentIn den Inhalten gegenüber resigniert und diesen
                den eigenen Willen nicht mehr gegenüberstellt. Auf
                schleichende Art kommt es zur Übernahme der eine/n
                umgebenden Denkmuster: M/f beginnt, den spezifischen
                Habitus unbewußt bzw. automatisch zu lernen und zu übernehmen.
                Somit kommt es zu dem schlußendlich verfolgten Ziel, daß
                in einer bestimmten tradierten Art über Wissenschaft
                gedacht und mit ihr umgegangen wird und weiters, daß das
                gesellschaftliche Produkt 'Wissenschaft' somit nicht
                Gefahr läuft, sich legitimieren zu müssen. Das System
                hat somit, daß es sich TrägerInnen herangezüchtet hat,
                auf grundlegende, existenzsichernde Art für seinen
                Fortbestand gesorgt. 
               
              
              Wenn ich mit FreundInnen und KollegInnen
                noch einmal genauer auf die anfänglichen Erfahrungen im
                Psychologie-Studium, die wir als ziemlich prägend
                erlebten, zurückblicke, lassen sich noch zahlreiche
                Erinnerungen wachrufen, denen wir heute eine andere
                Bedeutung beimessen. 
              Von Anfang an muß m/f um alles kämpfen:
                Inskription, Sitzplatz, Handouts, Skripten, Seminarplätze,
                Prüfungsplätze, etc. Kann es denn wirklich sein, daß
                immer von Allem zu wenig vorhanden ist? In den ersten
                Vorlesungen (z.B. Statistik, Allgemeine Psychologie, etc.)
                gibt es nie genügend Sitzplätze - in manchen Hörsälen
                nicht einmal Stehplätze, sodaß m/f den Raum oft nicht
                einmal mehr betreten kann. Warum gibt es in der Vorlesung
                zur Entwicklungspsychologie regelmäßig zu wenig
                Handouts, sodaß m/f gezwungen ist, sich in das Gedränge
                zu werfen und durchzuboxen, um selber eines an sich zu
                reißen? Nicht selten werden Prüfungsanmeldungslisten zu
                spät aufgelegt, was den Effekt hat, daß, wenn m/f
                beispielsweise zwei Tage nicht am Institut war, am
                dritten die Liste schon voll ist. Ähnlich ist es bei
                Seminaranmeldungen, wobei es hier Lehrveranstaltungen
                gibt, wo die Wartezeit bis zu über einem Jahr beträgt,
                wo es sogar dazu kommt, daß manche in ihrer Panik eine
                Nacht am Institut verbringen, um dann am Morgen ihren
                Platz gesichert zu haben.
              Auswirkungen dieser Zustände äußern sich
                unter anderem in einer ständigen Panik, etwas zu versäumen
                und irgendwo nicht hineinzukommen, was sich als extrem
                nervenaufreibend und energiezehrend darstellt. Zusätzlich
                führt das zu einem Konkurrenzkampf in bester Ellebogen-Manier
                zwischen den StudentInnen.
              Ein unvergessenes Erlebnis fand in der Einführungsvorlesung
                statt: Eine Studentin der Fachschaft hielt einen Begrüßungsvortrag,
                von welchem m/f sich ein paar gute Ratschläge, Tips und
                nützliche Informationen erwartet hätte, im Gegensatz
                dazu aber mit der Aussage konfrontiert wurde, daß
                innerhalb des ersten Abschnittes bis zu 90% von uns
                ausscheiden würden. Unter die Nase gerieben zu bekommen,
                daß das von einem/r getätigte Unterfangen mit
                anscheinend großer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern
                verurteilt war, wirkte zusätzlich motivationshemmend,
                verunsichernd und deprimierend. Weiters sagte sie sinngemäß,
                wenn m/f die "Hölle" des ersten
                Studienabschnittes hinter sich habe, habe m/f das Studium
                in der Tasche. Bis zu den letzten HochschülerInnenschaftswahlen
                im Mai 1999 war die Fachschaft und somit auch die
                Studienrichtungsvertretung ausschließlich vom Psychologischen
                  Team gestellt, das sich als ‘unpolitisch’
                bezeichnet und seine Aufgaben in der möglichst
                umfassenden Bereitstellung verschiedener ‘Service’-Angebote
                sieht, die einen reibungsloseren Studienverlauf gewährleisten
                sollen. Diese Gruppe hinterfrägt in der Regel die
                Institutsinhalte nicht und ist in der Folge ganz in die gängige
                Machtökonomie eingespannt, ohne sich dessen bewußt zu
                sein. In diesem Licht erscheint es nur konsequent, wenn
                die zitierte Vertreterin ‘verirrte’ Subjekte
                aufklären wollte, was es mit dem Wiener Psychologie-Studium
                wirklich auf sich hat. ‘Verirrt’ ist in diesem
                Zusammenhang dergestalt zu verstehen, daß das Institut
                den meisten StudentInnen unterstellt, mittels des
                Studiums eine Therapie absolvieren, und nicht Psychologie
                als Wissenschaft erlernen zu wollen. 
              An diese Stelle paßt auch das Kapitel
                ‘Austauschanträge’. Es besteht die Möglichkeit
                eine gewisse Anzahl an nicht verpflichtenden
                Lehrveranstaltungen auszutauschen und sich somit einen
                Schwerpunkt zu setzen. Die bürokratische Prozedur ist
                aber dermaßen verwirrend, daß es schon einmal ein bis
                zwei Wochen dauert, bis m/f erfährt, ob der Antrag von
                einem ‘formlosen’ zu einem richtigen werden
                darf. Dabei ist zu beachten, daß der Antrag auf einem
                vorkopierten Blatt ausgefüllt werden muß, aber nicht
                von Hand. Wenn m/f nun den richtigen Antrag wieder
                eingeworfen hat, kann m/f nach weiteren zwei Wochen in
                die Sprechstunde des Studienkommissionsvorsitzenden gehen
                und sich seinen/ihren Antrag absegnen lassen. Der noch
                amtierende Studienkommissionsvorsitzende hat nun eine
                dermaßen einschüchternde und autoritäre Art, daß
                diejenigen, die nicht das ausreichende Selbstvertrauen
                besitzen, sich in ihren Anliegen oft nicht durchsetzen können,
                was oft mit abgelehnten Anträgen und Tränen endet. 
              Von dieser Persönlichkeit läßt sich
                gleich überleiten zum seit kurzem geschiedenen
                Institutsvorstand, der, nachdem ein Student auf seiner
                Frage bzw. Kritik beharrt hatte, mit dem Satz, unter
                diesen Umständen könne er seine Vorlesung (Statistik)
                nicht halten, das bis zum letzten Platz besetzte
                Auditorium Maximum verließ. Diese Begebenheit möchte
                ich in der Beurteilung der LeserInnen belassen.
              Geradezu als zynisch wirkt die Ansprache
                ‘Kollegen und Kolleginnen’, die nach außen die
                Aufnahme in das WissenschafterInnenkollektiv bezeichnet
                und nach innen nur der Sichtbarmachung der Gräben dient,
                da ja von einer Gleichstellung wohl nicht ernsthaft die
                Rede sein kann. 
              Dazu kommt noch, daß in der neuen Etage
                des Psychologischen Instituts der lange Gang mit den Büros
                verschiedener ProfessorInnen und AssistentInnen
                abgesperrt ist und m/f, falls m/f mit jemandem außerhalb
                der Sprechstunden reden möchte, von außerhalb der Glastür
                in das entsprechende Zimmer anrufen muß, damit diejenige
                Person dann, falls sie es für berechtigt befindet, kommt
                und die Türe aufsperrt.
              Um einen Sprechstundentermin beim Professor
                für Sozialpsychologie zu bekommen, muß m/f erst in die
                Sprechstunde seines Assistenten, dort sein/ihr Anliegen
                vorbringen und erhält dann gegebenenfalls einen Termin
                auf der höheren Ebene.
              Die Öffnungszeiten der Sekretariate und
                Bibliotheken wechseln fast jedes Semester, zumindest in
                der Vormittags-/Nachmittags-Reihenfolge und sind in ihrem
                Ausmaß, zumindest für diese Anzahl an StudentInnen,
                eher bescheiden bemessen. Auf der Tür der Sekretariats für
                Enwicklungspsychologie hängen Zettel wie: “STOP!
                Ist jetzt Öffnungszeit?” oder “Auch ‘nur
                eine Frage’ stört!”, wobei die Sekretärin
                dermaßen unfreundlich ist, daß es schon fast keinen
                Unterschied mehr macht, ob m/f nun zu den Öffnungszeiten
                kommt oder nicht.
              Die Institutsbibliothek ist zwar mit
                Computern für die Literatursuche ausgestattet, aber mit
                keinem für die Bibliothekarin, was zur Folge hat, daß m/f
                vorsintflutlich anmutendes Zettelchen ausfüllen über
                sich ergehen lassen muß. Die Bibliothek platzt auf
                engstem Raum aus allen Näten, sodaß nun die
                Diplomarbeiten, die vorher auf dem Boden und auf den
                Tischen gestapelt waren, ausgelagert werden mußten. M/f
                kann sie jetzt nur mehr auf der Bibliothek der HU
                ausleihen.
              Externe LektorInnen sind oft auch räumlich
                - gezwungenermaßen - ‘extern’. Einem dieser
                Lektoren wurde wiederholt der Antrag auf Abhaltung einer
                Lehrveranstaltung über das unbewußte Fortwirken des
                Nationalsozialismus abgelehnt mit dem Argument, daß kein
                Raum verfügbar wäre. Zudem wurde auch noch zur Zeit, da
                er seine Lehrveranstaltung noch hielt, zusehends an den
                Rand gedrängt: Am Anfang noch als Seminar zur
                Sozialpsychologie und am Ende als ‘Freifach’.
                Eine andere Lektorin kann ihr Seminar über
                Geschlechterdiskurse nur anbieten, weil sie von den
                StudentInnen Raummiete verlangt.
              In den Räumlichkeiten des Instituts wurden
                letztes Semester runde Aufkleber für Rauch- und
                Essensverbot angebracht. Die omnipräsente Plazierung,
                aber auch die Anzahl der angebrachten Schilder - vor
                allem solcher des Essensverbots - läßt eineN spüren,
                daß allem Anschein nach die Meinung vorherrscht,
                StudentInnen seien Ferkel und müssten daher ständig an
                ‘anständige’ Manieren erinnert werden.
              Was noch erwähnenswert scheint, ist die
                Tatsache, daß von einem/r zwar wissenschaftliches
                Arbeiten und alles, was dazu gehört, wie: Recherchieren,
                Zitieren etc. verlangt und vorausgesetzt, aber nirgends
                gelehrt wird. Als geradezu zynisch erscheint es dann, daß
                ein Seminar zum wissenschaftlichen Arbeiten angeboten
                wird, das nur für StudentInnen, die kurz vor der
                Diplomarbeit stehen, zur Verfügung steht. Als ob m/f
                erst bei der Diplomarbeit angehalten würde, diese
                Erfordernisse auch zu erbringen. Wiederum fragen wir uns
                nach dem Warum. Aufgrund eigener Beobachtungen bezüglich
                anderer Studienrichtungen, die sehr wohl etwas
                Entsprechendes anbieten, vermuten wir dahinter erneut
                einen Hintergedanken. Dieser könnte bestehen aus:
                Demotivierung, bewußtes 'im Stich lassen' und letztlich
                Selektion.
               
              
              Als erstes gilt es, die Frage nach den
                eigenen Zielen zu stellen: Will m/f eine
                wissenschaftliche Karriere ‘erklimmen’, träumt
                m/f davon eine die Wissenschaften revolutionierende
                Theorie zu erfinden? Müssen nun alle, die es besser
                machen wollen, aus dem System aussteigen?
              Wohl kaum. Es geht vielmehr darum, daß m/f
                sich seiner/ihrer Handlungsprämissen, -motive und -konsequenzen
                bewußt wird und in der folge versucht, Handlungen aus
                einer Zwecknotwendigkeit heraus zu vollziehen und nicht
                aus einer solchen der Macht.
              Wenn m/f sich der Machtdiskurse bewußt ist
                und sich noch stärker dessen bewußt ist, das m/f selber
                TäterIn und Opfer ist, wird es möglich, aus den Machtspielen auszusteigen. Damit ist jedoch nicht gemeint, daß m/f
                komplett ‘aussteigen’ muß, sondern nur, daß
                es möglich sein sollte, die eigenen Handlungen auf
                solche Motive zu überprüfen, die auf Machterhaltung und/oder
                -steigerung im Gegensatz zu solchen, die der konkreten
                Situationsanforderung gerecht werden.. Die Frage, die
                sich in Anbetracht von Institutionen stellt ist, ob diese
                ohne Machtökonomie überhaupt denkbar sind. Wenn wir
                nicht von einem utopischen Modell von an Macht
                uninteressierten Menschen ausgehen wollen - wobei ich
                Macht hier nicht als dem Menschen innewohnende und in der
                Folge unabdingbare Konstante sehe - so muß die Antwort
                lauten: Nein. Die Machtökonomie ergibt sich durch die
                Verfügungsgewalt der verschiedenen Rollen. Die Rollen
                stellen nun - wie schon eingangs erwähnt - ein
                individualitätsfeindliches Element dar. Ein Professor
                ist nicht einfach Herr Klaus Kubicek, sondern o.Univ.-Prof.Doz.Mag.rer.soc.oec.Dr.phil.
                Klaus Kubicek. Es findet keine Begegnung zwischen zwei
                Menschen statt, sondern eine zwischen einem Titel - d.h.
                also einer Rolle - und einem minderwertigen Subjekt, also
                dem Studenten bzw. der Studentin.
              Wenn wir nun Institutionen lediglich als
                organisationsstrukturierende Einheiten betrachteten -
                zugegebenermaßen eine ein wenig verklärte Sicht - so
                sollte es doch möglich sein, zwar ohne letztendlich die
                Hierarchien überwinden zu können, denn einE ProfessorIn
                bleibt immer einE ProfessorIn und einE StudentIn immer
                einE StudentIn, so aber doch in größtmöglichem Ausmaß,
                eine Begegnung von Mensch zu Mensch stattfinden zu lassen.
              In dieser Form würde die Entscheidung über
                die ‘Menschlichkeit’ jedoch ausschließlich bei
                der mächtigeren Position liegen und als MachtlosereR müßte
                ich immer noch auf Gnadenmomente von oben warten. Das
                kann es natürlich auch nicht sein. Die Handlungsmöglichkeit
                der StudentInnen liegt in der rebellierenden Antwort auf
                Macht’mißbrauch’. Dieser Begriff ist nicht in
                juristischem, sondern in Foucault’schen zu verstehen.
                Es geht darum, aus dem zwischenmenschlichen
                Aushandlungsprozeß der Rollenbestimmung bzw. -festlegung
                die eigene Aktivität zu beleuchten und sich der
                zugeschriebenen Rolle des/der ohnmächtigen Studenten/in
                zu widersetzen und das die Funktionalität überschreitende
                Selbstverständnis der die Rollen der ProfessorInnen Ausfüllenden
                zu brechen.
               
              
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