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VIII. Darstellung der Ergebnisse (Teil II)

 

 

2. Selbstdarstellung

Im Themenkomplex Selbstdarstellung lassen sich drei relevante Schwerpunkte unterscheiden:

 

2. 1. Selbstdarstellungsansprüche im sozialen Kontext

Der Schwerpunkt Selbstdarstellungsansprüche im sozialen Kontext betrifft jene in den Aussagen vorgefundenen Praxen der eigenen Selbstdarstellung, die eng mit sozialen Praxen und Normen der Selbstdarstellung verbunden sind. Die strukturelle Komplexität dieses Schwerpunktes zeigt sich in folgender Darstellung; zwei Unterkategien, die sich wiederum aus mehreren Themenbündeln zusammensetzen, werden dabei unterschieden:

 

 

2. 1. 1. Soziale Bewertungsprozesse

Bewertung von anderen

Anerkennung von anderen

Soziale Zugehörigkeit vs. Differenz/Ausschluß

a. Ich schau doch auch, wie jemand aussieht. a. Positive Bestätigung des Aussehens von anderen ist wichtig.

b. Die Bewertung von anderen beeinflußt mich.

a. Allein schon wie die sich anzieht, vielleicht versteht sie mich schon allein deshalb nicht.

b. Wenn man nicht ganz hineinpaßt oder neu ist, ist es oft schwierig, von den anderen/der „Gruppe“ akzeptiert zu werden.

In der Unterkategorie Soziale Bewertungsprozesse sind jene Aussagen der Interviewpersonen zusammengefaßt, in denen auf soziale Praxen der Selbstdarstellung bezug genommen wird, die wiederum für die eigenen Ansprüche und Praxen der Selbstdarstellung relevant zu sein scheinen. Manche der folgenden Aussagen mögen dabei trivial erscheinen, nichtsdestotrotz erachte ich es als wichtig, den Finger auch auf die kleinen und kleinsten Mechanismen der Einteilung und Kategorisierung zu legen, die ob ihrer Selbstverständlichkeit ansonsten der Aufmerksamkeit entgehen.

Der Bereich Bewertung von anderen betrifft dabei eigene Vergleichspraxen im Selbstdarstellungsprozeß.

Die Aussagen, die dem Bereich Anerkennung von anderen zugeordnet werden, veranschaulichen den Aspekt des Bewertet-Werdens, der für die eigene Selbstdarstellung von zentraler Bedeutung zu sein scheint.

Schließlich werden im Bereich Soziale Zugehörigkeit vs. Differenz/Ausschluß jene Prozesse der sozialen Selbstdarstellungspraxen thematisiert, die Mechanismen sozialer Zugehörigkeit bzw. solche des Auschlusses veranschaulichen.

 

2. 1. 1. 1. Bewertung von anderen

a. Ich schau doch auch, wie jemand aussieht.

Daß Aussehen eine besonders wichtige Kategorie bei der Bewertung von Menschen ist, wird an folgenden Textpassagen deutlich. Wie dieser Prozeß jedoch ganz konkret abläuft und welche Bedenken manche dabei haben, soll nun gezeigt werden.

Petra meint in diesem Zusammenhang, daß sie, wenn sie „irgendwelche Leute kennenlernt“ (36), „sich dann halt irgendwie ein Bild“ (37) macht. Gleichzeitig gibt sie zu bedenken, daß sie das „eigentlich nicht sollt, weil man eigentlich eher reden sollt“ (38).

Man sagt ja auch immer, der erste erste Eindruck is der wichtigste“ (193), heißt es diesbezüglich auch bei Philipp. Klar erscheint für ihn jedenfalls, daß, „auch wenn man das nicht wahrhaben will .. ähm, es is doch irgendwie ein bißl so“ (194), obwohl er diese Ansicht scheinbar schon mal überdenken mußte, wenn er meint:

ja das is eigentlich schon so noch, ja .. daß wenn man einen Snob sieht, dann denkt man sich, der dürft so und so sein, aber das stimmt dann meistens eh auch nicht.“ (Philipp 204-205)

Auch Elisa beurteilt eine Person „schon eigentlich zuerst einmal nach dem Aussehen“ (39) und auch Karin sind „die schneller symphatisch“ (59), die ihr „mehr liegen“ (60), „von der Moderichtung her und so“ (60).

Carina wiederum hat für diese Praxis sogar ein konkretes Beispiel parat:

ich würd z.B. jetzt .. ähm .. wenn mir .. z.B. mein Freund .. ich wär mit dem glaub ich nie zusammengekommen, hätt ich ihn nicht gesehen und hätt ich mir gedacht .. es gfallt mir, was er anhat (…) und ich denk mir sein Erscheinungsbild .. kann man natürlich mit Ausstrahlung und Mimik und Gestik gestalten .. aber es is natürlich auch, was man anhat ..“ (Carina 170-174)

Ähnlich wie Carina äußert sich auch Robert in diesem Zusammenhang über das andere Geschlecht. Zumindest „was jetzt eben die Frauen betrifft“ (41), ist ihm „schon des Aussehen wichtig“ (41), das neben Art und Charakter die „Nummer Eins“ (42) ist und wenn er fortgeht, redet er „schon die an, was gut ausschaut“ (44).

 

2. 1. 1. 2. Anerkennung von anderen

a. Positive Bestätigung des Aussehens von anderen ist wichtig.

Im Gegensatz zu eigenen Bewertungsprozessen scheint auch der Prozeß des Bewertet-Werdens ein wichtiger Moment bei der Selbstdarstellung zu sein. Dies bringt zum Vorschein, daß die Bewertung der anderen für die Selbstwertschätzung eine wichtige Rolle spielt.

Niki beispielsweise kriegt „oft Bestätigungen diesbezüglich“ (119). Er vergleicht das sogar selbst mit der Leistungsanerkennung in der Arbeit, denn für ihn ist das „genauso wie in der Arbeit“ (119), weil „wenn man gut arbeitet und man wird gelobt .. is das genauso eine Motivation“ (120).

Philipp beschreibt beispielsweise direkt den Moment des Anerkennungsprozesses:

also im Freundeskreis, die sagen dann, hey cool, woher hast denn das und wieviel hat denn das gekostet, das schaut cool aus, ja .. und ich find’s halt ganz cool, daß es ihnen gefällt .. ja is ganz lustig ..“ (Philipp 209-212)

Auch Kerstin bekommt diesbezüglich „immer wieder feed-backs“ (61), wo sie sich dann denkt, „es paßt so wie“ (62) sie ist. Weiters stellt sie fest:

Ich glaub, Aussehen is immer eine Identitätsfrage .. und Anerkennung suchen vielleicht auch teilweise .. bestimmten Menschen gefallen, sich durch Aussehen repräsentieren ..“ (Kerstin 57-58)

Elisa beispielsweise will zwar nicht unbedingt „vor anderen gut dastehen“ (42), gleichzeitig möchte sie „schon anderen auch“ (43) gefallen, vor allem „für Burschen einfach […] gut ausschauen“ (48). Daß das jedoch mit direkten Unsicherheiten verbunden zu sein scheint, bringt sie in folgender Passage zum Ausdruck:

das weiß man eben nicht, ob das wirkt, ich mein ob .. weil man weiß ja nicht, wem man gefällt und .. und wie man halt, wie man ausschauen soll, daß man irgendjemanden gefällt oder keine Ahnung .. also ich denk schon, daß .. daß es auch deswegen is ..“ (Elisa 49-52)

Ähnlich schaut das auch bei Robert aus, der „viel drauf“ legt, „daß in andern gfallt“ (129), was er anhat und auch er richtet sich dabei „schon mehr nach die Madln“ (132). Als er beispielsweise seinen Kleidungsstil wechselte, „sind schon mehr die Madln herkommen und ham gsagt, ja wah, hey, des paßt da viel besser“ (125-126). Es „bedeutet“ ihm auch viel, „wenn des wer sagt“ (127).

Andererseits thematisiert er in diesem Zusammenhang noch einen anderen Aspekt, denn er meint, er kann sich „besser mit ana feschen Frau sehen lassen, wie mit ana häßlichen“ (51-52). Er will nicht, daß die Leute sich denken, „schau da den an, der schaut gut aus oder so“ (53), der hat „jetzt aber die urschirche Freundin“ (53). Ihm taugt’s, wenn er „mit einer zam“ (55) ist „und andere Typen schauen ihr nach“ (55). Dann denkt er sich, „schaut’s ruhig, ich habs, des is meine und aus“ (56).

Schließlich bringt Michael noch eine weitere Facette zur Sprache. Er thematisiert das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung durch Selbstdarstellung im Hinblick auf sozial „erwünschte“ Verhaltensweisen:

es is manchmal schon so, daß man sich denkt .. ja, cool sein .. irgenda Aktion schieben oder so .. etwas tun, um eben akzeptiert oder bewundert zu werden .. manchmal wird man schwach .. aber ich glaub, das hat jeder oder ..“ (Michael 262-265)

Im Mittelpunkt“ (281) stehen „is halt einfach ein tolles Gefühl“ (282).

 

b. Die Bewertung von anderen beeinflußt mich.

Daß die Bewertung von den anderen die eigene Selbstdarstellung manchmal beeinflußt, wird in den folgenden Aussagen deutlich. Darin scheint sich wiederum die Abhängigkeit des eigenen Selbstwertes von der Bewertung der anderen zu manifestieren.

Karin erwähnt in diesem Zusammenhang zwei Erlebnisse. Bei einem ihrer Stilwechsel, wo sie sich „dann auf einmal anders angezogen“ (426) hat, war sie „auf einmal […] umschwärmt“ (426) und alle meinten, es ist „so toll, wie du dich anziehst“ (427). Andererseits fühlte sie sich mit diesem Stil gar nicht so wohl, denn sie hatte das Gefühl, nicht sie selbst zu sein, jedoch wollte sie ihn wegen dieser tollen Bestätigung nicht mehr aufgeben, was sie folgendermaßen beschreibt:

ich hab schon gewußt, daß das nicht ich bin, aber dadurch, daß ich so viel Bestätigung bekommen hab wollt ich das nicht mehr aufgeben ..“ (Karin 434-436)

Im zweiten Erlebnis fand genau das Gegenteil statt. Da veränderte sie ihren Stil aufgrund der negativen Reaktionen der anderen:

da hab ich mir Sachen gekauft .. wo sich echt alle Leute umgedreht haben .. also die die mich gekannt haben und gedacht haben so .. was hat die auf einmal warum is die auf einmal ganz anders als sie normal is .. und das hab ich halt dann versucht mit meiner Schwester zu tauschen ..“ (Karin 401-405)

Auch Carina schildert eine ähnliche Erfahrung. Sie spricht sogar direkt an, daß die Bewertung der Leute sie bei ihrem Stilwechsel beeinflußte:

Ja also ich glaub es hat mich natürlich .. ähm .. beeinflußt, daß mir die Leute gesagt haben, wie ich dann wieder elegant angezogen war, daß es mir besser gepaßt hat ..“ (Carina 297-298)

Kerstin meint in diesem Zusammenhang, daß die Person, die von den anderen hinsichtlich ihres Äußeren negativ bewertet wird, dies zum Anlaß nehmen sollte, sich zu hinterfragen bzw. etwas an sich zu ändern. Damit scheinen automatisch die anderen im Recht zu sein:

ich mein, sicher, wenn irgendwer ständig auf dir rum hackt und sagt, ja änder das und änder das und änder das, dann muß man sich sicher die Frage stellen, was is los mit mir .. irgendwas paßt da nicht an mir ..“ (Kerstin 68-70)

 

 

2. 1. 1. 3. Soziale Zugehörigkeit vs. Differenz/Ausschluß

a. Allein schon wie die sich anzieht, vielleicht versteht sie mich schon allein deswegen nicht.Die folgenden Aussagen stehen im direkten Spannungsfeld von Gleichheit und Differenz. Dadurch, daß die Kleidung bzw. der jeweilige Kleidungsstil durch soziale Zuschreibungs- und Bewertungspraxen mit konkreten Persönlichkeitseigenschaften ausgestattet wird, scheinen Differenzen in bezug auf‘s Aussehen unüberwindbare zwischenmenschliche Distanzen zu schaffen.

Carina findet es zwar „total leivant“ (103), wie sich ihre Schwester Karin anzieht, ist aber der Auffassung, daß Karins Stil nicht zu ihr paßt, „und dann beginnt‘s halt schon .. ja, sie zieht sich anders an, sie hört andere Musik, dann denkt sie sicher anders über das und dann wieder über das und dann wieder über das“ (102-105).

An anderer Stelle formuliert sie das Ganze noch etwas deutlicher:

und dann denk ich mir .. allein schon wie sie sich anzieht .. vielleicht versteht sie mich .. allein schon deswegen nicht, also jetzt nicht wegen dem Optischen, sondern .. weil sie sicherlich auch mit ihrer Kleidung anders von der Person is ..“ (Carina 109-111)

Alles in allem befürchtet Carina, daß sich ihre Schwester nicht in sie „hineinversetzen könnt, schon allein wegen dem anderen Freundeskreis und eben wegen dem Anziehen und alles“ (117-118).

Auch Karin thematisiert diesen Aspekt, jedoch in einem anderen Zusammenhang. Aufgrund der Heterogenität ihres FreundInnenkreises äußert sie Befürchtungen, alle zu einem Fest einzuladen. Wegen diesen Differenzen scheinen für sie bestimmte Konsequenzen vorprogrammiert zu sein:

ich könnt die Leute nie alle einladen, weil die einfach nie zueinander passen würden .. die würden sich untereinander .. ich mein ich kann‘s nicht sagen, ob die sich verstehen würden .. aber es würd einfach auch die Atmosphäre nicht stimmen ..“ (Karin 260-263)

 

b. Wenn man nicht ganz hineinpaßt oder neu ist, ist es oft schwierig, von den anderen/der Gruppe akzeptiert zu werden.

 Daß und wie Aussehen bzw. Selbstdarstellung ein sozialer Ausschlußfaktor sein kann, wird in den folgenden Passagen thematisiert, in denen drei der Interviewten diesbezügliche Erlebnisse und Erfahrungen schildern.

Karin spricht dabei die FreundInnen ihrer Schwester an, die einen ganz anderen Stil haben, als sie selbst. Diese finden sie zwar „total nett“ (180), „und das is sicher kein Problem aber .. die sind eher die, die dann sagen, ja das is nicht so elegant .. das is nicht so toll das kann man nicht machen .. in diese Geschäfte kann man nicht reingehen“ (Karin 180-182).

In diesem Zusammenhang schildert sie noch weitere Erfahrungen, dabei war beispielsweise Musik der ausschließende Faktor. In den letzten Sommerferien hatte sie Kontakt mit einer Gruppe von Leuten, die „nur über Musik reden“ (201), für die Musik „das Wichtigste“ (203) ist. Da war es oft der Fall, daß, „wenn man da nicht genau .. alles kennt .. is man bei vielen .. extremen Leuten, also die da wirklich total dahinter sind, bei denen das anscheinend das einzig Wichtige is .. schon mal eher auf der schlechteren Seite“ (206-209).

Daß der Auschluß nicht direkt artikuliert wird, sondern vielmehr mittels subtiler Mechanismen abzulaufen scheint, kommt an anderer Stelle zum Vorschein, wenn es heißt:

aber .. aber so richtig, daß jemand gesagt hat, ja warum bist du da und wir brauchen dich nicht .. hat niemand gesagt .. man merkt dann halt schon .. man spürt das einfach, daß irgendwie .. nicht gerade die beste Basis gegenüber anderen is ..“ (Karin 223-226)

Schließlich bringt sie in einer weiteren Passage das Ganze noch einmal auf den Punkt. Interessant dabei ist der von ihr in diesem Zusammenhang verwendete Begriff des Arbeitens, womit sie die Höhe der erforderten Anstrengungsleistung zu benennen scheint, wenn sie sagt:

aber der größte Teil is schon so, daß sie .. sobald du nicht alles kennst bist du nicht gleich dabei .. dann is es immer schwieriger sich da einzuarbeiten ..“ (Karin 249-250)

Auch Michael beschreibt im Kontext von Aussehen und Selbstdarstellung eigene bzw. beobachtete Erlebnisse des sozialen Ausschlusses. Daß es hart ist, „von einer Gruppe nicht akzeptiert zu werden .. und .. am Rand zu stehen“ (235) mußte er damals erkennen, als er noch ziemlich dick war. Dazu meint er:

und naja, ich mein, wenn‘s einmal so is, daß ähm .. daß du mit dem Schulbus fahrst und irgendwo sitzt und .. praktisch jeder auf dir herumhakt, irgendwie so aus Spaß .. das is nit angenehm ..“ (Michael 249-251)

Die Beobachtung, daß „oft auf Schwächere umerghackt wird“ (299) machte er jedoch nicht nur in bezug auf sich selbst. Diejenigen, die in dem Sinne ein wenig anders sind, als sie sich von der dominanten Gruppe unterscheiden, scheinen es da besonders schwer zu haben:

wir haben einen in der Klasse, der is, der is total leise, hat immer seine Aufgaben und sitzt einfach nur dort und lernt .. und dann is da wieder das ziemliche Gegenteil von ihm und der hat sich neben ihn gesetzt .. und hat ihn die ganze Zeit nur drangsaliert, aber wirklich auf banale Weise, er hat ihn gschlagen die ganze Zeit und .. i mein, alle lachen drüber, aber ich find‘s eigentlich scheiße, weil‘s .. weil er ja eigentlich nur sei Ruh haben will ..“ (Michael 299-304)

Schließlich wird auch Kerstin von ihren Arbeitskolleginnen aufgrund bestimmter „Stil-Differenzen“ ein „bißl abwertend“ (187) angeschaut, was schon „unangenehm werden“ (193) kann.

 

 

2. 1. 2. Soziale Stil- und Ästhetiknormen

Soziale Stil- und Ästhetiknormen

Orientierung an Gruppennormen

Orientierung an Stilnormen

a. Es ist meistens schon so, daß die Freunde und Freundinnen einen ähnlichen Stil haben, wie man selber.

b. Ich fühl mich schon manchmal von den anderen/der Gruppe unter Druck gesetzt.

a. Es hängt auch mit der Musik zusammen, wie man sich anzieht, welchen Stil man hat.

b. Die Kleidung muß zueinander/zur Situation passen.

c. Es fällt mir schwer, meinen Stil zu verlassen.

d. Es ist mir wichtig, daß meine Kleidung zu dem paßt, was man im Moment trägt.

 

In der Unterkategorie Soziale Stil- und Ästhetiknormen werden jene Praxen der Selbstdarstellung thematisiert, die sich an direkten Normen, sei es an Gruppennormen wie an Stilnormen orientieren.

Im Bereich Orientierung an Gruppennormen kommt dabei zum Vorschein, daß Zugehörigkeit zu einer Gruppe Ähnlichkeiten in der Selbstdarstellung erfordert.

Im Bereich Orientierung an Stilnormen werden schließlich jene Praxen der Selbstdarstellung veranschaulicht, die zum großen Teil die mangelnde Flexibilität im Sinne der Unvereinbarkeit bestimmter Stile bzw. die Orientierung an Stilcodes veranschaulichen.

 

2. 1. 2. 1. Orientierung an Gruppennormen

a. Es ist meistens schon so, daß die Freunde und Freundinnen einen ähnlichen Stil haben, wie man selber.

Daß die Praxen von Gleichheit und Differenz in bezug auf Aussehen und Selbstdarstellung nicht nur im Prozeß des sozialen Ausschließens vollzogen werden, wie es in den obigen Aussagen aufgezeigt wurde, sondern daß sie von den einzelnen Personen scheinbar zufällig bzw. unbewußt (re)produziert werden, wird in den folgenden Aussagen zum Ausdruck gebracht. Dabei wird auch der Aspekt der Gruppenzugehörigkeit thematisiert, der für dieses Konformitätsverhalten eine wesentliche Rolle zu spielen scheint.

Die Kernsatzformulierung entspringt beinahe wörtlich einer Aussage von Petra, in der sie meint:

es is ja meistens schon so, daß die Freunde halt irgendwie einen ähnlichen Stil haben, wie man selber ..“ (Petra 71-72)

Auch Karin fällt es „schon auf, daß viele Leute, mit denen“ (91) sie sich „sehr gut“ versteht, auch „irgendwie in die selbe Moderichtung gehen und so“ (92).

Bei Roberts Stilwechsel schien zu einem großen Teil sein bester Freund ein ausschlaggebender Faktor gewesen zu sein, was an folgender Aussage deutlich wird:

Freunde machn viel aus, sag ich amal .. z.B. mein bester Freund, der hat mich zu Hardcore irgendwie reinbracht weil’s, a Zeitl hab ich’s mir nicht anghört und zu Hardcore, da gibt’s an ganz besonderen Tanz und den hab ich auch nie kapiert und so .. und nach der Zeit hab ich da a bissl mitgmacht und so .. und dann hab ich halt das Hardcore–Tanzen glernt ..“ (Robert 137-141)

Weil bei diesem Stil „so ziemlich ein jeder Markensachen“ (179) hat, trägt auch Robert jetzt nur mehr Markenkleidung. Dabei geht es ihm auch um Gruppenzugehörigkeit, denn es ist ihm „schon wichtig, zu einer Gruppe dazuzughören“ (442), schließlich will er ja „kein Einzelgänger sein“ (456).

Auch in Kerstins FreundInnenkreis haben „im Großen und Ganzen […] alle den gleichen Stil“ (84). Sie erklärt sich das folgendermaßen:

ja halt jeder .. jeder geht halt auf den anderen ein und paßt sich dem anderen möglicherweise ein bißl an […] um vielleicht ein bißl in die Gruppe hineinzugehören .. wenn einer ganz unterschiedlich is, dann wird sich die Gruppe halt überlegen, also wenn sich jetzt einer ganz extrem verändert .. wird sich die Gruppe sicher überlegen, was is da los ..“ (Kerstin 94-99)

An anderer Stelle benennt sie den Aspekt der Zugehörigkeit noch deutlicher:

ich glaub das is einfach Angehörigkeit, jeder sucht irgendwie Angehörigkeit, Zugehörigkeit ..“ (Kerstin 140-141)

Schließlich meint Elisa, daß sie und ihre Freundinnen vom Gewand her „schon einen ähnlichen Geschmack haben“ (62). Aber sonst sind sie natürlich „schon ziemlich verschieden von der Art her“ (63).

 

b. Ich fühl mich schon manchmal von der Gruppe unter Druck gesetzt.

Der Aspekt des Gruppendrucks wurde nur von Petra deutlich artikuliert. Bei ihren Aussagen läßt sich hingegen genau erkennen, wie sehr man/frau sich hinsichtlich bestimmter Gruppenstrukturen und -normen verpflichtet fühlt, deren Nicht-Erfüllung den eigenen Selbstwert zu schwächen scheint. Diese Erfüllungsanforderungen verleihen dem Ganzen einen eigenen Leistungscharakter:

weil ... also z.B. wenn du jetzt sagst irgendwelche Musiksachen... da ist es dann oft so, daß halt die Leute sagen, ja das und das mag ich so gerne und dann .. also ich beobacht auch manchmal unter Freunden halt, wo das dann ähm z.B. jetzt einer der anderen sagt und die dann .. irgendwie sich dann verpflichtet fühlt, das auch kennen zu müssen und so .. und dann halt als würd man da alles wissen und so .. so dieses, daß man sich irgendwie ein bißchen geniert, wenn man das jetzt nicht kennt, was jetzt der andere so toll findet ..“ (Petra 185-191)

An anderer Stelle erwähnt sie noch ein konkretes Erlebnis:

Naja, es gibt Leute, die das so rüberbringen können, daß man sich da schon unter Druck gesetzt fühlt... ich hab da eine Freundin einmal ghabt, die war eben eine Zeit lang so extrem und ... was, du kennst das und das nicht .. ha ha und so und das war dann schon irgendwie auch anstrengend ..“ (Petra 199-202)

 

 

2. 1. 2. 2. Orientierung an Stilnormen

a. Es hängt auch mit der Musik zusammen, wie man sich anzieht, welchen Stil man hat.

Wie es von zwei Interviewten kurz geschildert wird, scheint Musik den Kleidungsstil wesentlich mitzubestimmen und umgekehrt. Daß dieses enge Beziehungsverhältnis von Musik und Kleidungsstil relativ unflexibel ist, tritt dabei deutlich in den Vordergrund.

Petra beipielsweise kann sich den Zusammenhang von Musik und Kleidungsstil nicht direkt erklären, wenn sie meint:

Ich weiß zwar nicht warum, aber irgendwie ist das ... einfach so, auch wenn man die Leute kennenlernt halt und die hören die gleiche Musik, dann ... schauen die auch manchmal ähnlich aus.“ (Petra 106-108)

Daß das Hören einer bestimmten Musikrichtung mit einem nicht dazu passenden Kleidungsstil unvereinbar zu sein scheint, stellt sie jedenfalls ganz klar fest, indem sie meint, daß man/frau, „wenn man jetzt der ur Techno-Fan ist“ (94), dann „nicht mit irgendwelchen Hippi-Sachen herumlauft“ (95).

Auch bei Robert ist die von ihm preferierte Musikrichtung eng mit seinem Aussehen und schließlich auch mit der Wahl seines FreundInnenkreises verbunden, was er folgendermaßen beschreibt:

wenn ich jetzt z.B. auf breite Hosen wär dann schätz ich mal dass ich einen anderen Freundeskreis hätt und dass ich nicht auf ein Hardcore–Fest gehn tät weil dann gfallt ma die Musik von Hardcore nicht sondern dann hör ich an HipHop und dann geh ich auf HipHop–Feste oder so was also das Gwand hat viel mit der Musik auch zum tun und mit’m Fortgehn und so ..“ (Robert 210-214)

 

b. Die Kleidung muß zueinander, zur Situation passen.

Daß der jeweilige Stil bzw. Situationen mit bestimmten unausgesprochenen Kleidungscodes verbunden sind, an die man/frau sich halten sollte bzw. will, tritt in den hier zusammengefaßten Aussagen zutage.

Um sich ihrem Stil „treu“ zu bleiben, scheint sich beispielsweise Carina an ganz bestimmte Kleidungscodes zu halten. Ihr ist es beispielsweise nicht „wurscht, ob die Schuh dazu passen“ (161), denn sie ist schon „der wo es passen muß“ (162).

Daß sie sich dabei manchmal selber einschränkt, scheint ihr schon bewußt zu sein. Obwohl ihr beispielsweise Krawatten gut gefallen, trägt sie lieber keine, weil das nicht zu ihrem Stil zu passen würde:

ich könnt mir schon vorstellen, z.B. .. daß jetzt da eine schwarze Krawatte auch schon dazupassen würde .. aber .. wenn ich mir dann die Leute anschau, die diese Krawatten tragen, was sie dazu anhaben und so .. weiß nicht, so was hab ich nicht und das .. eh, das is wieder ur eingeschränkt, ich weiß .. aber .. ich weiß nicht .. ich hab einfach das Gefühl gehabt, daß sie mir zwar gefällt, aber daß ich mich damit, mit meinen Sachen und mit meiner Persönlichkeit irgendwie nicht so auseinandersetzen kann .. verstehst du .. und insofern hab ichs sein lassen ..“ (Carina 399-405)

Robert hingegen spricht in diesem Zusammenhang die Kleidungscodes bestimmter Situationen an. Geht man/frau zu einem Hardcore-Fest, sollte man/frau sich auch angemessen kleiden:

Weil wenn dortn einer is mit breite Hosn sag ma, weiss ich genau dass a jeder drüber redet weil ich genauso drüber red, weil sowas .. zieht man nicht an auf eim Hardcore–Fest, auf ich bin ein Gangsta oder so .. da sollt man sich schon so kleiden wie wie die andern halt auch ..“ (Robert 200-204)

Wer sich dieser „Regel“ widersetzt, scheint mit deutlichen Konsequenzen rechnen zu müssen:

und dann auf die Festln und so, auf die Festln z.B. bei die, bei die Leit durtn, dort sin zum Großteil nur Hooligans und bei denen wenn’s z.B. hingehst mit breite Hosen und ja und lauter so am Gwand was halt nicht dazu passt, dann kann passieren, dass du a paar aufs Maul kriegst ..“ (Robert 141-145)

Niki wiederum thematisiert hier den Kleidungscode in bezug auf seinen Arbeitsplatz. Um die Firma „in einer gewissen Form zu repräsentieren“ (47), ist es ihm ein Anliegen, daß er mit seiner Kleidung „als Verkäufer in der Arbeit identifiziert“ (52) wird. Daß er sich mit dem dort repräsentierten Kleidungsstil nicht ganz wohl zu fühlen scheint, kommt an anderer Stelle zum Vorschein:

aber wenn ich .. äh .. nicht arbeite und nichts Spezielles vorhabe .. dann zieh ich mich immer irgendwie an .. und ganz normal wie ein Mensch .. das was ich gerne anhab .. also das was mir .. was angenehm is ..“ (Niki 33-35)

 

c. Es fällt mir schwer, meinen Stil zu verlassen.

Ein weiterer interessanter Aspekt, der die mangelnde Flexibilität von Stilen veranschaulicht, wird von Carina angesprochen und soll kurz dargestellt werden. Sie scheint so sehr in ihrem Stil verhaftet zu sein, daß sie für sich selbst eine Begründung braucht, um ihn verlassen zu können bzw. zu dürfen, was sie folgendermaßen beschreibt:

aber es gibt schon so Anlässe wo .. es dann halt einfach ein bißl anders is .. wo ich halt dann wirklich einen Minirock anhab .. und nicht dreiviertel Röcke, wie’s jetzt modern is oder .. wo ich einfach, zu Hallowe’en einfach .. wirklich anders ausschau .. ich mein, ich glaub ich brauch irgendwie eine Begründung, wieso ich anders aussschau und das hab ich halt zu Hallowe’en .. also ich würd’s gern können, aber ich glaub ich kanns nicht ..“ (Carina 321-325)

 

d. Es ist mir wichtig, daß meine Kleidung zu dem paßt, was man im Moment trägt.

Nur drei der Interviewten thematisieren den Aspekt der Mode bzw. des „In“-Seins ganz direkt. Dies kann wahrscheinlich darauf zurückgeführt werden, daß es ganz einfach so viele verschiedene Sparten des „In“-Seins gibt und es viel wesentlicher zu sein scheint, was die jeweilige Gruppe oder der FreundInnenkreis als „In“-Sein definiert, wie es beipielsweise Kerstin formuliert:

es gibt ja so viel Sparten, wie man ‚in’ sein kann, es kommt ja immer auf die Gruppe drauf an, in der du drinnen bist“ (Kerstin 148-149).

Carina zumindest ist es wichtig, daß ihre Kleidung „auch mit dem paßt, was man im Moment trägt“ (158) und auch Jürgen kauft sich „nur Sachen“ (19), „die was auch ‚in’ sind“ (19), was für ihn „irgendwie logisch“ (20) ist.

Elisa hingegen ist sich nicht ganz sicher, ob sie und ihre Freundinnen ihren Kleidungsstil danach richten, „weil’s so modern is“ (73) bzw. ob es ihnen deshalb gefällt, „weil’s modern is“ (74). Schließlich stellt sie fest, daß sie einfach die Leute am meisten ansprechen, die „von der Mode her einem gefallen“ (77).

 

 

2. 2. Selbstdarstellungsansprüche im subjektiven Kontext

Der Schwerpunkt Selbstdarstellungsansprüche im subjektiven Kontext unterscheidet sich vom vorigen dahingehend, daß hier nicht auf soziale Prozesse der Selbstdarstellung Bezug genommen wird, sondern eigene, (scheinbar) individuelle Anforderungen und Ansprüche im Zentrum stehen. Dabei werden zwei Unterkategorien unterschieden, was in folgender Graphik veranschaulicht wird:

 

2. 2. 1. Körperästhetik als subjetives Bedürfnis

Körperästhetik als subjektives Bedürfnis

a. Ich achte bewußt auf meine Figur.

b. Ich hätte schon gern eine „bessere“ Figur.

c. Da hab ich schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich zuviel eß.

Was an den Aussagen, die der Unterkategorie Körperästhetik als subjektives Bedürfnis zugeordnet werden, besonders interessant erscheint, ist, daß hier von den Interviewten keine direkten Verbindungen mit gesellschaftlichen Vorstellungen, Praxen und Normen von Körperästhetik hergestellt werden, sondern diese als individuelles subjektives Bedürfnis erscheinen. Bei einem genaueren Blick scheint das Entsprechen bzw. Erfüllen dieses Bedürfnisses den Anschein einer verinnerlichten Disziplinierungsmaßnahme zu erhalten.

 

a. Ich achte bewußt auf meine Figur.

Das Körperbewußtsein der Interiewten äußert sich in den folgenden Passagen in einem stark ausgeprägten Figurbewußtsein. Daß die Einzelnen dabei bereits eigene Strategien entwickelt haben, läßt sich deutlich erkennen:

Für Karin beispielsweise „is das abnehmen einfach .. ohne Sport zu treiben am leichtesten“ (600-601).

Im Fall von Niki ist die Figur zwar „absolut kein Todesthema“ (305), er versucht aber „langsam und gemütlich .. es mit Ernährung und ein bißchen Bewegung auszugleichen“ (305-306).

Daß auch Robert ganz bewußt auf seine Figur achtet und sogar sein eigenes Idealgewicht zu haben scheint, bringt er hier zur Sprache:

dann, wenn ich wieder meine sechsundsiebzig Kilo hab da werd ich mich auch wieder zamtun, iß ich auch nicht übermäßig viel dass ich noch dicker werd also so .. na ich will nur mein Idealgewicht haben, ich will kein Untergewicht und kein Übergewicht haben ..“ (Robert 405-408)

Jürgen hingegen macht das schon etwas anders. Auch er will „scho irgendwie in Form bleibn“ (211), denn „es is afoch schiach, wenn ma blad is“ (213), doch für ihn ist heute im Gegensatz zu früher nicht die Ernährung, sondern der Sport der Weg zu diesem Ziel:

Jo fria .. hob i scho gsogt, i iß jetzt weniga und so an Bledsinn oba .. man muaß afoch nur a bißl an Spurt mochn .. i geh jetzt a mol in da Wochn trainieren .. und am Wochenende hob i a Match .. und amol geh i ins Fitneßcenter mit’m Fuaßbollverein .. und des reicht ..“ (Jürgen 216-218)

Machmal denkt er sich allerdings schon, „i mog nit geh und so, oba donn überwindest die hoit“ (Jürgen 222).

Auch Michael versuchte es schon mal mit Sport und ist „z.B. a Zeit lang laufen gangen“ (558), gab das dann aber auf, weil er nicht „immer mit dem Gedanken der besseren Figur vor Augen laufen kann“ (559). Inzwischen ist er davon überzeugt, daß Sport für’s Abnehmen „nit wirklich viel bringt“ (573), sondern „eher beim Essen drauf schauen, daß man dann aufhört, wenn man satt is“ (575).

Schließlich bringt Philipp noch zur Sprache, was er tun würde, wäre er einmal zu dick:

ich mein wenn ich dick werd, ja, dann .. würd ich mir vielleicht schon denken, daß ich ganz gern abnehmen würd aber, ich hatte noch nie irgendwie das Problem, aber ich glaub ich würd schon drauf schauen, daß ich abnehmnen würd, ja.“ (Phillip 556-558)

 

b. Ich hätte schon gerne eine „bessere“ Figur.

Hier zeigt sich, daß bei einigen Interviewten in bezug auf ihre eigene Figur überaus hohe Ansprüche vorhanden sind, die, wenn sie nicht erfüllt werden, oftmals ein großes Unzufriedenheitspotential verursachen. Alle scheinen dabei genaue Vorstellungen ihres eigenen Ideals zu haben, nur Carina und Karin orientieren sich dezidiert an vorgegebenen gesellschaftlichen Idealen.

Elisa beispielsweise meint, daß sie sich „halt manchmal ärgert“ (206), daß sie „halt nicht so eine perfekte Figur hat“ (207).

Carina scheint sich aufgrund drei zugenommener Kilo bereits ein wenig vor dem Sommer zu fürchten, wenn sie meint:

ich hab ja vorhin zu dir gesagt ich hab .. drei Kilo zugenommen, oder zwei .. nein drei .. ähm .. also es is schon wichtig, vor allem wenn dann .. wenn der Sommer kommt und ich mir einfach denk .. pfah, Mädl, scheiße ..“ (Carina 601-603)

Wenn sie „dann die Models“ sieht, „wo das wirklich .. in einer Linie verläuft .. wo das Becken wirklich .. so is“ (610) dann denkt sie sich „schon pfoa, ich will auch“ (611). Sie hat dabei ihre „gewissen Punkte“ (613) vor Augen, wo sie sich „jeden Tag ärgern könnt“ (614). Da denkt sie sich dann „schon teilweise, da müßt man was ändern“ (613). Als sie einmal nur „siebenundvierzig Kilo oder so gehabt“ (640) hat, hat sie sich „richtig gut gefallen“, da waren zwar trotzdem noch ihre „Stellen“ (641), wo’s hätt „noch ein bißchen weniger sein“ können, doch damals hat sie sich wirklich „am besten gefallen“ (644).

Karin, der die Figur „ur wichtig“ (551) ist, „war eine Zeit lang schon fast dran, magersüchtig zu werden“ (552-553). Jetzt ist sie hingegen der „ur Frustfresser“ (555) und gleichzeitig schon „dieser Modelfigurfanatiker“ (557). Daß sie mit ihrer Figur jetzt nicht gerade zufrieden ist, zeigt sich an anderer Stelle:

Weil ich mir selber damit nicht gefall .. weil ich einfach seh wenn .. wie ich die Sachen jetzt angeschaut hab .. die ich angezogen hab wie ich eben .. so viel abgenommen hab .. denk ich mir auch wau, da hab ich einmal rein gepaßt und jetzt .. gar nicht mehr .. und da war ich so fertig, daß ich die ganzen Sachen meiner Schwester geschenkt hab ..“ (Karin 559-572)

Auch Nikis Ansprüche hinsichtlich seiner Figur scheinen recht hoch zu sein:

wobei’s mir ehrlich gesagt nie gelingt, daß ich wirklich daß ich meine .. meine Traumfigur, die ich vielleicht gerne hätte .. so weil irgendwann will ich doch immer wieder nur siebzehn und irgendwas .. Kalorien jetzt essen .. aber .. ja das gehört halt scheinbar auch zu mir dazu ..“ (Niki 306-310)

Robert schildert seine Unzufriedenheit aus einer anderen Perspektive heraus, er findet sich zu dünn und entspicht deshalb nicht seinen scheinbar individuellen Idealvorstellungen, weshalb er sich „nicht so wohl“ (397) fühlt:

weil ich hab jetzat, ich hab sechsundsiebzig Kilo ghabt .. hab aber abgnommen und bin dadurch schlanker worden .. ja und jetzta tu ich natürlich alles wieder, dass ich die sechs Kilo wieder zunehm, weil ich find fünfundsiebzig, sechsundsiebzig Kilo is eh ‘s Ideal und die brauch ich wieder weil sonsta, weiss nicht, wenn ich mich in Spiegel schau oder so und ich seh da schon die Knochen und so, pf, brauch ich nicht .. muss einfach, a bissl stämmiger muss i schon, sollt ich schon sein ..“ (Robert 388-393)

 

c. Da hab ich schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich zuviel eß.

Daß „undiszipliniertes“ Eßverhalten Frustrationsgefühle hervorrufen kann, zeigt sich nur bei Carina und Elisa besonders ausdrücklich.

Carina spricht dabei direkt ihre mangelnde Fähigkeit zur Diszplin an:

na also wenn ich jetzt einen Gusto auf ein Magnum hab, und ich mir denk, poah Mädl, du solltest nicht, aber ich hab einen Gusto, sag ich trotzdem meiner Mutter, Mama kauf mir ein Magnum ja .. aber .. natürlich, wenn ich dann das Magnum eß, denk ich mir schon pfoa scheiße, aber ich eß es trotzdem .. also insofern .. hab ich leider nicht da .. diese Überwindung zu sagen, nein ..“ (Carina 619-623)

Bei Elisa ruft das schon etwas heftigere Phantasien hervor. Wenn sie „zuviel gegessen“ (186) hat, denkt sie sich schon, daß sie „das jetzt gern alles rauskotzen“ (187) würde, meint aber, daß sie das „nicht machen“ (188) würde, auch wenn sie gerne „dünner wär“ (189).

 

 

2. 2. 2. Individualität als subjektives Bedürfnis

Individualität als subjektives Bedürfnis

a. Die Masse ist fad und uninteressant.

b. Ich möchte schon zeigen, daß ich was Besonderes bin.

c. Es ist mir wichtig, meinen eigenen Stil zu haben.

d. Die Kleidung sollte zu meiner Persönlichkeit passen.

In der Unterkategorie Individualität als subjektives Bedürfnis sind jene Aussagen zusammengefaßt, in denen die Interviewten Bedürfnisse nach sozialer Differenz bzw. Einzigartigkeit oder Unverwechselbarkeit hinsichtlich der eigenen Selbstdarstellung artikulieren.

 

a. Die Masse ist fad und uninteressant.

Die negative Bewertung von Masse mit den Attributen „fad“ und „uninteressant“ steht in den folgenden Passagen eng in Zusammenhang mit dem Wunsch, nicht eine/r unter vielen zu sein.

Weil das Ganze „so eine Einheit“ (152) ist, will beispielsweise Philipp, „daß sich jeder individuell kleiden sollte“ (153) und es gefällt ihm, wenn die Leute „ihren eigenen Style haben“ (163). Er findet es „viel cooler, wenn’s da verschiedene Leute, also auch verschiedene Typen gibt .. viel interessanter“ (160-161).

Bei Karin äußert sich diese Ablehnung der „Fadheit“ der Masse in einem Gefühl der Verachtung:

also wir haben dann manchmal auch so Tage, wo wir uns echt denken .. o.k .. wir verachten diese Leute zwar .. diese Masse .. also .. verachten is übertrieben aber .. es is einfach nicht unseres und .. wir finden das einfach fad, was die machen ..“ (Karin 474-476)

Andererseits denkt sie sich auch, „daß die ganzen Leute, die einfach der Masse nachrennen, auch nicht drüber nachdenken, was sie selber denken“ (29-30). Ihrer Meinung nach ist es auch „einfach leichter, mit der Masse mitzulaufen“ (31).

Auch bei Kerstin ist der Begriff der Masse negativ konnotiert, sie assoziiert damit jedoch eine andere Bedeutung als Karin:

Masse hat schon immer irgendwie was negatives .. weil du einfach kein Individuum mehr bist .. du bist Teil der Masse ..“ (Kerstin 756-757)

 

b. Ich möchte schon zeigen, daß ich was Besonderes bin.

Die hier folgenden Aussagen bauen sozusagen auf den eben dargestellten auf. Hier zeigt sich das Bedürfnis, nicht eine/r unter vielen zu sein im Wunsch, besonders, einzigartig und außergewöhnlich zu sein.

Carina beispielsweise „will schon besonders ausschaun“ (358). Welche Überlegungen sie diesbezüglich anstellt, zeigt sich im Folgenden:

ich möcht jetzt nicht die Mode tragen, die dann auch wirklich jeder trägt .. also ich will natürlich mit der Mode gehen .. aber natürlich nur so weit mit der Mode gehen .. ähm .. daß ich nicht ausschau wie jeder .. also würd ich sehen, wenn ich Mode trag .. und das tragen alle hunderten Leute in der Straßenbahn auch .. würd ich natürlich irgendwas ändern, weil ich nicht der Mensch bin, glaub ich, der ausschaun will wie jeder .. weil .. ich weiß nicht, das wär mir einfach zu einfältig .. aber es war bei mir bis jetzt noch nit so, daß ich mir irgendwie gedacht hab .. Gott, das hat ja wirklich jeder .. oder so zieht sich ja wirklich jeder an .. also hätt ich .. das irgendwie bemerkt oder .. hätt ich das Gefühl gehabt, daß es so is .. hätt ich sicher was geändert .. aber bis jetzt hatte ich noch nicht das Gefühl ..“ (Carina 358-367)

Karin will bei ihrem Aussehen und ihrer Kleidung „dieses Künstlerische ein bißl rüberbringen“ (43), auch um damit zu zeigen, „daß es einfach was Besonderes oder Einzigartiges is, das nicht alle haben, sondern .. daß es was eigenes is“ (Karin 44-45). Dabei will sie „ja nicht gegen die Masse sein“ (83), sondern sie „will anders sein als die Masse“ (84).

Daß auch Philipp seine Einzigartigkeit mit seinem Aussehen zu unterstreichen versucht, wird hier deutlich:

wenn’s eben diese verschiedenen Sparten gibt, dann kannst du eben grad dann zeigen, daß du .. ähm .. wenn du dich eben dann total anders anziehst, als die alle zusammen und daß du dann .. dann kannst du eben genau dann noch zeigen, daß du, daß du irgendwie was Außergewöhnliches bist, so vom Anziehen ..“ (Philipp 304-308)

Niki wiederum versucht „nicht krampfhaft einzigartig zu sein“ (88), weil er „weiß“, daß er es ist, „und daß es auch jeder andere Mensch is“ (89), andererseits ist es ihm „auch wichtig, daß man das auch merkt“ (90).

 

c. Es ist mir wichtig, meinen eigenen Stil zu haben.

In den hier zusammengefaßten Textpassagen liegt der Schwerpunkt darin, die eigene Besonderheit auch durch einen eigenen Stil zu unterstreichen und nach außen zu repräsentieren.

Niki beispielsweise repräsentiert seinen „eigenen Stil […] mit Kleidung“ (84) und mit seiner „eigenen Körpersprache und so wie“ (85) er halt ist. Um dieses Ziel zu erreichen, kauft er sich „ganz ganz ausgesuchte Sachen“ (183). Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei auch seine Frisur ein, wenn es heißt:

manchmal wenn ich mir meine .. ich hab ja gelernt, meine Haare herzurichten, das heißt ich hab ja eine ganz eigene Haarfrisur .. hast du sicher auch gesehen gell .. im Geschäft .. und .. das hat sonst niemand, den ich persönlich kenne .. und damit identifizieren mich auch viele, aber ich .. ja .. also mir .. ich möchte niemand wirklich was nachmachen, sondern ich möchte eigene Sachen kreieren .. eigene Kombinationen, was anzuziehen und so ..“ (Niki 109-114)

Für Karin stellte das Durchlaufen von verschiedenen Stilen einen Entwicklungsprozeß dar, der sie schließlich zu ihrem eigenen Stil brachte:

also das hat sich ur entwickelt .. von diesem Provozieren in dieses Ausprobieren von verschiedenen Stilen und so .. daß ich mir dann am Schluß .. von allem ein bißchen so zusammengemischt hab .. und .. mir das dann auch weiter geholfen hat .. mich selber irgendwie .. wieder was Neues dadurch zu machen ..“ (Karin 138-141)

Auch Elisa und ihre Freundinnen scheinen das Bedürfnis nach sozialer Differenz durch den eigenen Stil ausdrücken zu wollen, wie sich in folgender Schilderung zeigt:

ja, aber wir haben irgendwie unseren eigenen Stil entwickelt, halt nicht so wie die anderen .. und .. ja, weil wir .. ja ich weiß nicht, wie soll ich das sagen .. ja unsere Persönlichkeit halt da auch irgendwie ausdrücken wollen ..“ (Elisa 21-23)

Für Kerstin scheint es ganz natürlich zu sein, daß „mit der Zeit jeder seinen Stil entwickelt“ (115). Das zeigt sich z.B. auch darin, daß sie „von dera Gruppe […] immer so ein bißl aus der Reihe gfalln“ (813) ist, „immer ein bißl anders“ (814) war. Den eigenen Stil bereits entwickelt, möchte sie diesen jetzt ganz einfach „beibeheben“ (38).

Petra bringt in diesem Zusammenhang noch einen anderen Aspekt zur Sprache, nämlich daß die Imitation des eigenen Stils durch andere die eigene Einzigartigkeit zu bedrohen scheint:

es gibt halt Leute, die sich aufregen, wenn jemand so einen ähnlichen Stil hat und es dann heißt ja, du machst mir alles nach ..“ (Petra 173-174)

 

d. Die Kleidung sollte zu meiner Persönlichkeit passen.

In den nun angeführten Interviewauszügen liegt das Augenmerk auf einer Kongruenz zwischen dem Kleidungsstil und einem eigenen Persönlichkeits- bzw. Ich-Gefühl.

Niki beispielsweise ist „der Meinung, es gibt ein paar Sachen, die jeder Mensch halt tragen sollte“ (22), weil „die halt persönlich zu ihm passen“ (23). Für sich selbst geht er dabei mit einiger Sorgfalt vor:

also ich persönlich trag immer nur .. ein paar Sachen […] und die hab ich mir genau ausgesucht und die passen zu mir ..“ (Niki 25-26)

Um dieses Ziel bestmöglichst zu erreichen, entwickelte er sich sogar eine eigene Kaufstrategie:

ganz ganz schnell das Geschäft durchgehen .. alle Sachen anschaun und aus einer Emotion heraus das eine, was dir .. was die erste Emotion, die du hast bei einem Kleidungsstück, sofort kaufen ja .. weil weil das Unterbewußtsein entscheidet das viel schneller, was zu dir paßt .. als du selber ..“ (Niki 193-196)

Carina scheint ebenfalls davon auszugehen, daß nur ganz bestimmte Sachen zu ihr passen. Auch wenn ihr bestimmte Stücke gut gefallen, entscheidet letztlich doch die Stilkompatibilität:

und das würd ich halt nicht tragen, nicht weil’s mir nicht gefällt .. sondern, weil’s einfach nicht zu meiner .. zu meinen Sachen paßt .. und ich find es paßt auch nicht zu mir ..“ (Carina 265-268)

Bei den letzten beiden Passagen von Robert und Karin hingegen scheint es direkt um ein „Ich-Gefühl“ zu gehen, das sich im Kleidungsstil widerspiegeln sollte:

weil ich denk ma, des bin ich und ich zieh an was mir gfallt und ich zieh an was mir passt und so ..“ (Robert 181-182)

dadurch daß ich so viele Stile auch ausprobiert hab hab ich echt Garnituren von Gewand .. nicht mehr angezogen weil .. weil das einfach nicht ich war ..“ (Karin 401-402)

 

 

2. 3. Widersprüche

Die im nun dargestellten Schwerpunkt Widersprüche zusammengefaßten Aussagen beziehen sich auf die doppelte Bedeutung dieses Begriffes, nämlich im geläufigen Sinne wie auch in jenem von Widersprechen. Im Bezug auf das Widersprechen werden zwar bestimmte Selbstdarstellungspraxen ausdrücklich kritisiert, deren Reproduktion steht andererseits aber im genauen Widerspruch zur Kritik. Hier werden vier Unterkategorien unterschieden, die in der folgenden Grafik dargestellt sind:

 

2. 3. 1. Kritik an der Ästhetik

Kritik an der Ästhetik

a. Aussehen wird überbewertet.

b. Die Gruppen haben oft überhaupt nichts mehr miteinander zu tun.

In der Unterkategorie Kritik an der Ästhetik wird ob der übermäßigen Wichtigkeit, die Aussehen und Äußerlichkeiten allgemein genießen, ein gewisser Unmut geäußert.

 

a. Aussehen wird überbewertet.

Die hier wiedergegebenen Aussagen veranschaulichen das Spannungsfeld zwischen der schon dokumentierten Wichtigkeit von Aussehen für die Betroffenen und deren Erkenntnis, daß diese Wichtigkeit aber durchaus auch negative Konsequenzen hat.

Petra und Michael artikulieren z.B. ihre Vorbehalte gegenüber der Wichtigkeit von Äußerlichkeiten dahingehend, daß bei einer derartigen Bewertung die Menschen in den Hintergrund geraten:

äh, weils ja eher wichtiger ist jetzt, was die Leute zu sagen haben und nicht wie sie ausschaun.“ (Petra 44-45)

„weil sie wahrscheinlich .. eher den ersten Eindruck entscheiden lassen .. was bei mir eher anders is, weil .. ich kann von keinem Menschen was sagen, solang ich ihn nicht kenn ..“ (Michael 121-122)

Aussehen is wichtig“ (239) meint hingegen Carina, und zwar „um sich selbst darzustellen, wie man is .. aber es soll nich überbewertet werden“ (240). Daß es ihrer Beobachtung nach jedoch oftmals überbewertet wird, bringt sie an anderer Stelle zum Ausdruck:

ich weiß nicht, da gibt’s ja die ganzen deutschen Talkshows .. und wo sie dann meinen ja, ohne meinen Ralf Lauren Pulli fühl ich mich nicht wohl, da denk ich mir .. pfoa bitte, dieses kleine Pferderl auf dem scheiß Pulli .. ich mein ich hab auch Ralf Lauren Pullis .. aber .. ich glaub ich fühl mich nicht schlechter oder besser nur weil ich heute einen Ralf Lauren Pulli anhab .. also .. find ich gestört ehrlich gesagt .. also auch dieses ganze Marken-Gescheiße .. und wo gehst du hin einkaufen ..“ (Carina 243-248)

Niki wiederum rückt die Dynamik der Modeindustrie ins Blickfeld, indem er von „künstlich hergestellten Models“ (74) und „den ganzen Stars“ spricht, „von denen jeder redet“ (75), was er „zutiefst lächerlich“ (76) findet, denn seiner Meinung nach ist „perfektes Aussehen […] absolut nicht möglich und auch nicht wichtig“ (77).

Philipp hingegen kritisiert die rein äußerliche Beurteilung von Menschen anhand eines Beispiels aus der Berufspraxis seines Vaters:

ich mein, das is schon eine oberflächliche Einstellung, wenn einer .. von meinem Vater, wenn da einer reinkommt und der ein bißl komisch angezogen is und kein Sacko an, und hat keinen Anzug an .. und deswegen stellt er ihn nicht ein .. dann is das, da denk ich mir, es werden nicht alle so sein wie mein Vater .. ja .. und auch mein Vater hat mir probiert, das einzutrichtern, daß es nur so geht und nicht anders ..“ (Philipp 799-803)

 

b. Die Gruppen haben oft überhaupt nichts mehr miteinander zu tun.

Die nun folgenden Textstellen kreisen um die Thematik der Abgrenzung von bestimmten Gruppen und die Reproduktion sozialer Grenzziehungspraxen. Kritisiert wird dabei die daraus resultierende Be- bzw. Einschränkung.

Carina bringt in den folgenden zwei Ausschnitten die selbst erlebte Unüberbrückbarkeit zwischen bestehenden Gruppen auf den Punkt:

ich find z.B. auch diese .. ich nenn sie immer Kiffer, das klingt total minderbewertet, aber das is nicht so gemeint .. halt die mit den Dreads und die mit den Bändern in den Haaren und die .. wirklich mit der abgefuckten Jean und den Nieten auf den Gürteln und so .. das find ich so süß, ich find die zum Auffressen ja .. aber das stört mich dann halt wieder an diesen Klischees, die würden mich nie kennenlernen wollen, weil ich eben die bin mit hohen Schuhen .. und .. keine Ahnung, auch eventuell mit Poloshirts .. oder so und .. wir würden da nie zusammenkommen, aber ich find sie trotzdem schön, so wie sie angezogen sind .. also .. ich würd sagen, ich bin jemand, der total .. so ausschaut, als würd er nur auf eine Linie stehen .. vom Gewand, aber eigentlich total vielseitig bin .. und ich da auch, oft auch bedauer, daß ich deswegen Leute nicht kennenlernen kann, weil das Ganze eben so eingeschnürt und eng immer behandelt wird ..“ (Carina 205-215)

Und weiter:

und ich denk mir, daß es einfach auch interessant is, solche Leute kennenzulernen .. nur durch dieses ewige Klischee, das sind die Skater, das sind die Snobs, das sind die Abgefuckten und das sind die Punks .. und keine Ahnung (…) wie sie alle heißen .. das find ich einfach blöd .. ich mein, teilweise is es sicherlich auch besser, weil .. ähm .. sich die Leute glaub ich .. gegenseitig angreifen würden (…) daß es vielleicht auch deswegen hier und da besser is, wenn’s ein bißchen getrennt is, auch mit den Orten zum Weggehen und so .. aber teilweise denk ich mir, es wär einfach besser, wenn’s irgendwas gäbe, wo einfach jeder zusammenkommt und .. jeder sein kann wie er will .. und es eben nicht so is, ja Gott, schau dir die Tussi an oder schau dir den Skater an und woah, is doch zum Kotzen ..“ (Carina 227-239)

Weil es dann echt immer nach der Musik oft geht“ (10) hat auch Karin das Gefühl, daß „sich so Gruppen bilden, die miteinander überhaupt nichts mehr zu tun haben“ (11-12), was zur Folge hat, „daß man denen gegenüber auf Distanz geht“ (14) und zwar „ohne, daß man weiß, was die wirklich sind“ (13). Sie möchte aufgrund dieser „ganzen Klischees“ (101) nicht „dieses unter Anführungszeichen Verbot“ (102) haben, „in verschiedene Lokale und Gruppen nicht reingehören zu dürfen“ (102-103).

 

 

2. 3. 2. Individualität als Vereinzelung

Individualität als Vereinzelung

a. Es versteht mich sowieso keiner, weil wir alle so individuell sind.

Auch in der Unterkategorie Individualität als Vereinzelung kommt ein Aspekt sozialer Grenzziehung zum Tragen. Die eigene Individualität scheint in ihrer Eigenschaft der Einzigartigkeit zu Erlebnissen der Nicht-Kommunizierbarkeit zu führen.

 

a. Es versteht mich sowieso keiner, weil wir alle so individuell sind.

Das Gefühl der eigenen Komplexität scheint Carina zu dem Schluß zu verleiten, daß sie sich selbst am nächsten steht:

ich mein, teilweise denk ich mir .. es denkt keiner so kompliziert wie ich und ich werd nie eine beste Freundin haben .. weil ich immer glaub, meine beste Freundin bin immer ich selber, weil ich das Gefühl hab, es versteht mich sowieso keiner ..“ (Carina 40-42)

Sie glaubt zwar schon, daß „man einen Freund oder Freundin haben kann, die einem am nächsten steht, von allen anderen“ (128-129), gleichzeitig meint sie aber, „daß das nie gehen würde“ (131), weil „wir alle so individuell“ (131) sind und deswegen bezweifelt sie, „daß es so was wie eine beste Freundin gibt“ (132-133).

 

 

2. 3. 3. Widerstehen

Widerstehen

a. Wir wollen halt nicht irgendwelchen Gruppen untergeordnet werden.

b. Ich zieh einfach das an, was ich will.

In der Unterkategorie Widerstehen scheint seitens der Interviewten der Versuch im Zentrum zu stehen, sich gegen Zuschreibungen, Einteilungen und vordefinierte Stilrichtungen zu verwehren.

 

a. Wir wollen halt nicht irgendwelchen Gruppen untergeordnet werden.

Die Prinzipien „Einzigartigkeit statt Gruppennorm“ und „Selbstentfaltung durch Eigenständigkeit“ charakterisieren die folgenden Interviewfragmente.

Petra problematisiert die (äußere) Einteilung von Jugendlichen in Gruppen und erklärt sich als Reaktion darauf das Bedürfnis nach Differenz und Selbständigkeit, wie in angeführtem Zitat deutlich wird:

aber es sind eben diese ganzen Jugendlichen und so .. und die werden irgendwelchen Gruppen untergeordnet und das will man dann eigentlich auch nicht, weil man dann doch zu der Gruppe nicht dazugehören will .. und es aber so wirkt und und da will man halt anders sein, daß man zu gar nichts dazugehört und .. alles selber entscheidet und irgendwie .. irgendwie sollt man jetzt einen neuen Trend setzen oder so was ..“ (Petra 166-171)

An anderer Stelle versucht sie die Dynamik von Gruppenstil und Einzigartigkeit noch einmal auf den Punkt zu bringen:

also, die schaun halt, was jetzt ‚in’ ist und dann wolln sie das Gegenteil machen, damit sie wieder anders sind .. weil sie wollen ja wieder anders sein ..“ (Petra 208-209)

Michael, der „eher weit entfernt von Skater oder Raver oder was immer“ (200) ist und dem das „a nit wirklich“ (204) gefällt, meint, daß „nur weil andere das machen“ (205), er das nicht auch machen muß, denn schließlich will er „auch nit irgendwie in ein Muster reingeordnet werden“ (209).

Niki wiederum ist davon überzeugt, daß man/frau sich nur dann „im Leben richtig entfalten kann“ (95), wenn man/frau nicht „immer nur in einer Gruppe“ (97) mitgeht.

 

b. Ich zieh einfach das an, was ich will.

In den folgenden vier Aussagen thematisieren die Interviewten ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit von Stilvorgaben bzw. Gruppennormen.

Petra beispielsweise meint ganz selbstverständlich, sie ziehe „einfach die Sachen an“ (50), die sie „anziehen will und wenn das wen stört, dann“ (50-51) wäre das nicht ihr Problem. Außerdem informiert sie sich „da meistens gar nicht, was jetzt ‚in’ und ‚out’ ist“ (223), denn sie orientiert sich an dem, was sie mag und braucht „keine Liste dazu, ob das jetzt gut oder schlecht ist“ (227).

Auch wenn Freunde von Jürgen einen ganz bestimmten Stil verfolgen, scheinen für ihn seine eigenen Vorlieben Priorität zu haben, wenn er meint:

wenn du so bist, wie da Robert, der wos zerst do woa, der is nur auf Hardcore .. und ziagt sie genauso wie da Roland und die gonzn ondan Glozn on .. und i ziag mi net so on .. weil, des gfoit ma net so ..“ (91-93)

Für Carina schließlich steht ebenfalls das eigene Wohlfühlen im Vordergrund:

also wenn ich mich drin wohl fühl, is mir alles andere egal.“ (477-478)

 

2. 3. 4. Soziale Vielfalt statt Einfalt

Soziale Vielfalt statt Einfalt

a. Ich möchte mit meinem Aussehen die graue gesellschaftliche Norm sprengen.

Daß die eigene Selbstdarstellung auch ein Medium der Gesellschaftskritik sein kann bzw. auch den Versuch darstellen kann, Normen zu verändern, wird in der Unterkategorie Soziale Vielfalt statt Einfalt kurz angeschnitten.

 

a. Ich möchte mit meinem Aussehen die graue gesellschaftliche Norm sprengen.

Philipp verfolgt mit seinem Stil unter anderem auch das Ziel, die von ihm als starr und konservativ wahrgenommene Front der österreichischen Normen aufzuweichen. Dabei wünscht er sich eine Verschiedenheit von Stilen, die die vorherrschende Einheit sprengt, was an den zwei folgenden Interviewauszügen deutlich wird:

vor allem die ganzen Österreicher sind so, die schauen drauf, daß .. daß alle das, also halt die .. es gibt so viel konventionelle und konservative Österreicher, die alle drauf schaun, daß man ordentlich angezogen is und ja nicht abweicht von dem .. von dem normal, also halt von diesem ordentlich angezogen .. und .. ja und ich find’s irgendwie viel wichtiger, daß man der Gesellschaft zeigt, daß es so nicht weitergehen kann, sondern daß, daß wir mehr Farbe reinbringen müssen in das Ganze und deswegen sollt, deswegen find ich das voll cool, daß irgendwelche Leute, daß sich das langsam so entwickelt, daß die Leute eben .. sich .. ähm .. sich eben anders anziehen, nicht mehr so wie die, wie die herkömmliche Gesellschaft das will, sondern .. ähm .. daß sie sich eben ein bißchen freakiger anziehen ..“ (Philipp 116-125)

Er meint weiters:

und ich hab eben meinen Stil deswegen so gewählt, weil ich eben diese österreichische Gesellschaftsordnung oder halt Ränge sprengen will und nicht mehr will, daß alles nur nach einer Einheit verläuft und daß es nur so klappt, sondern ich will, daß es viele verschiedene gibt und deshalb gefällt mir das auch gut, daß es so viele Sachen gibt, wie Punks und Skater und daß es das alles gibt ..“ (Philipp 286-289)

 

weiter zu teil III


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