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Das Spiel der Identitäten
Anmerkungen zu Gini Müller

von Daniel Sanin

In ihrem Text zu queeren Strategien und Lebensentwürfen feiert Gini Müller das Spielen mit „Identitäten“ und das subversive Unterwandern selbiger. Beim Lesen des Artikels beschlichen mich allerdings Zweifel, ob dem Text selbst die Bewältigung des gesteckten Zieles überhaupt gelingt.

Vorausschicken möchte ich jedenfalls, dass sich meine Kritik nicht als Abwertung oder Ablehnung verstanden wissen möchte, sondern als konstruktiven Beitrag, der queeren Strategien bzw. Theorien dazu verhelfen soll, den Fallstricken von „Identität“ zu entkommen.

Meine These ist, dass mit „Identität“ keine Emanzipation zu haben ist. „Identität“ ist zuallererst entgegen dem Anschein kein Konzept, sondern eine Leerstelle; sie ist keine Realität, sondern Ideologie. Um diese Aussage verständlich zu machen, muss ich ein wenig ausholen. Zuerst lohnt sich ein Blick in die Psychologie, den Geburtsort von „Identität“, wie sie heute verstanden wird.

Im Bereich der Psychologie kann Erik H. Erikson als Schöpfer des Begriffs angesehen werden. Sein Konzept ist allerdings essentialistisch und lässt keinen Raum für Widersprüchlichkeiten. Das Ziel der geglückten „Identität“ ist die reibungslose Einordnung in die Gesellschaft. Von da an hat der Identitätsbegriff einen Siegeszug angetreten, der längst die Grenzen der Psychologie (weit) hinter sich gelassen hat.

Inzwischen ist „Identität“ ein beliebtes Element in allen möglichen Disziplinen und Diskursen. Besondere „Fruchtbarkeit“ hat es in den Bereichen postmoderner, postkolonialer, feministischer und eben queer/transgender-Theorien gezeigt. Es ermöglicht scheinbar eine problemlose Verortung in verschiedenen Kontexten, die Integration verschiedener, auzch widersprüchlicher Anteile in ein und demselben Individuum. Natürlich gibt es auch schon einen passenden Begriff dafür, nämlich die „Patchwork-Identität“ (Heiner Keupp).

Interessant ist jedoch, dass es in der Psychologie keinen einheitlichen Begriff, keine einheitliche Definition von „Identität“ gibt und dass jeder Versuch einer solchen vor Unklarheiten und Widersprüchen nur so strotzt. Es zeigt sich nach eingehender Analyse (vgl. Niethammer, 1998 und Sanin, 2002), dass „Identität“ ein „semantisches Mollusk“ (Niethammer), ein Weichtier, ein Gummiwort, ist. Seinen Erfolg verdankt der Begriff genau diesem Mangel an Klarheit und Eindeutigkeit, der ihn flexibel einsetzbar macht.

So setzt sich die „Gesamtidentität“ einer Person vielleicht zusammen aus ihrer „Geschlechtsidentität“, ihrer „Berufsidentität“, der „Rollenidentität“, der „Nationalidentität“, der „ethnischen Identität“ usw. usf., die Liste wäre beliebig fortsetzbar.

Es stellt sich allerdings die Frage nach der Sinnhaftigkeit bzw. Nach dem Nutzen eines solchen „Konzeptes“. Der Zweck von „Identität“ ist m.E. die Einteilung. Emanzipatorische – oder in diesem Fall besser: pseudo-emanzipatorische – Ansätze sprechen hier gerne von „Verortung“; ich nenne es eher Selbsteinteilung. Der Begriff der „Identität“ übernimmt nämlich implizit die Zuordnung zu einer bestimmten Kollektivität. Diese Kollektivitäten sind jedoch, indem sie dem Identitätsdiskurs und dessen Logik folgen, keine bloß strategischen Zusammenschlüsse, sondern essentialistische Agglomerate.

Im Artikel von Gini Müller zeigt sich das darin, dass die Zugehörigkeit zur von ihr geschilderten i.w.S. queeren Szene scheinbar doch über die Kategorie „Frau“ funktioniert, was sich ja auch schön in den Begriffen „grrrl“ und „ladyfest“ zeigt. Die Zugehörigkeit oder potentielle Teilnahme ist nicht schon gesichert durch die Zustimmung hinsichtlich gemeinsamer Ziele, sondern wird erst möglich durch die zusätzliche Zugehörigkeit zu einer bestimmten biologischen und soziobiologischen Kategorie bzw. durch die Abkehr von ihrem Gegenteil, also der soziobiologischen Kategorie „Mann“, was dann unter „transgender“ subsummiert wird. Interessant wäre ja zu überprüfen, ob Transgender-Menschen die eine männliche „Identität“ anstreben und auch als Männer (an)erkannt werden wollen, hier noch eine Zugehörigkeit beanspruchen dürfen oder nicht.

Essentiell ist jedoch, dass der ganze Queer- und Transgender-Diskurs es nicht schaffen kann, die Grenzen der heterosexistischen Matrix zu überwinden, wenn er deren Kategorien in die eigene Basis einbaut. Es geht ja auch nicht um das Ausschließen von Männern, sondern umgekehrt auch um das automatisch damit verknüpfte Einschließen von Frauen.

Gerade im Transgender-Feld ist ja der Einteilungsdiskurs besonders spannend, da es hier ja letztlich für viele darum geht, den die Geschlechter trennenden Graben nicht als solchen zu überwinden, sondern ihn zu überspringen, von einer Seite zur anderen. Aber auch für jene, die sich nicht so leicht einteilen lassen und das auch nicht wollen, ist schon eine Bezeichnung gefunden, nämlich eben „Transgender“, womit sie ihren Platz zugewiesen bekommen haben und der Einteilung Genüge getan wurde.

Der Umgang mit „Identität“ kann nur dann produktiv sein, wenn er gewissermaßen negativ ist, also aus einer strategischen Haltung heraus, die „Identität“ nicht ernst nimmt, ihren Versprechungen nicht glaubt und sie als das erkennt, was sie ist, nämlich eine herrschaftsdienliche Einteilungsmaschine.

Wie schon oben angedeutet, ist m.E. für eine emanzipatorische Strategie Offenheit notwendig und so etwas wie „Nach-vorne-Gerichtetheit“, also ein Konzept, das sich nicht über zwar aufgeweichte und flexibilisierte, aber letztlich doch essentialistische Kategorien definiert, sondern durch kollektive Übereinstimmungen hinsichtlich von Strategien und Zielen.

Zum ganzen Diskurs ausführlicher: Zur Kritik des Identitätsbegriffs - eine Analyse im Spannungsfeld von Subjektivität und Kollektivität.

 

 

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Impressum: Initiative kritische Psychologie Wien/Daniel Sanin