Das Mensch/Natur-Verhältnis in
          die Aufmerksamkeit dieser Disko-Reihe zu bringen („Natur
          und Herrschaft“, Jungle World 04/05), war sicherlich
          eine zentrale und gute Idee. Allerdings war die
          Darstellung David Kaeß´, besonders wo es um die
          menschliche Subjektivität ging – das Psychische
          –, wohl eher nur ein Auftakt, ein Ausgangspunkt.
        Die „Dialektik
          der Aufklärung“ wird zwar fleißig und gewissenhaft
          zur Deutung und Erklärung heran gezogen, das
          entscheidende Moment der Selbstbeherrschung in der
          Dialektik von Mensch und Naturbeherrschung fehlt jedoch.
        Stattdessen wird – leider
          und wieder einmal – die Psychoanalyse – als der
          Königsweg zum verborgenen, einem/r selbst fremden,
          unverständlichen Ich – bemüht. Die Krux mit der
          Psychoanalyse ist jedoch, dass sie nur in einem ersten
          Moment erklärt, in einem zweiten allerdings ideologisch
          verschleiert. Sie könnte auch als erklärungsförmige
          Verschleierungstheorie bezeichnet werden, wie sich
          vielleicht Klaus Holzkamp hätte ausdrücken können.
          Schon allein die breite Akzeptanz und Verwendung ihrer
          Konzepte in den bürgerlichen Schichten (im klinisch-therapeutischen,
          wie auch im wissenschaftlichen Bereich bis hin zum alltäglichen
          Gebrauch ihrer Begriffe: Identifizieren, Identifikation,
          Verdrängung, Unbewußtes, Libido etc.etc.) sollte doch
          schon stutzig machen.
        Zum einen hat das
          auch historische Gründe, denn zu dem Zeitpunkt, als die
          radikalen Gesellschaftstheorien, namentlich die
          marxisitschen und hier besonders hervor stechend die
          „Kritische Theorie“, an Boden und Popularität
          gewannen (bzw. sich diese erkämpften), schien keine
          andere, derart umfassende, psychologische Theorie zur
          Hand zu sein. Zum anderen erklärt sich die relative
          Verbreitung der Psychoanalyse sicher auch aus ihrer
          letztlichen Ungefährlichkeit bzw. guten Integrierbarkeit
          in die herrschenden Verhältnisse. Immerhin ist es
          bequemer, Rechtsradikalismus z.B. einer missglückten Lösung
          des Ödipuskomplexes zuzuschreiben, als diesen einfach
          als ein gesellschaftlich präsentiertes Sinnangebot und
          bloß subjektives Korrelat gesellschaftlicher Verhältnisse
          zu betrachten. Bei der Psychoanalyse ist es kein Problem,
          die Gesellschaft außen vor zu lassen.
        Zusätzlich muß gesagt werden,
          dass die marxistische Theorie und die Psychoanalyse von
          ihren Grundvoraussetzungen her unvereinbar, ja
          kontradiktorisch sind. Ich möchte allerdings nicht den
          gesamten hier bereit gestellten Platz mit der
          Untermauerung dieser Behauptung füllen. Exemplarisch führe
          ich einen Aspekt an: Marx konnte an eine emanzipatorische
          Gesellschaft glauben, da er den Menschen als
          gesellschaftliches Wesen sah, das sich selbst die
          Grundlagen für ein menschenwürdiges Dasein schaffen
          kann; Freud hingegen konnte das gar nicht erkennen, da er
          der monadisch-bürgerlichen Form von Subjektivität als
            realer auf den Leim ging. Er war ein Misanthrop, der
          die subjektive Unterdrückung durch „Kultur“
          als notwendig ansah, damit eine Masse „natürlicher“
          EgoistInnen überhaupt zusammen leben können (vgl.
          hierzu ausführlich Lichtman).
        Zurück zum Bild
          von Subjektivität in der „Dialektik der Aufklärung“:
          Die Problematik der Beherrschung beginnt nicht beim Verhältnis
          des Menschen zur Natur, sondern beim Verhältnis des
          Menschen zu sich selbst. Diese Beziehung – wie könnte
          es bei Horkheimer und Adorno anders sein – ist natürlich
          dialektisch, d.h. aus dem Verhältnis zu sich selbst
          ergibt sich jenes zur Natur (es geht allerdings nicht um
          eine chronologische Abfolge, sondern um eine
          Gleichzeitigkeit). Bekanntlicherweise beginnt Adorno
          seine Analyse ja mit der Durchleuchtung des Charakters
          Odysseus´. An diesem macht er eine neue Form von
          Subjektivität aus, welche aus einer Art – mit Kuhn
          gesprochen – Paradigmenwechsel in der
          Naturbetrachtung resultiert: Es ist der gestählte,
          listige, ökonomistisch denkende, somit rücksichtslose
          Mann, welcher der Natur gegenüber steht (im
          Gegensatz zum zirkulär in den Naturzyklen eingebundenen
          Menschen [1]; Odysseus bricht die Zeitschleife auf
            und macht eine lineare Abfolge daraus).
        In dieser Selbst- und
          Fremdbeherrschungslogik – die eine primär männliche
            ist – spielt das Konzept der Identität eine
          zentrale Rolle. Interessanterweise weisen die
          philosophischen und die psychologischen Theorien zu
          diesem Thema mehr Gemeinsamkeiten auf, als m/f meinen möchte:
          es geht um die Zuordnung zu Klassen, Kategorien etc.,
          sprich: um Einteilung (ist a gleich a oder
          nicht, ist a schon a bzw. schon nicht mehr
          usw.usf.). In dieser Logik gibt es – hinsichtlich
          der psychologischen Theorien – auch gar keine
          subjektive Identität, da diese immer schon kollektiv ist.
          Daher kann auch kein ernst gemeintes identitäre Projekt
          auf lange Sicht emanzipatorisch sein, denn Identität ist per se antiindividualistisch. Identität steht nie
          für sich alleine, sondern sie steht immer in Relation zu
          etwas, zu einer Kategorie: Ich „als“ …
        Die Logik ist jene
          der Angleichung, Anpassung, Einpassung, Einordnung. Mit
          dieser Logik des „Dieses gehört noch dazu, jenes
          schon nicht mehr“ befinden wir uns inmitten der
          Dynamik von Uniformisierung und Ausgrenzung. Dieses
          Problem ist im Kern von Identität schon
          angelegt und kann auch nicht mit Identität oder innerhalb von Identität gelöst werden.
        Im Gegenteil kann Identität
          hervorragend instrumentalisiert werden und gar nicht
          unpassend nennt Lutz Niethammer sie einen „semantischen
          Mollusken“ (um das zu „verifizieren“ würde
          es genügen, zwei oder drei verschiedene psychologische
          Einführungswerke auf die Definition von „Identität“
          zu durchleuchten; vgl. auch: http://home.reflex.at/~daniel.sanin/
          identitaet/identitaet.htm#Weichtier).
        Gerade in
          nationalen und ethnischen Diskursen ist das Identitätskonzept
          unendlich „wertvoll“. Kein anderes Konstrukt
          schafft es wie dieses, einen Kitt zwischen den Individuen
          und den kollektiven Konstruktionen und Kategorien zu
          schaffen, der die Menschen auch noch glauben macht,
          eigenständig Positionen in „der“ Gesellschaft
          einnehmen zu können, während sie doch in Wahrheit
          belogen werden bzw. sich selbst belügen. Identität
          steht für die freiwillige Unterordnung unter die
          herrschenden Verhältnisse. Und selbst wo identitäre
          Konzepte emanzipatorisch wirken, ist das nur ein kurzer
          Traum.
        David Kaeß fordert ganz richtig
          ein Überdenken auf grundlegender Basis des menschlichen
          Verhältnisses zur Natur. Dieses jedoch würde sich
          gewissermaßen von alleine aus einem neuen Verhältnis
          des Menschen zu sich selbst ergeben. Vor allem erscheint
          es mir auch fundamental wichtig, die angerissene Logik
          – aus welcher der Kapitalismus erst entspringen kann
          – als eine ursprünglich und prinzipiell männliche
          zu erkennen (in diese Richtung arbeitet auch Roswitha
          Scholz, wenn sie versucht, das Geschlechterverhältnis
          als Konstituens in die kapitalistische Ideologie
          einzubauen bzw. dieses darin erst erkennbar zu machen).
        Ein
          emanzipatorischer Hauptkampf sollte m.E. daher sich der Männlichkeit
          bzw. der männlichen Identität widmen. Ein positives
          Sich-beziehen auf männliche Identität kann in der Logik
          der hier getätigten Ausführungen letzlich nur reaktionär
          enden.