Der Artikel behandelt das (meist) nicht bewußt
vollzogene Hineinwachsen in Denk- und Handlungsstrukturen
in die 'Psychologie als Wissenschaft' (Titel der
Voraussetzungsprüfung für das Wiener Psychologie-Studium)
gemäß den geltenden Ansprüchen. Es wird versucht zu
zeigen, auf welche Weise extern kreierte Bedürfnisse von
den Subjekten als eigene übernommen werden und auf
welche - teilweise subtilen - Arten versucht wird,
Widerstand zu brechen oder zu untergraben und welche
Handlungsmöglichkeiten sich daraus ergeben.
Der nun
folgende Absatz erhebt nicht die Absicht, irgendwelche
neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorzulegen und es ist
davon auszugehen, daß die Mehrzahl der LeserInnen mit
den darin leicht angerissenen Inhalten weit gründlicher
vertraut ist, als sie hier zur Darstellung kommen, jedoch
halte ich es für wichtig, von vorne herein
Ausgangspositionen klarzustellen um nicht auf selbverständliche
Art etwas vorauszusetzen und dadurch Mißverständnisse
zu provozieren. Weiters ist es mir wichtig, die
Fundamentalität des Sozialisationsprozesses
hervorzuheben, sich immer wieder vor Augen zu halten, daß
wir - trotzdem wir uns vom Gefühl her als eigenständig
und unabhängig erleben - bis in unsere letzten Wurzeln
Produkte unserer Gesellschaft sind - im
inrteraktionistischen, und nicht im deterministischen
Sinn.
Sozialisation bedeutet also das
Hineinwachsen von Individuen in die sie umgebende
Gesellschaft, d.h. also, daß wir in die Regeln und Übereinkünfte
des/der zugehörigen Systems/Systeme eingeweiht,
gewissermaßen als weißes Blatt langsam beschrieben
werden. Über die Identifikation mit den Eltern bis zur
Ausbildung der eigenen Identität lernen wir alles
Wichtige, das es laut geltenden Maßstäben zu wissen
gilt, aber mehr als das ist die Bildung unserer
Identität in der Form wie wir sie kennen ausschließlich erst durch die seit Kindesbeinen vonstatten gehende
Teilhabe an der Gesellschaft möglich. Die
gesellschaftliche Wirklichkeit und somit auch all ihre
bestehenden Normen und Regeln werden vom ersten Moment
des Eintretens in diese graduell übernommen und
internalisiert. Unser Geist, unsere Art zu denken, unsere
Interessen, etc. sind alle Produkte der menschlichen
Gemeinschaft. Es handelt sich - im Sinne des symbolischen
Interaktionismus nach Mead (1973) - um einen aktiven
Vorgang des Aushandelns, um aktives Auskundschaften,
Kennenlernen, Reagieren, Annehmen, Rebellieren und nicht
um simples Lernen bzw. Aufnehmen und dementsprechendes
Handeln, wie es oft in der Psychologie und der
Sozialpsychologie postuliert wird – wie am bekannten
Beispiel des Behaviourismus nachvollziehbar.
In den hier auszubreitenden Überlegungen
soll die Aufmerksamkeit auf die Institution Hochschule
und die Interaktion mit ihr seitens StudentInnen (als
dort Hineinwachsende) und Lehrenden (als dieses Wachstum
Steuernde und Überwachende) fokussiert werden. Im
Lateinischen steht 'institutio' für 'Einrichtung',
'Unterweisung', was beides schlichtweg genau das ausdrückt,
was es für uns auszubreiten gilt.
Mead sieht den ersten Schritt, der zu einer
Institutionalisierung führt, in der Vereinheitlichung
von Handlungsmustern gegenüber bestimmten Situationen.
Reaktionsmuster und -abfolgen werden im jeweiligen Sinne
der sich entwickelnden bzw. entwickelten Institution
geeicht. Die ganze Gemeinschaft oder der betroffene -
sich als solcher empfindende - Teil davon reagieren in
einer geeigneten Situation, das ist eine solche, die das
Handeln der Einrichtung entsprechend ihrer Funktion, d.h.
Zielsetzung und ihrem Sinngefüge, erfordert, gegenüber
dem einzelnen, der ihr Eingreifen nötig macht oder sich
z.B. zwecks Dienstleistung an sie wendet, auf
vereinheitlichte Weise. Daraus ist erkennbar, daß der
Begriff der Institution weiter gefaßt werden muß, als m/f
es umgangssprachlich gewohnt ist: Nämlich als Übereinkunft
(dieser Begriff ist aber nicht ganz passend, da er das
Einverständnis aller miteinschließt, welches aber
sicherlich nicht einfach vorausgesetzt werden kann), in
einer bestimmten Weise auf bestimmte Gegebenheiten zu
reagieren. "Institutionalisierung findet statt,
sobald habitualisierte Handlungen durch Typen von
Handelnden reziprok typisiert werden." (Berger und
Luckmann, S.58) Damit ist gemeint, daß - in
vorinstitutionalisierten Zuständen - Menschen in ihren
sich wiederholenden Handlungen einer Gewöhnung
unterliegen, welche die Handlungen im Großen und Ganzen
immer gleich ausschauen läßt und dem handelnden Subjekt
aus der Sicht eines Betrachters eine Eigenart im Umgang
mit der entsprechenden Situation aufdrückt. Der nächste
Schritt ist, daß von diesem eingewöhnten
Handlungsablauf, der ursprünglich der Zeitersparnis
dient, nicht mehr abgewichen wird und zusätzlich nicht
mehr abgewichen werden darf. Letzteres ist schon eine
Vorstufe zur Institutionalisierung - es fehlt jedoch der
Zusatz, daß es sich bei den die institutionalisierte
Handlung Tätigenden um typisierte Subjekte handelt, d.h.
solche, die in der erforderlichen Situation, abseits
ihrer individuellen Unterschiede, in derselben Art und
Weise handeln und das allen an sie Herantretenden gegenüber.
Es entsteht also eine bestimmte Rolle, die zur
Ausführung institutioneller Handlungen maßgeschneidert
ist.
Das Problem der Entpersonifizierung, das
sich durch die die Institutionen tragenden Rollen ergibt,
stellt ein individualitätsfeindliches dar, da die
Institution auf die einzelnen Menschen nicht spezifisch
sondern vereinheitlichend zugeht. "Ein Teil des
Selbst hat sich (...) objektiviert als Vollstrecker eben dieser Handlung, während das ganze
Selbst sich nun mehr oder weniger von der vollzogenen
Handlung zurückziehen kann. So wird es möglich, sich
sein Selbst als nur teilhaft mit der Handlung
identifiziert vorzustellen (...)". (ebenda, S. 77)
Durch Verdinglichung (1) scheinen die Institutionen mit der Natur
zu verschmelzen; und die Welt der Institutionen wird
Notwendigkeit und Schicksal, Glück oder Unglück."
Dasselbe gilt eben für Rollen: "Die Modellformel für
diese Art der Verdinglichung lautet: 'Ich habe in diesem
Falle keine Wahl. Ich muß in meiner Stellung so handeln.'"
(ebenda, S.97) Das Problem eines Individuums kann
innerhalb einer Institution also voraussichtlich erst
dann gelöst werden, wenn es die Regeln beherrscht und
sich nach ihnen verhält und die Möglichkeiten der
Institution nicht überschritten werden.
Mit Foucault können wir an diesem Punkt
den Begriff der Macht und darauffolgend jenen der Machtökonomie einführen. Dadurch wird eine
Betroffenheitsdimension der Subjekte sichtbar, die in der
distanzierteren Sprache Berger & Luckmanns verborgen
bleibt. Jede Rolle ist somit mit Macht ausgestattet,
wobei hier nicht nur von offiziellen Rollen die Rede ist,
sondern von der Gesamtheit der in der betreffenden
Institution auch informell angebotenen. JedeR die/der
also auch nur ein Bruchstück einer Rolle für sich
beanspruchen kann, kann die darin enthaltene Macht ausüben.
Durch das alle Ebenen bzw. Hierarchien diffundierende Tätigen von Macht verschwimmen die Grenzen zwischen TäterInnen
und Opfern bzw. Herrschenden und Beherrschten.
Wenn m/f sich der Eingebundenheit in diese
Machtökonomie nicht bewußt ist, erscheint die gegebene
Situation einer/m als zwingende, die Handlungsmöglichkeiten
bestimmende und kanalisierende Realität, an der m/f
quasi unverschuldet ist - als nur “teilhaft mit der
Handlung identifiziert”, s.o. In diese Kerbe gilt
es, einen Keil zu treiben und die immer vorhandene eigene
Verantwortung - die bewußte Entscheidung für
entsprechende Handlungen - aufzweisen und einzufordern.
Bevor ich genauer auf die gesonderte
Kategorie der universitären Hochschule eingehe, scheint
es mir zwingend, noch einige Überlegungen zur Schule im
Allgemeinen anzuführen, da bestimmte Zustände und
Verhaltensmuster aller involvierten Parteien nur unter
diesen Prämissen nachvollziehbar werden.
Die Art, Institutionen zu begegnen und ihre
Inhalte zu übernehmen, wird also von kleinauf gelernt
und gelehrt. M/f erkennt zwar irgendwann, daß diese Welt
nicht die beste ist, aber trotzdem kommt m/f nicht bzw.
selten auf die Idee, daß der spezifische Gang der Dinge
nur ein möglicher ist, der uns nur deshalb so legitim
erscheint, da er für uns seit unserer Geburt
Wirklichkeit ist. Unsere 'Zahmheit' gegenüber dem
'Aggressor' Hochschule/Universität u.a. ist zum größten
Teil nur eine Folge der vorhergegangenen
Schulsozialisation. Beinahe jedes Kind freut sich am
Anfang auf die Schule - schon nach ein paar Wochen ist
davon oft nichts mehr zu spüren. Faulheit und
Desinteresse, Eigenschaften, die StudentInnen ja auch
gerne zugeschrieben werden, sind doch nicht solche, die
das Kind ursprünglich ‘besitzt’. Sie sind
Reaktionen auf Umstände. Natürliche Impulse wie
Neugier, Wissensdurst, der Drang alles verstehen zu
wollen, spielerisch zu lernen etc. werden in der Schule
systematisch unterdrückt. Auf die ständigen 'Warum-Fragen'
der Kinder wird aber auch seitens der Eltern und nahen
Erwachsenen irgendwann nur mehr mit "das ist halt so"
oder mit Achselzucken geantwortet. Das hinterläßt den
Eindruck, als gäbe es darauf gar keine Antworten - wenn
schon nicht einmal die Erwachsenen eine wissen - und
bildet die Voraussetzung, die soziale Realität als
naturgegeben wahrzunehmen. "Die Fragen der Kinder
nach der symbolischen Sinnwelt sind schwieriger zu
beantworten als ihre Fragen nach den institutionalen
Wirklichkeiten des Alltagslebens. Auch die Fragen
beunruhigter Erwachsener verlangen noch mehr und
differenzierte Denkarbeit." (Berger & Luckmann,
S.114) Die 'Warum-Fragen' wirken auf die Erwachsenen
verunsichernd, da sie nach einer Erklärung für Vorgänge
verlangen, die m/f nicht gewohnt ist zu hinterfragen, was
auf den Wirklichkeitscharakter der menschlichen
Gesellschaft zurückzuführen ist. Wenn wiederholt keine
Antworten kommen, wird das Kind im Laufe der Zeit seine
Fragerei einstellen. Als positive Aussicht ist noch
anzumerken, daß dieser Impuls auch wieder zum Leben
erweckt werden kann. Zum Zeitpunkt, wo das Kind in die
Schule kommt, hat es schon für viele Bereiche gelernt,
diese einfach hinzunehmen, auch wenn es den Grund dafür
nicht weiß. Als solcher, d.h. hinzunehmender, Bereich
kommt nun die Schule hinzu und in dieser selbst wird das
Hinterfragen wohl auch nicht gerade gelehrt.
Gleichzeitig mit der Gewöhnung seitens des
Kindes, diese Fragen nicht mehr zu stellen, kommt es zu
dem Effekt, daß damit die Fähigkeit zum 'selbständigen
Denken' untergraben, dramatisch ausgedrückt: verstümmelt
wird.
Die üblicherweise im Alter von sechs
Jahren beginnende erzwungene Eingewöhnung in die Schule
gewährleistet somit nicht nur eine Gewöhnung an dort
stattfindende konkrete Zustände und Regeln, sondern auch
eine ebensolche an Gebräuchlichkeiten, die den Kontext
der Schule weit übersteigen und für unser
gesellschaftliches Zusammenleben bestimmend sind.
Um sich klarzumachen, welche Ziele mit der
allgemeinen Schulpflicht und mit der aktuellen Form der
Praktizierung von Schule verfolgt werden, ist es
notwendig, sich die gesellschaftliche Einbettung dieser
Institution genauer anzusehen: Auf welchem Hintergrund
wurde sie gegründet, wer bestimmt Verhaltens-, Aufstiegs-,
Abstiegs-, Aufnahme- und Aussperrungsgründe, etc. –
kurzum: Wie gestaltet sich die Machtverteilung.
Eine verbreitete, aber nur teilweise
zutreffende Erklärung für die Gründung von Schulen und
die damit einhergehende allgemeine Schulpflicht findet
sich in den Impulsen der Aufklärung: Sie "gilt als
die 'bedeutenste europäische Emanzipationsbewegung' [Mieck,
1989], deren Grundgedanken bis heute gelten und
gesellschaftsgestaltend wirken. Immanuel Kants Worte
werden paradigmatisch als Definition für die neue
Sichtweise des Menschen zitiert, wonach Unmündigkeit
selbstverschuldet ist, 'wenn die Ursache derselben nicht
am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und
des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen
zu bedienen'. 'Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen
Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung'
[Kant, 1964], der klar mit den Prämissen einer
gottgewollten Ordnung bricht. Das selbständige,
vernunftgeleitete, seinem Gemeinwesen dienende Individuum
wird zum Ideal erhoben, durch Erziehung sollen die
Menschen zu eigenem und damit allgemeinem Glück geführt
werden. [ Hervorhebung v.Verf.]" (Lauggas (2), S.8)
Ein genauerer Blick auf Österreich: "Maria
Theresia [die ja die allgemeine Schulpflicht einführte,
s.u.] war (...) eine gebildete Frau. (...) Ihr Hauptziel
war in allen Bildungsebenen von Universitäten bis zu
Elementarschulen eine Ausweitung der Staatsmacht [Hervorhebung
v.Verf.] und staatlich kontrollierte Ausbildung der
Untertanen, wie dies besonders deutlich in den Universitätsreformen
seinen Niederschlag fand. 'Rationalität, Uniformität,
Utilität und Funktionalität … galten auch auf dem
Gebiet der Bildungspolitik als oberste Maximen.' [Grimm,
1987] Bis zu Maria Theresias Regierungszeit lag das
Schulwesen völlig in der Hand der Stände, vor allem der
Geistlichkeit. Ihre Bildungspolitik wird beschrieben als
Übergang vom 'Ecclesiasticum' zum 'Politicum': Das als
Angelegenheit der Kirche betrachtete Schulwesen wurde
sukzessive auch für das Staatswesen interessant. …
1774 wurde die allgemeine Unterrichtspflicht eingeführt,
der Kaiserin aber lag es fern, damit jener aufklärerischen
Intention Vorschub zu leisten, wonach das Individuum aus
seiner Unmündigkeit herausgeführt werden sollte. (...)
'Die Chancen auf eine unter originär pädagogischen
Vorzeichen stehenden grundlegenden Neugestaltung des
gesamten Bildungswesens waren durch das Faktum, daß
Schule und Unterricht in Österreich in der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts in das »Vorfeld der Verwaltung« rückten,
auf ein Minimum gesunken, denn die von der »Staatsräson«
gerägten bildungspolitischen Zielsetzungen der
theresianischen (und in großen Teilen auch
josephimischen; Anm. M.L.) Bürokratie, die ... zum »Träger
der neuen Staatsanschauung« wurde, unterschied sich
stark von den als »liberal« zu qualifizierenden
Vorstellungen über Erziehung und Unterricht, wie sie die
zeitgenössische Aufklärungspädagogik entwickelt hatte.'[Grimm,
1987]" (Lauggas, S.13) Da Regierungen damals wie
heute von Interessen geleitet wurden und werden,
verwundert es wenig, wenn jene, die weitreichende
Entscheidungen treffen, diese so fällen, daß sie für
die sie involvierende Machtökonomie zum Vorteil gereicht.
Wie das Päckchen dann präsentiert wird, hier eben mit
Aufklärungsgedanken umhüllt, ist im Grunde eine andere
Frage.
Um die Machtverhältnisse vom Prinzip her
beibehalten zu können, war es also notwendig, die Aufklärungsgedanken
in einer kontrollierbaren Form umzusetzen. “Der Ort,
an dem flächendeckende Erziehung gewährleistet werden
sollte, wird die Schule. Eines der zentralen Fächer
stellt von Anfang an die sogenannte 'Leibeserzeihung'
dar, die Körper- und Selbstbeherrschung, die nichts mehr
dem Zufall überläßt und die eigene Diszipliniertheit
und Gehorsamkeit zum verinnerlichten Bedürfnis [Hervorhebung
v.Verf.] macht. Die Wahrnehmung von Kindern bewirkt die
Entwicklung der Pädagogik und ist unmittelbar gekoppelt
an den Ursprung moderner Verschulung, die wiederum eine
sukzessive Verlängerung der Kindheit einleitet.
Glantschnig [1987] faßt treffend zusammen: 'Der Mensch
wird unter dem Aspekt der Effektivierung seiner
Arbeitskraft gesehen, der Disziplinierung seines Körpers
und der Normalisierung seines Verhaltens. Die Pädagogik
hat wesentlichen Anteil an der Entwicklung dieser
wissenschaftlichen Maschinerie, die den Körper des
Einzelnen durchdringt, zergliedert und in Hinblick auf
einen allgemeinen Zweck wieder zusammensetzt.'" (ebenda,
S.121)
"'Die wirklichen und körperlichen
Disziplinen bildeten [beim Übergang von der alten,
monarchistischen zur neuen, auf Institutionen verteilten
Machtökonomie] die Basis und das Untergeschoß zu den
formellen und rechtlichen Freiheiten.' [Foucault, S.285]
So sind nach Foucault die Disziplinen ["als
gemeinsamer Nenner verschiedener Institutionen, in denen
sich die Machtökonomie jeweils konkret verkörpert";
Holzkamp, S.350] nur scheinbar 'nichts anderes als ein
Subsystem des Rechts ... Tatsächlich aber sind' sie 'als
eine Art Gegenrecht wirksam. Sie haben nämlich gerade
die Aufgabe, unübersteigbare Asymmetrien einzuführen
und Gegenseitigkeiten auszuschließen.'[Foucault, S.285]"
(Holzkamp, S.350)
Die Schulpflicht der Kinder erfüllt in
unserem kapitalistischen Gesellschaftssystem zwei
Grundfunktionen: Erstens dient sie der Heranbildung
produktiver WirtschaftsteilnehmerInnen und
gesellschaftstreuer Mitmenschen und zum zweiten gewährleistet
sie die Bereitstellung der Arbeitskraft der Eltern bzw.
der Mutter für die Zeit, die das Kind/die Kinder in der
Schule verbringt. Daß die Schule nicht primär dem Wohle
der Kinder dient und nach ihren Bedürfnissen
ausgerichtet ist, zeigt sich schon an der Struktur dieser
Einrichtung. Ottomeyer geht soweit, daß er Schulen als
'totale Institutionen' bezeichnet, in der es “eine bürokratische
Verwaltung" gibt, “hierarchische soziale Ränge
und ein (...) Regelsystem für das zwischenmenschliche
Verhalten." Die Kinder “sind mehr oder weniger
unfreiwillig hier und unterstehen der Weisungsbefugnis
und Sanktionsgewalt des 'Stabs'. (...) Den Insassen
werden viele Möglichkeiten zum Ausdruck ihrer persönlichen
Identität weggenommen" und sie unterliegen “noch
in den intimsten Verrichtungen (m/f denke an das
schulische 'Austreten') der Kontrolle durch den Stab".
(ebenda, S.212) “Der Eintritt in die Schule ist für
das Kind ein folgenschweres und ziemlich bitteres
Ereignis. Deshalb versucht m/f es ihm auch durch das
bekannte Zuckertüten-Ritual [in der BRD] zu versüßen.
Die in der Schule herrschenden Anforderungen an das
kindliche Verhalten bedeuten einen scharfen Bruch mit dem
vertrauten sozialen Milieu der bisher fast ausschließlich
bestimmenden Familien- und Freundschaftsbeziehungen, in
denen sich die ersten Ansätze eines kindlichen Selbstgefühls
und Selbstbewußtseins herausgebildet hatten." (ebenda,
S.220)
“Derselbe Bruch betrifft auch die Art
und Weise der kindlichen Gegenstandsaneignung und des
Erkundungsverhaltens. Während dies bisher eng mit
spontanen körperlichen Bewegungsabläufen … und
mehr oder weniger spielerischen Handhabung der
Lerngegenstände verbunden war, findet Lernen nun abgelöst
vom direkten Kontakt mit den Gegenständen statt, daß
der Körper samt seinem Betätigungsdrang erst einmal auf
einem Stuhl stillgestellt werden muß. Der Schüler muß
seine persönliche Lebens- und Herkunftsgeschichte
weitgehend vor der Schulpforte lassen, und er lernt, in
zwei verschiedenen zwischenmenschlichen Welten zu leben.
Die Anforderungen der Schule sind unpersönlich,
leistungsbezogen und unerbittlich - wer nicht mitkommt,
dem droht die soziale Ausstoßung in die Sonderschule und
der Status des Asozialen; hierin ist die Schule durchaus
schon eine Vorbereitung auf die Härte des
kapitalistischen Erwerbslebens." (Ottomeyer, S.220)
Das Interesse am Schulstoff wird durch die
Zerstückeltheit und zeitliche wie lebenspraktische
Entfernung der Lehrinhalte zusätzlich behindert. “Das
Fehlen eines wirklichen Sachbezugs für die gemeinsame
Lerntätigkeit hat zur Folge, daß die schulischen
Lerngegenstände nur noch in symbolisch-abziehbildartiger
Form gegenübertreten. (...) Aber auch diese symbolisch
vorgestellten gemeinsamen Lehrgegenstände werden durch
das von staatlichen Lehrplänen kontrollierte Prinzip des
Fachunterrichtes noch einmal aufgesplittert und damit
entwirklicht [s. Beck, 1974]. So taucht etwa ein
eigentlich so interessantes Thema wie das Leben der
Menschen in der englischen Gesellschaft einmal (...) im
englischen Sprachunterricht auf, dann noch einmal im
Geschichtsunterricht, im Georaphie-Unterricht, wo die
Beziehungen der Menschen zur Natur und ihre
Siedlungsformen ganz abgelöst von der Geschichte und vom
Sozialleben behandelt werden, und vielleicht noch einmal
im Sozialkundeunterricht. Wenn die Schüler in diesen Fächern
auch noch von verschiedenen Lehrern unterrichtet werden,
was anzunehmen ist, so wird es ihnen wahrscheinlich endgültig
unmöglich gemacht, einen sinnvollen Zusammenhang
zwischen den verschiedenen Teilaspekten herzustellen."
(Ottomeyer, op.cit., S.224) Hier ist hinzuzufügen, daß
die verschiedenen historischen Epochen in den diversen Fächern
oft gar nicht simultan behandelt werden.
Am Ende dieser Überlegungen läßt sich
mit Franz (1978) die Frage stellen, ob die immer stärker
um sich greifende Produktorientiertheit und
funktionalistische Ausrichtung nicht "den Schüler
mehr zum Objekt der Institution als zum Subjekt in der
Institution Schule machen." (in Horn, o.J., S.373)
Der Hochschule ist in ihrer Eigenschaft als
Institution zu eigen, daß sie einerseits der Vermittlung
von bestimmtem Wissen über verschiedene Gebiete dient
und aber zur selben Zeit, genauer gesagt: zeitgleich mit
den Lehrinhalten auch Anweisungen darüber liefert, wie
dieses Wissen zu gebrauchen ist. D.h. gelehrt und gelernt
wird, wie die Instrumente der Wissenschaft zu gültigen -
von der Wissenschaft anerkannten - Ergebnissen führen.
Es wird von Anfang an versucht, unsachgemäßes Handhaben
von Methoden und Erkenntnissen zu verhindern, um
letztendlich das Gebäude des jeweiligen Sinnsystems
nicht zu unterminieren bzw. es in Legitimationszwänge zu
bringen. "'Einsozialisierung' in wissenschaftliches
Handeln wäre (...) unvollständig (...) wenn es sich nur
auf die erkenntnislogischen Kategorien (...) bezöge und
nicht gerade auch auf die Kompetenz zum
wissenschaftlichen Alltagshandeln." (Klüver,
1988, S. 157, in Hurrelmann & Ulich [Hrsg.], Jahr?, S.
422) Der/die StudentIn soll ja nicht nur wissen,
wie sich ein/e WissenschaftlerIn verhält, sondern ihm/ihr
soll es natürlich erscheinen, sich gerade so zu
verhalten und nicht anders - ohne das zu hinterfragen.
Grundlegend in der Wahrnehmung der
Institution Hochschule ist die in ihr vorhandene
Hierarchie der verschiedenen Rollenträger und die damit
verbundene Machtökonomie. Hierarchien ziehen sich durch
den gesamten Komplex des Hochschulsystems und werden von
den verschiedenen RollenträgerInnen perpetuiert. In der
Folge will ich am konkreten Beispiel von Wien versuchen,
zunächst auf institutioneller Ebene die Ränge zwischen
den einzelnen Gebäudekomplexen festzuschreiben und im nächsten
Abschnitt dann die verschiedenen relevanten Rollen in
ihren die Subjekte prägenden Eigenschaften
herauszukristallisieren:
Auf der höchsten Ebene bietet sich zuerst
zwischen den einzelnen Universitäten (d.i. z.B.
Hauptuniversität: HU, Wirtschaftsuniversität: WU,
Technische Universität: TU etc.) eine wertbehaftete
Rangordnung gemäß ihrem 'Gebrauchswert', der sich im
Umgang der Politik und der Wirtschaft, also der 'mächtigen
Kräfte' in unserem Gesellschaftssystem, mit diesen
exemplarisch zeigt. Dazu genügt es, sich die zugeteilten
Bugets anzusehen, bzw. die Ausstattung mit Mitteln (m/f
denke als drastisches Beispiel an die Institutsbibliothek
Psychologie hier in Wien, die dem Anschein nach überhaupt
kein Geld bekommt, s.u.). Diese Zustände hinterlassen
natürlich dementsprechende Eindrücke und zeigen einem/r
wie es um ihn/sie steht. Es findet regelrecht eine 'Prägung'
statt, durch welche m/f erlebt, welchen
Stellenwert m/f z.B. als StudentIn aber auch als
LehrendeR in der gesellschaftspolitischen Ordnung hat. In
der Folge kommt es dazu, daß beispielsweise ein/e
forschende/r WissenschaftlerIn der WU im politischen und
öffentlichkeitswirksamen Bereich mehr Einfluß hat als
eine/r der HU.
Die nächsttieferliegende Ebene ist jene
der Fakultäten der einzelnen Universitäten (z.B. auf
der HU: Medizinische Fakultät: Med, Naturwissenschaften:
NaWi, Grund- und Integrativwissenschaften: GruWi,
Geisteswissenschaften: Gewi, etc.), auf welcher ebenfalls
hierarchische Ordnungen festgestellt werden können:
Exemplarisch sind hier die MedizinerInnen zu nennen, die
eine herausragende Position - ganz entsprechend der
Wichtigkeit, die ihnen in der Gesellschaft eingestanden
bzw. zugeteilt wird - einnehmen. Die Studienrichtungen
der GruWi (u.a.: Philosophie, Politikwissenschaft,
Psychologie, Soziologie, 'Völkerkunde') aber sind,
provokant ausgedrückt, fast unerwünscht, da sie z.B.
als Zufluchtsort für FaulenzerInnen oder für die
Gesellschaft unproduktive Elemente angesehen werden -
zumindest von der breiten Öffentlichkeit; die Wertschätzung
seitens der Politik drückt sich, wie oben schon erwähnt,
in der Bereitstellung von Kapital aus - und ihnen eine
Qualität der gesellschaftsrelevanten Wissensproduktion
abgesprochen wird (das gilt zumindest solange, bis m/f
nicht ihren/seinen Titel errungen hat; ab dann wird einer/m
schon fast mit Kniefall begegnet). In einer Ausgabe des
Spiegel (3, 1999) wird beispielsweise von einem
Soziologieprofessor berichtet, der ein Drittel der
StudentInnen für unfähig hält. Das schließt er, dem
Bericht zufolge, aus deren Äußerungen während eines
Umtrunks zu Semsterbeginn, wo die jungen Leute erzählten,
warum sie an die Uni gekommen wären: Einer, weil er
keine Lehrstelle gefunden habe, eine andere, weil sie
morgens ausschlafen möchte. Der so Empörte fordert
daher konsequent ein 'Eingangsgespräch', wie es von den
Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft, im Einklang
mit deren Maxime Leistung, Leistung, Leistung, schon vor
zwei Jahren gefordert wurde.
Als nächstes bietet sich die Rangordnung
zwischen den verschiedenen Instituten innerhalb der
jeweiligen Fakultät dar. Nehmen wir als Beispiel die
Philosophie, die, obwohl (oder gerade weil?) niemand, außer
den Eingeweihten natürlich, eine Ahnung über ihre
Inhalte hat und diese auch nicht versteht, trotzdem ihren
Stellenwert in der Gesellschaft hat, wo hingegen die
Psychologie als Fach kein 'Selbstvertrauen' besitzt. Ich
möchte es bei der Subsummierung der komplexen Situation
der Psychologie im gesellschaftlich-wissenschaftlichen
Kontext unter diesem Begriff belassen, da dies sonst den
hier gesetzten Rahmen sprengen würde.
Die letzte Ebene ist die des Institutes
selber, wo an oberster Stelle ProfessorInnen rangieren
und an unterster StudentInnen. Im Stab der Lehrenden sind
die 'externen', d.h. nicht vom Institut angestellten,
LektorInnen das 'Schlußlicht', die, mitunter auch aus
Profilierungsgründen, meist aber aus Spaß an der Sache
oder Idealismus, unter Umständen sogar unentgeltlich
ihre Lehrveranstaltungen abhalten und trotzdem teilweise
von den Institutsoberen dabei behindert werden. Das hat
hauptsächlich darin seinen Ursprung, daß diese
''Externen', wie das Wort schon suggeriert, nicht
institutsangehörig sind und daher oft alternative
Inhalte zum gängigen Lehrangebot bieten, die nicht
selten kritisch sind und somit 'wissenschaftliche
Wahrheiten' i.b.a. ihre Berechtigung hinterfragen. Die
Angehörigen des Mittelbaus, also AssisstentInnen und
einige ‘außerordentliche’ ProfessorInnen, sind
hingegen schon in das System integriert und mitten im
Aufbau ihrer wissenschaftlichen Karriere, daher kann m/f
von ihnen nur schwerlich erwarten, daß sie die
Grundmauern des Gebäudes, das sie bewohnen wollen,
aufweichen. Die Härte der Hierarchie veranschaulichend
wirkt auch der unerbittliche Machtkampf des Mittel- und
Oberbaus um erfolgreiche Forschungsergebnisse und somit
die bessere Position in der Institution und darüber
hinaus in der Wissenschaftswelt.
Ich will nun überleiten zum änfänglichen
Empfinden von Psychologie-StudentInnen in ihrem Studium,
meine Erfahrungen miteinschließend, aber mich nicht
ausschließlich auf diese berufend, welche Verhältnisse
sich ihnen bieten und wie sie sich, ohne es zu merken -
ja auch, weil m/f es schon sein Leben lang gewohnt ist,
wie an den allgemeinen Ausführungen zur Schule klar
geworden sein dürfte - in das System eingliedern, dabei
zwar streckenweise Unbehagen verspüren, dieses aber
nicht kausal auf das System zurückführen.
Wie anhand der Ausführungen im vorigen
Abschnitt bezüglich der Universitäts-Hierarchien
nachvollziehbar, läßt sich ja schon vor dem Überschreiten
der Schwelle zur Uni ein Einfluß der sekundären
Sozialisation des Studiums - eben mit dessen Einbettung
in die Gesellschaft und die Hochschulstruktur -
feststellen. D.h. also, daß m/f durch den Stellenwert,
den die jeweilige Universität in der Gesellschaft hat,
schon beeinflußt wird, bevor m/f überhaupt einen Fuß
in sie gesetzt hat. Der Sprung/Übergang vom Status des/r
Schülers/in zu jenem des/r Studenten/in ist insofern von
einem qualitativen Blickpunkt her interessant, da sich im
überhöhten Bild, das m/f als SchülerIn von den
StudentInnen hat, wiederum eine gesellschaftliche
Hierarchie ausdrückt. Ist m/f in diesen 'höheren'
Status eingetreten, fühlt m/f sich dann auch - zumindest
eine zeitlang - als etwas Besonderes, einer bestimmten
Elite angehörig. Letzteres fühlt m/f vielleicht nicht
direkt, de facto ist es aber das Ergebnis, da ja trotz
des in Österreich noch geltenden freien
Hochschulzuganges hauptsächlich nur bestimmte,
privilegierte Gesellschaftsschichten, also mittlere und
obere, an die Universität gehen. Einen sich dem Bewußtsein
stärker aufdrängenden Charakter hat hingegen die
Universität bzw. das jeweilige Institut selber, als
konkretes Gebäude bzw. Gebäudekomplex, die bzw. das oft
als 'Labirynth' oder 'chaotisch' beschrieben wird (vgl.
Huber, in Hurrelmann & Ulich) und damit schon
verunsichernd auf das uneingeweihte Subjekt wirkt.
Was vermitteln diese Umstände: M/f erkennt - mehr als
Gefühl denn als Gedanke, daß m/f außerhalb steht. M/f
will jedoch hinein, m/f möchte ja studieren, daher wird
m/f versuchen, an Informationen zu gelangen, wie m/f sich
verhalten muß, d.i.: wo m/f weiterführende
Informationen z.B. bezüglich Verwaltungsaspekten
bekommt, welche Vorlesungen als erste besucht werden sollen,
welche ProfessorInnen die wichtigen sind u.ä. Alte
Reaktionsmuster auf Situationsanforderungen werden verunsichert.
Diese Phase der Orientierung kann sich je
nach Klarheitsgrad der Struktur unterschiedlich lang
dahinziehen. Die mittels 'symbolischer Gewalt' (Bourdieu
& Passeron) "in Bedeutungszusammenhänge
eingewiesenen Subjekte (...)" bleiben "(...)
geflissentlich im Unklaren (...) über die Willkür, die
Zufälligkeit dieser Bedeutungszusammenhänge. Was
Geschichte ist, erscheint als Natur. Und der Naturgröße
Wissenschaft gegenüber, so scheint es dann, bleibt nur
unterwerfendes Lernen." (Rumpf, o.J., in Horn, o.J.,
S.43) Die Institution hält verschiedene Rollen bereit,
die m/f besetzen kann. Als Neuankömmling schlüpft m/f
erst mal in jene des/r Studenten/in und beginnt sich eine
- zwar nicht ausschließliche - Institutionsidentität
anzulernen. Wenn wir genauer hinschauen, ist die
allererste Rolle, die bereitgehalten wird jene des/r
Erstsemestrigen, der/die ihrerseits nocheinmal unterhalb
der des/r Studenten/in angesiedelt ist. Aus diesem Grund
ist das am Institut für Psychologie in Wien angebotene
alternative, d.h. in diesem Falle nicht sachbezogene
Erstsemestrigen-Tutorium eine - nebenbei gefährdete, da
von mehreren Seiten bekämpfte - erfreuliche Einrichtung,
die versucht, in dieser Orientierungsphase einen Ruhepol
zu bieten, an den m/f sich halten kann, um im
Anpassungsstreß zu pausieren. Diese
'strukturaufweichende' Komponente ist den BetreiberInnen
oft gar nicht so bewußt. Sie versuchen, keine Distanz
zwischen AnfängerInnen und Höhersemestrigen aufkommen
zu lassen, während der Großteil der restlichen
StudentInnen ihre Rolle schon übergestreift hat und sich
somit mit den Erstsemestrigen nicht mehr identifizieren
kann bzw.will und bis zu einem gewissen Grad sich einfach
denkt "das ist nun mal so" und "ich mußte
da auch durch" bzw. "da muß m/f durch".
Die Tatsache, daß diese Alternativtutorien gemessen an
der StudentInnenanzahl relativ schwach besucht sind, läßt
bzw. ließe sich in logischer Folge auf die schon
mitgebrachte Einstellung des 'sich Unterwerfens' bzw.
'Durchhaltens' (Stichwort Leistung) zurückführen, die
den Besuch einer solchen Veranstaltung überflüssig
erscheinen läßt. Ein dazu passendes persönliches
Beispiel ist, daß die sympathische und humorvolle Präsentation
dieser Tutoriumsgruppe auf eine Kollegin peinlich, im
Sinne von zu 'schulisch' wirkte. Sie erklärt das
folgendermaßen: Da es zwischen der Rolle der Schülerin
und jener der Studentin ja nicht einen abrupten Wechsel,
sondern einen Übergang gibt, besteht in der
Anfangsphase, in welcher m/f mit den neuen Anforderungen
zur Rollenerfüllung erst umgehen lernen muß,
Unsicherheit. Obwohl sie offiziell schon eine Studentin
war, fühlte sie sich noch nicht als solche. Der
Identifikationsprozeß war noch nicht abgeschlossen. Das
Element des 'Schulischen' stellte also für den Identitätsbildungsprozeß
ein Gefahrenmoment dar.
Rumpf arbeitet heraus, wie es überhaupt
zur Bereitschaft zur Übernahme neuer Denkmuster, die
jenen der Institution Hochschule entsprechen, kommt: Die
Unsicherheit hinsichtlich des eigenen Verhaltens zu
Anfang generiert im Individuum Ängste "vor der
eigenen Bedeutungslosigkeit und Undomestiziertheit",
die es nur durch "blinde Identifikation mit
wissenschaftlich (...) verbürgten Autoritäten" (S.50)
unterbinden kann. Dadurch, daß die eigene Identität
durch die völlig neue und undurchsichtige Situation zu
Studienbeginn - teilweise erheblich - verunsichert ist
bzw. sein kann, entwickelt sie eine "Neigung zu
allem, was festen Halt gibt" wie z.B. "ein
Lehrbuch, ein solides Grundwissen, ein klares
Anforderungssystem (...) mit klaren didaktischen
Rollenverteilungen (...)." (S.61) Es findet,
drastisch ausgedrückt, eine Identifikation mit dem
Aggressor statt (vgl. Horn, 1972).
Das 'Angsterzeugungsmittel' par excellence
ist natürlich die Prüfung. M/f weiß ja schon aus der
Schule um diese unangenehme Wirkung, d.h. sie ist kein
Instrument, das heimlich wirkt, sondern ihre
Eigenschaften liegen offen auf der Hand. Was ich damit
sagen will ist, daß hier gar kein Hehl aus dieser
Absicht gemacht wird, wenn es auch nicht öffentlich
zugegeben wird. Offiziell dienen Prüfungen ja nur der
'Wissensüberprüfung'. Aber was ist damit
eigentlich gemeint: Es soll herausgefunden werden, ob der/die
StudentIn ja wohl auch alles einverleibt hat, was ihm/ihr
vorgesetzt wurde. Es geht nicht um das In-Erfahrung-bringen,
ob die Prüflinge den Stoff reflektiert haben, sondern
nur darum abzufragen, ob das, was in den Köpfen zu
sein hat, auch dort ist.
Das bestätigt auch unsere eigenen
Erfahrungen dahingehend, daß es z.B. bei Prüfungen bis
auf Ausnahmen darauf ankommt, ob m/f die richtigen Worte
bzw. Fachbegriffe hinschreibt, unabhängig davon, ob m/f
den entsprechenden Sachverhalt korrekt umschrieben hat, was ja Ausdruck von Vcht weiß. Als solcher, d.h.
hinzunehmender, Bereich kommt nun die Schule hinzu und in
dieser selbst wird das Hinterfragen wohl auch nicht
gerade gelehrt. Gleichzeitig mit der Gewöhnung seitens
des Kindes, diese Fragen nicht mehr zu stellen, kommt es
zu dem Effekt, daß damit die Fähigkeit zum 'selbständigen
Denken' untergraben, dramatisch ausgedrückt: verstümmelt
wird. Die üblicherweise im Alter von sechs Jahren
beginnende erzwungene Eingewöhnung in die Schule gewährleistet
somit nicht nur eine Gewöhnungmit einem Aufleuchten auf
die Stirn berührt und ihnen dadurch zeigt, ob sie
aufgenommen sind oder nicht und falls ja, an welchem
Platz sie stehen, also was sie wert sind. Die Prüfung
zeigt “das Heraufkommen einer neuen Spielart der
Macht an, in der jeder seine eigene Individualität als
Stand zugewiesen erhält, in der er auf die ihn
charakterisierenden Eigenschaften, Maße, Abstände und
‘Noten’ festgelegt wird, die aus ihm einen
‘Fall’ machen.” (Foucault, S.247; in
Holzkamp, S.357) Diese Normierungsfunktion funktioniert
auf der Hochschule allerdings etwas anders als in der
Grund- oder Hauptschule, da ja hier die Noten nicht öffentlich
vor einer Klasse offenbart werden, sondern jedeR ihr/sein
Ergebnis ‘privat’ erfährt.- sie wird also beim
Übergang Schule zu Hochschule den Subjekten selbst übertragen.
Mit der nun subjektiv schon seit über zehn Jahren
erfahrenen Normierungspraxis und der eigenen
Eingespanntheit in die Bedürfnisstrukturen der
schulischen Machtökonomie, die ja eine Lebenswelt
darstellt, dürfte die internalisierte Normierung des eigenen Selbst im Sinne der Institution keine
Probleme verursachen. Das Individuum ist mit seiner
Frustration alleingelassen und wird also selbst dazu
angehalten, etwas in die geforderte Richtung zu
unternehmen - mit dieser neuen Dimension der
Eigenverantwortlichkeit verschwimmt das Bild der
Institution Universität als Aggressor.
Wenn m/f sich dafür entscheidet, ‘gute’
Noten haben zu wollen, steht m/f vor einem weiteren
Problem, das mit der Gleichung ‘brav lernen = gute
Note’ nicht so einfach zu lösen ist: Der Vorwurf
der Willkür bei der Notengebung ist ja nichts neues, m/f
denke an das Gleichnis des ‘Noten-Würfelns’,
vielmehr gilt es, die Dimension der daraus folgenden Unnachvollziehbarkeit für die Subjekte zu unterstreichen, die als
kontinuierliche Frustrationsquelle fungiert. Gesetzt also
der Fall, m/f will ‘gute’ Noten, so hat m/f
keinesfalls die Garantie, lediglich mit einem mittelmäßigen
Engagement eine entsprechende Benotung zu bekommen
- vielleicht hat m/f ja unglücklicherweise nicht alle
richtigen Schlüsselwörter hingeschrieben -, sondern muß
sich vielmehr entscheiden, alles zu geben und somit den
Stoff lückenlos zu beherrschen, oder aber von der
Sammlung glorreicher Noten Abschied zu nehmen und sich
mit Glückstreffern zufrieden zu geben. Sich von den
Noten gänzlich unabhängig zu machen, ist jedoch gar
nicht so leicht. Das Gefühl beim Durchblättern von
lauter Vierern und Dreiern hat doch seine Wirkung, sprich
einN unzufrieden mit den eigenen ‘unzureichenden’
Leistungen sein zu lassen. Das ist zwar relativ leicht
wieder weggesteckt, nichtsdestotrotz gilt es, den ‘Charme’
der Eins hier festzuhalten.
Die Thematik der Prüfungen stellt jedoch
nur einen Teilaspekt dar. In eine umfassende
Bestandsaufnahme der Zustände und Maßnahmen, die bei
den StudentInnen einen gewissen, noch zu klärenden und
auf einen bestimmten Hintergedanken hinführenden,
Eindruck bzw. Einfluß darstellen, gehören noch folgende
Aspekte: Sehr oft hört m/f Klagen von KollegInnen -
vorwiegend aus dem ersten Abschnitt -, die von den
anfangs präsentierten Inhalten enttäuscht sind, da sie
sich überhaupt nicht mit den Erwartungen, die m/f an das
Fach Psychologie hat, decken (Psychophysik, Statistik,
etc.). Das wird als ziemlich frustrierend empfunden, was
sich mitunter in starken Motivationsproblemen niederschlägt.
Diese Frustration führt bei nicht Wenigen sogar zu einem
Studienabbruch: 60-80% im ersten Studienabschnitt. Somit
ist eine erste Selektion erreicht. Bei jenen, die
durchhalten (im wahrsten Sinne des Wortes nach dem Motto:
Augen zu und durch), kann es zu zwei Arten des Umgangs
mit diesen Inhalten kommen, nämlich erstens ein
ledigliches Pflichterfüllen, das darin besteht,
die Inhalte blind und taub in sich aufzunehmen, um sie
bei der Prüfung wiedergeben und anschließend vergessen
zu können mit dem bloßen Ziel, den Titel einer
Psychologin bzw. eines Psychologen zu erlangen oder
zweitens zu beginnen, sich mit den Inhalten zu
identifizieren, also an sie zu glauben, was ein
Hinterfragen somit ausschließt. Wobei hier hinzuzufügen
ist, daß m/f sich ja, bis nicht ein gewisses Quantum an
Emanzipation erreicht ist, sowieso nicht befähigt fühlt,
Gelehrtes in Frage zu stellen, da m/f es ja als eine von
der Wissenschaft, in dem Effekt also naturgegebene,
Wahrheit empfindet. Auch wenn m/f das Aufnehmen der
Inhalte wie im ersten Fall nur als Mittel zum Zweck
betreibt, werden ohne kritisches Hinterfragen bestimmte
in der Wissenschaft tradierte Grundvorstellungen über
den Menschen in der Gesellschaft - z.B. die
Individualisierungstendenz in der Psychologie - ihre
Wirkung zeigen. Auseinanderseztungen mit den Inhalten
sind somit alles andere als zwingend. Ich unterstelle
nicht nur hier wieder einmal einen Hintergedanken, der
zum Ziel hat, daß der Lernstoff nicht bzw. seltenst
hinterfragt wird und somit die kritische
Auseinanderseztung zwar nicht unmöglich macht aber doch
nur unter erschwerten Bedingungen aufkeimen läßt. Ab
diesem Punkt ist das Stadium erreicht, wo der/die
StudentIn den Inhalten gegenüber resigniert und diesen
den eigenen Willen nicht mehr gegenüberstellt. Auf
schleichende Art kommt es zur Übernahme der eine/n
umgebenden Denkmuster: M/f beginnt, den spezifischen
Habitus unbewußt bzw. automatisch zu lernen und zu übernehmen.
Somit kommt es zu dem schlußendlich verfolgten Ziel, daß
in einer bestimmten tradierten Art über Wissenschaft
gedacht und mit ihr umgegangen wird und weiters, daß das
gesellschaftliche Produkt 'Wissenschaft' somit nicht
Gefahr läuft, sich legitimieren zu müssen. Das System
hat somit, daß es sich TrägerInnen herangezüchtet hat,
auf grundlegende, existenzsichernde Art für seinen
Fortbestand gesorgt.
Wenn ich mit FreundInnen und KollegInnen
noch einmal genauer auf die anfänglichen Erfahrungen im
Psychologie-Studium, die wir als ziemlich prägend
erlebten, zurückblicke, lassen sich noch zahlreiche
Erinnerungen wachrufen, denen wir heute eine andere
Bedeutung beimessen.
Von Anfang an muß m/f um alles kämpfen:
Inskription, Sitzplatz, Handouts, Skripten, Seminarplätze,
Prüfungsplätze, etc. Kann es denn wirklich sein, daß
immer von Allem zu wenig vorhanden ist? In den ersten
Vorlesungen (z.B. Statistik, Allgemeine Psychologie, etc.)
gibt es nie genügend Sitzplätze - in manchen Hörsälen
nicht einmal Stehplätze, sodaß m/f den Raum oft nicht
einmal mehr betreten kann. Warum gibt es in der Vorlesung
zur Entwicklungspsychologie regelmäßig zu wenig
Handouts, sodaß m/f gezwungen ist, sich in das Gedränge
zu werfen und durchzuboxen, um selber eines an sich zu
reißen? Nicht selten werden Prüfungsanmeldungslisten zu
spät aufgelegt, was den Effekt hat, daß, wenn m/f
beispielsweise zwei Tage nicht am Institut war, am
dritten die Liste schon voll ist. Ähnlich ist es bei
Seminaranmeldungen, wobei es hier Lehrveranstaltungen
gibt, wo die Wartezeit bis zu über einem Jahr beträgt,
wo es sogar dazu kommt, daß manche in ihrer Panik eine
Nacht am Institut verbringen, um dann am Morgen ihren
Platz gesichert zu haben.
Auswirkungen dieser Zustände äußern sich
unter anderem in einer ständigen Panik, etwas zu versäumen
und irgendwo nicht hineinzukommen, was sich als extrem
nervenaufreibend und energiezehrend darstellt. Zusätzlich
führt das zu einem Konkurrenzkampf in bester Ellebogen-Manier
zwischen den StudentInnen.
Ein unvergessenes Erlebnis fand in der Einführungsvorlesung
statt: Eine Studentin der Fachschaft hielt einen Begrüßungsvortrag,
von welchem m/f sich ein paar gute Ratschläge, Tips und
nützliche Informationen erwartet hätte, im Gegensatz
dazu aber mit der Aussage konfrontiert wurde, daß
innerhalb des ersten Abschnittes bis zu 90% von uns
ausscheiden würden. Unter die Nase gerieben zu bekommen,
daß das von einem/r getätigte Unterfangen mit
anscheinend großer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern
verurteilt war, wirkte zusätzlich motivationshemmend,
verunsichernd und deprimierend. Weiters sagte sie sinngemäß,
wenn m/f die "Hölle" des ersten
Studienabschnittes hinter sich habe, habe m/f das Studium
in der Tasche. Bis zu den letzten HochschülerInnenschaftswahlen
im Mai 1999 war die Fachschaft und somit auch die
Studienrichtungsvertretung ausschließlich vom Psychologischen
Team gestellt, das sich als ‘unpolitisch’
bezeichnet und seine Aufgaben in der möglichst
umfassenden Bereitstellung verschiedener ‘Service’-Angebote
sieht, die einen reibungsloseren Studienverlauf gewährleisten
sollen. Diese Gruppe hinterfrägt in der Regel die
Institutsinhalte nicht und ist in der Folge ganz in die gängige
Machtökonomie eingespannt, ohne sich dessen bewußt zu
sein. In diesem Licht erscheint es nur konsequent, wenn
die zitierte Vertreterin ‘verirrte’ Subjekte
aufklären wollte, was es mit dem Wiener Psychologie-Studium
wirklich auf sich hat. ‘Verirrt’ ist in diesem
Zusammenhang dergestalt zu verstehen, daß das Institut
den meisten StudentInnen unterstellt, mittels des
Studiums eine Therapie absolvieren, und nicht Psychologie
als Wissenschaft erlernen zu wollen.
An diese Stelle paßt auch das Kapitel
‘Austauschanträge’. Es besteht die Möglichkeit
eine gewisse Anzahl an nicht verpflichtenden
Lehrveranstaltungen auszutauschen und sich somit einen
Schwerpunkt zu setzen. Die bürokratische Prozedur ist
aber dermaßen verwirrend, daß es schon einmal ein bis
zwei Wochen dauert, bis m/f erfährt, ob der Antrag von
einem ‘formlosen’ zu einem richtigen werden
darf. Dabei ist zu beachten, daß der Antrag auf einem
vorkopierten Blatt ausgefüllt werden muß, aber nicht
von Hand. Wenn m/f nun den richtigen Antrag wieder
eingeworfen hat, kann m/f nach weiteren zwei Wochen in
die Sprechstunde des Studienkommissionsvorsitzenden gehen
und sich seinen/ihren Antrag absegnen lassen. Der noch
amtierende Studienkommissionsvorsitzende hat nun eine
dermaßen einschüchternde und autoritäre Art, daß
diejenigen, die nicht das ausreichende Selbstvertrauen
besitzen, sich in ihren Anliegen oft nicht durchsetzen können,
was oft mit abgelehnten Anträgen und Tränen endet.
Von dieser Persönlichkeit läßt sich
gleich überleiten zum seit kurzem geschiedenen
Institutsvorstand, der, nachdem ein Student auf seiner
Frage bzw. Kritik beharrt hatte, mit dem Satz, unter
diesen Umständen könne er seine Vorlesung (Statistik)
nicht halten, das bis zum letzten Platz besetzte
Auditorium Maximum verließ. Diese Begebenheit möchte
ich in der Beurteilung der LeserInnen belassen.
Geradezu als zynisch wirkt die Ansprache
‘Kollegen und Kolleginnen’, die nach außen die
Aufnahme in das WissenschafterInnenkollektiv bezeichnet
und nach innen nur der Sichtbarmachung der Gräben dient,
da ja von einer Gleichstellung wohl nicht ernsthaft die
Rede sein kann.
Dazu kommt noch, daß in der neuen Etage
des Psychologischen Instituts der lange Gang mit den Büros
verschiedener ProfessorInnen und AssistentInnen
abgesperrt ist und m/f, falls m/f mit jemandem außerhalb
der Sprechstunden reden möchte, von außerhalb der Glastür
in das entsprechende Zimmer anrufen muß, damit diejenige
Person dann, falls sie es für berechtigt befindet, kommt
und die Türe aufsperrt.
Um einen Sprechstundentermin beim Professor
für Sozialpsychologie zu bekommen, muß m/f erst in die
Sprechstunde seines Assistenten, dort sein/ihr Anliegen
vorbringen und erhält dann gegebenenfalls einen Termin
auf der höheren Ebene.
Die Öffnungszeiten der Sekretariate und
Bibliotheken wechseln fast jedes Semester, zumindest in
der Vormittags-/Nachmittags-Reihenfolge und sind in ihrem
Ausmaß, zumindest für diese Anzahl an StudentInnen,
eher bescheiden bemessen. Auf der Tür der Sekretariats für
Enwicklungspsychologie hängen Zettel wie: “STOP!
Ist jetzt Öffnungszeit?” oder “Auch ‘nur
eine Frage’ stört!”, wobei die Sekretärin
dermaßen unfreundlich ist, daß es schon fast keinen
Unterschied mehr macht, ob m/f nun zu den Öffnungszeiten
kommt oder nicht.
Die Institutsbibliothek ist zwar mit
Computern für die Literatursuche ausgestattet, aber mit
keinem für die Bibliothekarin, was zur Folge hat, daß m/f
vorsintflutlich anmutendes Zettelchen ausfüllen über
sich ergehen lassen muß. Die Bibliothek platzt auf
engstem Raum aus allen Näten, sodaß nun die
Diplomarbeiten, die vorher auf dem Boden und auf den
Tischen gestapelt waren, ausgelagert werden mußten. M/f
kann sie jetzt nur mehr auf der Bibliothek der HU
ausleihen.
Externe LektorInnen sind oft auch räumlich
- gezwungenermaßen - ‘extern’. Einem dieser
Lektoren wurde wiederholt der Antrag auf Abhaltung einer
Lehrveranstaltung über das unbewußte Fortwirken des
Nationalsozialismus abgelehnt mit dem Argument, daß kein
Raum verfügbar wäre. Zudem wurde auch noch zur Zeit, da
er seine Lehrveranstaltung noch hielt, zusehends an den
Rand gedrängt: Am Anfang noch als Seminar zur
Sozialpsychologie und am Ende als ‘Freifach’.
Eine andere Lektorin kann ihr Seminar über
Geschlechterdiskurse nur anbieten, weil sie von den
StudentInnen Raummiete verlangt.
In den Räumlichkeiten des Instituts wurden
letztes Semester runde Aufkleber für Rauch- und
Essensverbot angebracht. Die omnipräsente Plazierung,
aber auch die Anzahl der angebrachten Schilder - vor
allem solcher des Essensverbots - läßt eineN spüren,
daß allem Anschein nach die Meinung vorherrscht,
StudentInnen seien Ferkel und müssten daher ständig an
‘anständige’ Manieren erinnert werden.
Was noch erwähnenswert scheint, ist die
Tatsache, daß von einem/r zwar wissenschaftliches
Arbeiten und alles, was dazu gehört, wie: Recherchieren,
Zitieren etc. verlangt und vorausgesetzt, aber nirgends
gelehrt wird. Als geradezu zynisch erscheint es dann, daß
ein Seminar zum wissenschaftlichen Arbeiten angeboten
wird, das nur für StudentInnen, die kurz vor der
Diplomarbeit stehen, zur Verfügung steht. Als ob m/f
erst bei der Diplomarbeit angehalten würde, diese
Erfordernisse auch zu erbringen. Wiederum fragen wir uns
nach dem Warum. Aufgrund eigener Beobachtungen bezüglich
anderer Studienrichtungen, die sehr wohl etwas
Entsprechendes anbieten, vermuten wir dahinter erneut
einen Hintergedanken. Dieser könnte bestehen aus:
Demotivierung, bewußtes 'im Stich lassen' und letztlich
Selektion.
Als erstes gilt es, die Frage nach den
eigenen Zielen zu stellen: Will m/f eine
wissenschaftliche Karriere ‘erklimmen’, träumt
m/f davon eine die Wissenschaften revolutionierende
Theorie zu erfinden? Müssen nun alle, die es besser
machen wollen, aus dem System aussteigen?
Wohl kaum. Es geht vielmehr darum, daß m/f
sich seiner/ihrer Handlungsprämissen, -motive und -konsequenzen
bewußt wird und in der folge versucht, Handlungen aus
einer Zwecknotwendigkeit heraus zu vollziehen und nicht
aus einer solchen der Macht.
Wenn m/f sich der Machtdiskurse bewußt ist
und sich noch stärker dessen bewußt ist, das m/f selber
TäterIn und Opfer ist, wird es möglich, aus den Machtspielen auszusteigen. Damit ist jedoch nicht gemeint, daß m/f
komplett ‘aussteigen’ muß, sondern nur, daß
es möglich sein sollte, die eigenen Handlungen auf
solche Motive zu überprüfen, die auf Machterhaltung und/oder
-steigerung im Gegensatz zu solchen, die der konkreten
Situationsanforderung gerecht werden.. Die Frage, die
sich in Anbetracht von Institutionen stellt ist, ob diese
ohne Machtökonomie überhaupt denkbar sind. Wenn wir
nicht von einem utopischen Modell von an Macht
uninteressierten Menschen ausgehen wollen - wobei ich
Macht hier nicht als dem Menschen innewohnende und in der
Folge unabdingbare Konstante sehe - so muß die Antwort
lauten: Nein. Die Machtökonomie ergibt sich durch die
Verfügungsgewalt der verschiedenen Rollen. Die Rollen
stellen nun - wie schon eingangs erwähnt - ein
individualitätsfeindliches Element dar. Ein Professor
ist nicht einfach Herr Klaus Kubicek, sondern o.Univ.-Prof.Doz.Mag.rer.soc.oec.Dr.phil.
Klaus Kubicek. Es findet keine Begegnung zwischen zwei
Menschen statt, sondern eine zwischen einem Titel - d.h.
also einer Rolle - und einem minderwertigen Subjekt, also
dem Studenten bzw. der Studentin.
Wenn wir nun Institutionen lediglich als
organisationsstrukturierende Einheiten betrachteten -
zugegebenermaßen eine ein wenig verklärte Sicht - so
sollte es doch möglich sein, zwar ohne letztendlich die
Hierarchien überwinden zu können, denn einE ProfessorIn
bleibt immer einE ProfessorIn und einE StudentIn immer
einE StudentIn, so aber doch in größtmöglichem Ausmaß,
eine Begegnung von Mensch zu Mensch stattfinden zu lassen.
In dieser Form würde die Entscheidung über
die ‘Menschlichkeit’ jedoch ausschließlich bei
der mächtigeren Position liegen und als MachtlosereR müßte
ich immer noch auf Gnadenmomente von oben warten. Das
kann es natürlich auch nicht sein. Die Handlungsmöglichkeit
der StudentInnen liegt in der rebellierenden Antwort auf
Macht’mißbrauch’. Dieser Begriff ist nicht in
juristischem, sondern in Foucault’schen zu verstehen.
Es geht darum, aus dem zwischenmenschlichen
Aushandlungsprozeß der Rollenbestimmung bzw. -festlegung
die eigene Aktivität zu beleuchten und sich der
zugeschriebenen Rolle des/der ohnmächtigen Studenten/in
zu widersetzen und das die Funktionalität überschreitende
Selbstverständnis der die Rollen der ProfessorInnen Ausfüllenden
zu brechen.
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