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VIII. Darstellung der Ergebnisse (Teil III)

 

3. Gesellschaft

Im Themenkomplex Gesellschaft lassen sich drei wesentliche Schwerpunkte unterscheiden:

 

3. 1. Praxen der Verantwortungszuschreibungen

Die im Schwerpunkt Praxen der Verantwortungszuschreibungen dargestellten Aussagen der Interviewten thematisieren Verantwortlichkeiten hinsichtlich des Verlaufs konkreter Individuallagen. Dabei lassen sich zweierlei Verständnisse von Verantwortlichkeiten erkennen, die sich jedoch in einem Gegensatz zueinander zu befinden scheinen: individualistische Zuschreibungen versus strukturelle Zuschreibungen, was in folgender Graphik veranschaulicht wird:

 

3. 1. 1. Individualistische Zuschreibungen

Individualistische Zuschreibungen

„Jeder ist seines Glückes Schmied“

Schicksal/Glück

a. Wenn man was wirklich erreichen will, kann man’s auch schaffen.

b. Wenn du wirklich willst, kannst du’s aus jedem sozialen und finanziellen Hintergrund schaffen.

c. Die Leute, die’s nicht schaffen, was aus ihrem Leben zu machen, sind selber schuld.

d. Man muß selber schauen, wo man bleibt.

e. Irgendeinen Job findet man ja immer, wenn nicht, ist man selber schuld.

a. Die, die einfach Pech oder Unglück haben, sind nicht selber schuld.

b. Vielmehr als Ehrgeiz und Glück braucht man nicht.

Die der Unterkategorie Individualistische Zuschreibungen zugeordneten Aussagen beziehen sich auf personalisierte bzw. individualisierte Verständnisse und Praxen der Verantwortungszuschreibungen.

Im Bereich „Jeder ist seines Glückes Schmied“ kommt dabei ganz deutlich zum Vorschein, daß gesellschaftlicher Erfolg bzw. Scheitern das Ergebnis individueller Leistungen bzw. Fehlleistungen ist.

Daß für den positiven Verlauf des eigenen Schicksals allerdings noch eine gute Portion Glück notwendig zu sein scheint, zeigt sich in den Textpassagen, die im Bereich Schicksal/Glück dargestellt werden.

 

 

3. 1. 1. 1. „Jeder ist seines Glückes Schmied“

a. Wenn man was wirklich erreichen will, kann man’s auch schaffen.

Nach dem Motto: Wo ein Wille, da auch ein Weg, sind in den folgenden Passagen vor allem zwei Aspekte besonders interessant. Zum einen zeigt sich, daß man/frau generell ein großes Maß an Willen braucht, um im Leben etwas zu erreichen, zum anderen scheint dieser Wille dafür eine regelrechte Garantie zu sein.

Michael beispielsweise ist der Ansicht, daß „man so viel machen“ (1163) kann, „wenn man einfach nur den Willen hätt und Lust hätt, was zu machen“ (1164) und „egal, was es is, man wird immer was finden, das einem Spaß macht .. mit dem man halbwegs ein Geld verdienen kann“ (850-851).

Auch für Robert kommt es „immer auf die Person selber drauf an, was sie erreichen will“ (907), denn seiner Ansicht nach stehen ja den meisten „alle Türen gleich offen und es kann a jeder reich werden“ (1208).Was den beruflichen Werdegang anbelangt, gibt er zwar zu Bedenken, daß es immer Leute gibt, „de was keine Berufschancen ghabt ham“ (1053), gleichzeitig denkt er sich aber, daß, „wenn’s wirklich wolln hättn dann hättn’s ses gschafft“ (1054), ihre Ziele zu erreichen.

Daß auch Jürgen von dieser Logik überzeugt zu sein scheint, zeigt sich an folgender Textsstelle:

oba so steht da scho olles offn .. wennst guat bist und wennst imma lernst und so .. donn wern da olle Türen offnstehn ..“ (Jürgen 602-603)

 

b. Wenn du wirklich willst, kannst du’s aus jedem sozialen und finanziellen Hintergrund schaffen.

Die hier zusammengefaßten Interviewauszüge stehen in einem ähnlichen Zusammenhang wie die eben dargestellten, neben dem Willen liegt hier allerdings noch ein weiterer Schwerpunkt in der von den Interviewten angenommenen Chancengleichheit trotz ungleicher Ausgangsbedingungen in bezug auf familiäre und finanzielle Verhältnisse.

Für Carina scheint letztendlich doch der eigene Wille, gepaart mit ein bißchen Talent, der wichtigste Faktor beim sozialen „Aufstieg“ zu sein:

ich glaub, es is natürlich für jemanden, der ein finanzielles .. Depot hat, das ausreichend is für jegliche Ausbildung, daß der’s leichter hat .. aber wenn jetzt ein Kind entsteht aus einer zerrütteten Ehe, der Vater is Säufer, die Mutter is Prostituierte .. und der hat einfach verdammt viel Grips und weiß, was er will .. dann wird der’s auch schaffen (…) ich glaub, wenn du’s wirklich willst und .. auch das Talent dazu hast, kannst du’s glaub ich aus jedem Elternhaus und finanziellen Feed-Back schaffen.“ (Carina 1068-1075)

Niki ist zwar davon überzeugt, „gerade wenn’s um Ausbildung geht, daß es oft eine Geldfrage is und daß dann die Leute bessere Chancen haben, die mehr Geld haben“ (979-980). Doch schließlich können auch „die Leute, die weniger Geld haben“ (982) es „trotzdem genauso erreichen“ (982), ja sogar „noch drüber hinaus gehen“ (983). Sie haben zwar „schwierigere Ausgangsbedingungen“ (985) und „müssen mehr tun“ (985), sie „können aber das Gleiche erreichen .. und darum geht’s auch“ (986). Er hat ja selbst „absolut bei Null angefangen“ (1004) und „kann trotzdem in zwanzig Jahren […] ein Millionär sein“ (1004-1005).

Ähnlich wie für Niki scheint auch für Jürgen festzustehen, daß die Ausbildungschancen unabhängig vom finanziellen Hintergrund sind:

oba .. auf’s Göd kummt’s glaub i net so füh o .. weil wennst unbedingt de Matura mochn oda studiern wühst, donn gehst hoit nebenher hackln […] suachst da hoit irgendan Studentenjob […] es geht a, wenn ma ka Göd hot, oda wenn ma net so füh Göd hot in da Familie ..“ (Jürgen 663-666)

Auch er meint bestimmt, daß, „wenn ma a Lehr mocht“ (735), man/frau „genauso füh erreichen“ (735) kann, „donn mocht ma a Meistaprüfung und donn mocht ma a Firma auf .. donn is ma jo genauso in dem Streß“ (736-337).

In den Aussagen von Michael und Kerstin lassen sich ebenfalls verblüffend ähnliche Ansichten erkennen. In bezug auf die Ausbildung ist Michael davon überzeugt, daß, „wenn jemand gerne eine höhere Schule besuchen möchte, aber arbeiten muß“ (1104), diese Person „sicher andere Möglichkeiten finden“ (1105) wird, „sich zu bilden, als die Schule“, z.B „in der Freizeit“ (1106). Und Kerstin meint dazu:

wenn jetzt ein Maurer Lehrling Jus studieren will, dann schafft er das auch irgendwie […] ob jetzt der finanzielle Background oder sonst irgendwas in die Richtung .. aber wenn wer Matura hat .. und .. ein reiches Elternhaus, dann is es sicher wesentlich einfacher zum irgendwas studieren, als wenn einer aus einer Arbeiterfamilie is .. aber wenn’s der aus der Arbeiterfamilie will, dann erreicht er das ..“ (Kerstin 937-943)

Schließlich gibt es ja „immer wieder Beispiele, wo Leute aus einem Umfeld, wo du das nie denkst, irgendwas .. werden oder irgendwas machen, was dir auch nicht denkst hättest“ (Kerstin 1982-1083).

 

c. Die Leute, die’s nicht schaffen, was aus ihrem Leben zu machen, sind selber schuld.

In den folgenden Textpassagen geht es nun nicht mehr um den sozialen „Aufstieg“, sondern vielmehr um den sozialen „Abstieg“, der von einigen Interviewten als selbstverschuldet bewertet bzw. erlebt wird.

Carina stellt diesbezüglich fest, daß Leute, die es nicht schaffen, etwas zu erreichen, weil sie „zu schnell aufgeben und zu wenig versuchen, das zu bekommen, was sie wolln“ (1158) und „einfach zu wenig Ehrgeiz haben […], selber schuld“ (1161) sind.

Robert hingegen spricht auf der Basis eigener Betroffenheit. Er kommt dabei zum Schluß, für sein eigenes „Versagen“ selbst verantwortlich zu sein. Er ist „halt selber schuld, daß“ (1070) er aus seinem „Leben nix gmacht“ (1070) hat, denn nur weil er „jetz a schlechte Vergangenheit“ (1071) hat, heißt das in seinen Augen ja nicht, daß er „zugleich a schlechte Zukunft haben muß“ (1072). Dieser Argumentation folgend bewertet er auch sein schulisches „Versagen“, wenn es heißt:

wenn ma was machen kann und man erreicht des aber nicht, dann hat man sicher selber irgendwas falsch gmacht .. so wie bei mir, ich denk ich hätt urhoch rauskommen können .. ich hätt reich werden können .. wenn ich in da Schule anzarrt hätt, also bin ich selber schuld dass ich in der Schule nicht anzarrt hab und dass i so schlecht in der Schul war ..“ (Robert 1090-1094)

Und etwas allgemeiner formuliert ist man/frau seiner Meinung nach „selber dafür verantwortlich, daß ma jetzta ka Hockn kriagt .. oder auf da Straßn landet“ (1099-1100).

In bezug auf Obdachlosigkeit bzw. Jugendobdachlosigkeit äußert sich auch Niki mit ähnlichen Worten, wobei bei ihm die Frage der Verantwortung bzw. der Schuld eher zwischen den Zeilen beantwortet wird:

eigentlich, denk ich mir .. solche Menschen hätten’s wirklich wesentlich leichter ja .. vor allem ich seh ja die Leute sind .. gesund ja .. zumindest machen sie den Eindruck .. sie sind jung .. sie sollten’s an und für sich schaffen, sich einen normalen Job zu verschaffen .. weil .. egal, was du arbeitest, aber Obdachlosigkeit is ja wohl wirklich keine .. kein Zustand, der erwünschenswert is für einen jungen Menschen ..“ (Niki 1108-1113)

Diesbezüglich denkt sich auch Kerstin „bei Obdachlosen […] öfters, sie könnten doch was machen“ (1036). Daß die für ihre Situation selber schuld sind, ist bei ihr „im Hintergedanken […] sicher immer ein bißl da“ (1045), auch wenn das „jetzt vielleicht beinhart“ (1049) klingt.

Schließlich meint Elisa, daß Obdachlose „nicht immer […] selber schuld“ (519) sind, dennoch fällt ihr „da auch nichts ein, warum nicht .. aber so eigentlich denkt man sich, sind sie schon selber schuld“ (519-520).

 

d. Man muß selber schauen, wo man bleibt.

Der Anspruch bzw. das Verständnis, daß jeder Mensch eigenverantwortlich für sein eigenes Glück schon selbst sorgen muß und dabei ziemlich alleine dasteht, wird in den hier dargestellten Äußerungen thematisiert.

Bei Niki beispielsweise hört sich das so an:

jeder Mensch ist für sein Leben selbst verantwortlich .. und jeder .. kein Mensch .. Glück kommt nicht zugeflogen ja .. das muß man sich einfach selber besorgen .. also man muß dafür sorgen, daß es einem gut geht ..“ (Niki 1140-1142)

In der Vorstellung von Michael kann jeder Mensch „natürlich ein bißi was für sich selbst tun“ (1177) und schließlich muß er selbst, auch „wenn er Pech hat […] immer noch das Beste draus machen“ (1178).

Ähnlich sieht das auch Kerstin. Es gibt zwar „immer ein Umfeld, in dem du aufwachst und Familie“ (1075), die „dir sicher auch Halt“ (1976) gibt, „aber schlußendlich is doch jeder dafür verantwortlich, was er macht“ (1976) und auch wenn es mal nicht so funktioniert, „kann man trotzdem versuchen, zum’s Beste draus machen“ (1078).

 

e. Irgendeinen Job findet man ja immer, wenn nicht, ist man selber schuld.

Die hier zusammengefaßten Aussagen betreffen nun nicht mehr derart abstrakte Themen wie den sozialen „Aufstieg“ oder „Abstieg“, „Erfolg“ oder „Mißerfolg“, sondern vielmehr jene ganz konkrete Problemstellung der Arbeitslosigkeit. Dabei läßt sich feststellen, daß Arbeitslosigkeit in den Augen der Interviewten ebenfalls ein selbstverschuldeter Zustand ist, da es ausschließlich im eigenen Ermessen der Person selbst zu liegen scheint, eine Arbeit zu finden bzw. zu behalten.

Obwohl zwar „immer ein gewisses Glück dazu gehört“ (879), kann man/frau sich laut Carina insofern vor Arbeitslosigkeit „schützen, indem man einfach eine gute Ausbildung macht, ehrgeizig is, einfach durchbeißt und einfach seinen Weg geht .. und dazu muß man halt einfach verdammt viel lernen“ (880-882). Abgesehen davon, daß hier wiederum der Wille und die eigene Leistungsbereitschaft ganz selbstverständlich der Weg zum Ziel sind, scheint damit für sie die Verantwortung einzig und alleine bei der Person selbst zu liegen.

Ähnlich sieht das auch Michael. Sich nicht hängenlassen und Energien mobilisieren wäre sein Vorschlag der Bewältigung dieser Problemstellung:

Ja indem man einfach nit so nachlässig is und .. genau das is das, was man, daß man nit .. daß man nit sagt, das is mir alles egal, so wie jetzt z.B., daß man sich nit hängen laßt, sondern daß man da rein paßt .. daß man einfach die Energie hat, das zu machen ..“ (Michael 856-858)

Petra, die sich jetzt zwar noch „nicht so viele Gedanken drüber“ (534) macht, spricht noch etwas anderes an. „Flexibel sein“ (539) ist zur Bewältigung bzw. Vorbeugung von Arbeitslosigkeit „auf alle Fälle […] sehr wichtig“ (539). Ihrer Meinung nach sollten die Betroffenen auch mehr Bereitschaft haben, die eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse über Bord zu werfen:

aber wenn man halt nicht das, was man machen möchte .. wenn man halt den Job nicht findet .. dann muß man halt irgendwie einen anderen finden .. ich denk mir, irgendwas gibt’s ja immer..“ (Petra 534-536)

Auch von Niki wird dieser Aspekt besonders betont, wenn er meint:

ich mein .. also wenn alle Leute die Einstellung hätten, daß sie sich halt irgendeinen Job suchen bevor sie keinen haben .. dann gäb’s wahrscheinlich keine Arbeitslosen, ja weil irgendetwas kriegt man einfach immer ..“ (Niki 671-673)

Und an anderer Stelle bringt er den Willen und die Leistungsbereitschaft zur Sprache:

Ja natürlich .. wenn man Kompromisse eingeht, wenn man flexibel is .. und wenn man motiviert is .. und angestrengt .. äh .. is, daß man sein eigenes Geld verdient, dann is es .. an und für sich .. ein bewältigbares Problem .. auf jeden Fall.“ (Niki 700-702)

Daß die Betroffenen „zu hohe Ansprüche stellen, in dem was sie tun wollen .. und sagen, i mach nur genau den Job und wenn’s den Job nicht gibt, dann mach i nichts“ (1069), heißt es auch bei Kerstin.

Ähnlich drückt das auch Elisa, die „irgendeinen Job […] schon kriegen“ (324) würd, aus:

ich denk mir, manche Arbeitslosen, die .. haben halt irgendwelche bestimmten Vorstellungen und daß sie halt deswegen .. ich mein, nicht jeder Arbeitnehmer oder, keine Ahnung, irgendwelche .. diese Schneearbeiter oder so, das bieten sie eh immer an, also es gibt eh oft irgendwelche Angebote, nur halt .. angenommen wird da nicht alles halt ..“ (Elisa 329-332)

Und schließlich meint dazu noch Jürgen, daß, „wennst unbedingt a Orbeit hobn wühst, donn findst a ane .. außa du bist hoit extrem deppert“ (400-401).

Robert hingegen nimmt in diesem Zusammenhang eine andere Perspektive ein, nämlich die des direkt Betroffenen. In seinem Fall scheint die stark betonte Eigenverantwortlichkeit dabei das Produkt bereits erlebter Praxis zu sein:

Man is selber dafür verantwortlich .. man is einzig alleine für sich selber verantwortlich und .. wenn ich jetza z.B. sag ich will hackln gehn dann schaff i des a wirklich ja nur ich bin arbeitsscheu ja und ja a bissl halt i man ich such schon, aber ich denk ma ich will net wirklich ja .. weil wenn man wirklich will dann schafft man’s auch .. des kann a jeder schaffen, Arbeit finden ..“ (Robert 525-529)

Andererseits gesteht er sich dann doch eine einzige Ausnahme für nicht selbst verschuldete Arbeitslosigkeit ein, nämlich jene des Firmenkonkurses:

Na des hab ich vorher schon gsagt des sin die wo die Firma in Konkurs geht dass die nicht selber verantwortlich sind .. nur die kenna a nix dafür z.B. jetza .. ja, des war jetzt .. na aber die sin ziemlich die einzigen was nix dafür können, wenn die Firma jetzta in Konkurs geht .. aber sonst würd’ma im Moment keiner einfallen ..“ (Robert 1225-1228)

 

 

3. 1. 1. 2. Schicksal/Glück

a. Die, die einfach Pech oder Unglück haben, sind nicht selber schuld.

Daß dem eigenen Willen bzw. der Leistungsbereitschaft allerdings auch Grenzen gesetzt sind, die nicht auf die realen sozialen Verhältnisse zurückgeführt werden, sondern auf abstrakte, ja geradezu unbeeinflußbare Kategorien wie Schicksal, Glück oder Unglück, kommt in den folgenden Interviewauszügen zum Ausdruck. Indem sich diese Kategorien der eigenen Einflußnahme entziehen, scheint sich der „Schuldspruch“ beim sozialen „Abstieg“ in einen „Freispruch“ zu verwandeln.

Carina stellt beispielsweise fest, daß, „wenn du noch so gescheit bist und einfach Pech hast“ (1160), es „auch nicht funktionieren“ (1161) wird. Und an anderer Stelle heißt es:

aber die Leute die .. die’s einfach nicht zambringen .. wegen Unglück oder, keine Ahnung, weil’s einfach nicht will, können nichts dafür ..“ (Carina 1162-1163)

Daß das allerdings kein generelles Zugeständnis zu sein scheint, zeigt sich darin, daß es ihrer Ansicht nach aber immer noch „auf die Person einzeln“ (1164) ankommt.

Auch Michael verwendet in diesem Zusammenhang den Pech-Begriff:

Ja .. das hat wahrscheinlich damit zu tun, daß man sich selbst nit .. daß man sich zu sehr gehen laßt .. oder es is einfach Pech ... was es großteils is wahrscheinlich ... das glaub i, kann ziemlich schnell gehen ..“ (Michael 1152-1154)

Karin wiederum meint, daß es „auch verschiedene Schicksalsschläge“ (1002) sind, die die jeweilige Person „einfach nicht mehr weiter machen“ (1003) lassen und sie zum Aufgeben bringen. Und auch Niki hält fest, daß „manche Menschen […] einfach aufgrund des Schicksals keine Chance bekommen“ (1154) haben, „zu überleben“ (1155).

Elisa entläßt die Leute ebenfalls aufgrund von mangelndem Glück aus der Eigenverantwortung, wenn sie meint:

es kann auch sein, daß .. ich mein, wenn man halt kein Glück eben hat, daß das nicht seines, also selber schuld is ..“ (Elisa 511-512)

Robert hingegen verwendet dafür keinen abstrakten Begriff, sondern führt ein direktes Beispiel an, das ihn aus seiner Eigenverantwortung entheben würde:

nur wenn ich jetzt z.B. über die Straße geh und mi führt a Auto nieder und ich sitz im Rollstuhl oder so .. dann bin ich sicher nicht selber schuld, des is scho klar ..“ (Robert 1088-1089)

 

b.Vielmehr als Ehrgeiz oder Glück braucht man nicht.

Die folgenden Aussagen von Carina und Karin machen noch einmal deutlich, daß zur Erreichung ihrer Ansprüche und Ziele der Faktor Glück auf einer ziemlich hohen Stufe steht, ja geradezu auf der gleichen Stufe wie der Faktor Ehrgeiz und Willen.

Carina formuliert das folgendermaßen:

also ich bin nicht der Typ, der sich denkt woah scheiße scheiße scheiße .. also ich hoffe .. bald zu wissen, konkret, was ich will .. und das wer ich versuchen, durchzusetzen und jetzt wer ich dann halt hoffen, daß ich auch Glück hab, bei dem, was ich will .. und vielmehr als Ehrgeiz und Glück, glaub ich, brauchst du eh nicht .. und den Ehrgeiz kann man sich erarbeiten und das Glück .. hat man hoffentlich.“ (Carina 997-1001)

Und Karin meint dazu:

für mich gilt eigentlich der Spruch, wenn man das tut, was man wirklich mal werden will .. was man machen will .. man versucht sein Bestes in der .. Richtung zu geben .. dann kann man was erreichen .. kann man aber auch nichts erreichen .. das is einfach auch .. eine Glückssache ..“ (Karin 1017-1020)

 

3. 1. 2. Strukturelle Zuschreibungen

Strukturelle Zuschreibungen

Politische Verhältnisse

Grenzen eigener Einflußnahme

a. Bei Arbeitslosigkeit denk ich mir, daß auch teilweise unsere Politik schuld ist und unsere Wirtschaft. a. Vor Arbeitslosigkeit kann man sich nicht wirklich schützen.

b. Es kann ja jedem passieren, daß man aus allen Bahnen gerät.

Im Gegensatz zu den in der Unterkategorie Individualistische Zuschreibungen dargestellten Interviewpassagen beziehen sich die Verantwortungszuschreibungspraxen der Unterkategorie Strukturelle Zuschreibungen auf konkrete Zustände realer sozialer Strukturen, die dem Bereich Politische Verhältnisse zugeordnet werden, bzw. auf die eigene Ohnmächtigkeit gegenüber bestimmten sozialen Strukturen, die dem Bereich Grenzen eigener Einflußnahme zugeordnet werden.

 

 

3. 1. 2. 1. Politische Verhältnisse

a. Bei Arbeitslosigkeit denk ich mir, daß auch teilweise unsere Politik schuld ist und unsere Wirtschaft.

Wie bereits weiter oben gezeigt wurde, scheint Arbeitslosigkeit in erster Linie ein individuelles, persönliches Problem der davon betroffenen Person zu sein. Daß die Interviewten schließlich auch andere, strukturelle Faktoren im Sinne realpolitischer Praxen dafür zur Verantwortung ziehen, zeigen die folgenden Interviewauszüge.

Carina zufolge ist für die Arbeitslosigkeit „teilweise unsere Politik schuld […] und unsere Wirtschaft“ (1170), und sie hat dabei das Gefühl, „daß die einfach zu wenig auf andere Leute schaun“ (1172). Außerdem hält sie fest, „daß man einfach […] mehr auf’s Gesamte schaun sollte und nicht nur auf’s Einzelne .. also daß man sich hinsetzt und wirklich sagt, so und jetzt tun wir was“ (1174-1175).

Daß Arbeitslosigkeit mit der Wirtschaft zusammenhängt, wird auch von Petra festgestellt:

also so direkt weiß ich nicht, wer da verantwortlich is dafür aber .. aber es is halt irgendwie .. wirtschaftlich sicher auch irgendwas .. ich mein .. über Wirtschaft kenn ich mich irgendwie überhaupt nicht aus .. und ja .. wenn wenn da Arbeitsstellen abgebaut werden und so blöde Sachen  ..“ (Petra 883-886)

Philipp wiederum stellt einen Zusammenhang mit der Politik her und meint, daß Arbeitslosigkeit „mit der Politik“ (1099) zusammenhängt.

Kerstin zieht dafür den Staat zur Verantwortung, auch wenn für sie letztendlich die „faule“ Person selbst schuld zu sein scheint:

Das liegt sicher bei den Leuten, ja .. das liegt aber vielleicht auch ein bißl am Staat, oder wahrscheinlich am Staat .. arbeitlos halt werden dadurch, weil ma ihnen irgendwas streicht oder so .. oder irgendwas kürzt, sie aber trotzdem zu faul sind zum irgendwas anders machen ..“ (Kerstin 1052-1054)

Karin schließlich macht mangelnde Möglichkeiten in bezug auf die Ausbildung dafür verantwortlich, was sie zwar nicht direkt als politisches Problem thematisiert, sondern eher als strukturelles:

also Ausbildung is einmal ur wichtig .. solang man Ausbildung hat .. glaub ich, kann man nichts dafür .. wenn man nichts hat .. ich mein viele haben auch nicht die Möglichkeit ..“(Karin 805-807)

 

 

3. 1. 2. 2. Grenzen eigener Einflußnahme

a. Vor Arbeitslosigkeit kann man sich nicht wirklich schützen.

Daß Arbeitslosigkeit auch ein derartiges Problem sein kann, daß man/frau ihm geradezu ohnmächtig gegenübersteht, wird von Karin und Kerstin kurz angeschnitten.

Karin beispielsweise thematisiert dabei explizit die Grenzen eigener Einflußnahme, denn auch wenn „man irgendwie das tut, was man“ (800) tun sollte und „sich bemüht, das Beste zu geben“ (801), kann man/frau ja „trotzdem irgendwann arbeitslos“ (801) sein.

Kerstin formuliert das folgendermaßen:

Na .. du kannst schaun, daßt, wennst arbeitslos bist, was anders lernst währenddessen .. aber richtig davor schützen kann sich niemand ..“ (Kerstin 681-682)

 

c. Es kann jedem passieren, daß man aus allen Bahnen gerät.

Daß es schließlich jeder/m passieren kann, aus allen Bahnen zu geraten, gibt Petra zu bedenken, wodurch sie die Betroffenen nicht in die alleinige Verantwortung entläßt:

ich denk mir, es kann halt einfach irgendwie passieren, daß man .. ähm .. dann irgendwie aus allen Bahnen gerät und dann .. man halt niemanden mehr hat, der einem jetzt irgendwie hilft und .. also ich denk mir jetzt nicht, daß die Leute da immer selber schuld sind […] aber ich denk mir, mir könnt’s genauso passieren, daß jetzt irgendwas urschreckliches passiert .. und ich deswegen halt vielleicht obdachlos werd oder so ..“ (Petra 867-874)

 

3. 2. Bewußtsein sozialer Ungleichheit

Wie schon die Bezeichnung des Schwerpunkts Bewußtsein sozialer Ungleichheit verrät, geht es in den hier dargestellten Aussagen um soziale Verhältnisse, einerseits um ein diesbezügliches Bewußtsein und andererseits um deren Reproduktion, was in folgender Graphik veranschaulicht wird:

 

3. 2. 1. Bewußtsein

Bewußtsein

a. Es kommt drauf an, aus welchen familiären und finanziellen Verhältnissen man kommt.

b. Teilweise haben Männer heute noch immer mehr Vorteile, teilweise auch nicht.

c. Bei uns ist das mit der Kluft zwischen arm und reich eh noch nicht so stark.

d. Was mich besonders stört ist Armut und Hunger.

Obwohl die im Schwerpunkt Praxen der Verantwortungszuschreibungen dargestellten Textauszüge überwiegend die alleinige Verantwortung über den eigenen Lebensverlauf propagierten, zeigen die in der Unterkategorie Bewußtsein zusammengefaßten Aussagen, daß den Interviewten die ungleichen sozialen Verhältnisse durchaus bewußt sind.

 

a. Es kommt drauf an, aus welchen familiären und finanziellen Verhältnissen man kommt.

In diesem Abschnitt werden dabei die ungleichen sozialen Ausgangsbedingungen hinsichtlich der familiären und finanziellen Verhältnisse thematisiert.

Karin beispielsweise ist der Ansicht, daß die sozialen Chancen „hauptsächlich […] von der Gesellschaft […] auch von wo man kommt, wie man aufgewachsen is, was die Familienverhältnisse waren“ (1130-1131) abhängen. In diesem Zusammenhang führt sie folgendes Beispiel an:

und wenn man daherkommt und sagt ja .. o.k mein Vater war Alkoholiker und meine Mutter war Hausfrau .. ich glaub nicht, daß man dann .. weiß ich nicht .. irgendjemand .. wird, der wirklich .. den Ruhm erlangt, den jemand .. erlangt, der .. der aus einer reichen Familie kommt .. die schon angesehen sind .. also ich glaub, daß es auf jeden Fall leichter is, daß man aus solchen Verhältnissen kommt .. weil man einfach Leute kennt, die andere nie kennenlernen .. daß man einfach schon damit .. also wenn man jung is schon konfrontiert wird ..“ (Karin 1131-1238)

Leute zu kennen, irgendwelche Connections zu haben“ (1149) ist ihrer Meinung nach ein „großer Punkt“ (1149), weil diese den Leuten, die „aus ärmeren Verhältnissen“ (1150) kommen, fehlen. Außerdem hält sie fest, „daß ärmere Menschen von Anfang an mehr verachtet werden, als reichere Menschen“ (1151).

Ähnlich wie Karin sieht das auch Philipp:

Ja da gibt’s so ein paar Glückspilze halt, die .. entweder .. die entweder irgendwo hineingeboren werden und .. und dann, oder halt irgendwelche besonderen Connections haben ..“ (Philipp 948-949)

Er spricht allerdings noch andere Aspekte an. Zum einen ist seiner Meinung nach Ausbildung ein besonders wichtiger Faktor, denn wenn Eltern ihren Kindern „keine richtige Ausbildung geben haben können, dann wirkt sich das natürlich auf ihre Zukunft aus .. auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen“ (1087-1088). Zum anderen gibt er zu bedenken, daß es Leute, die „in der Jugend und in der Kindheit“ (1107) Probleme gehabt haben, „nicht so leicht haben werden und ihr Glück nicht so leicht schmieden können, als die, die eine erfüllte Jugend und Kindheit gehabt haben“ (1108-1109).

Niki und Elisa wiederum thematisieren in bezug auf die Ausbildung direkt das Fehlen finanzieller Ressourcen, wenn es heißt:

ich glaub schon, daß es .. daß .. gerade wenn‘s um Ausbildung geht, daß es oft eine Geldfrage is und daß dann die Leute bessere Chancen haben, die mehr Geld haben ..“ (Niki 979-980)

naja ich mein .. sicher, wenn man das Studieren nicht zahlen kann oder so, dann .. spielt‘s schon eine Rolle, wenn man nicht so viel Geld hat ..“ (Elisa 462-463)

Auch Michael thematisiert in diesem Zusammenhang die Bedeutung der finanziellen Ressourcen, die seiner Ansicht nach das Leben insofern erleichtern, als man/frau mehr Dinge ausprobieren kann, auch wenn’s vielleicht daneben geht:

Sicher, i mein .. es is, es is z.B. leichter, wenn man .. wenn man sich nit um‘s Geld sorgen muß .. sondern, wenn man einfach .. ja, wenn man den Background hat und wenn man weiß .. daß da jemand is oder .. daß man .. daß man einfach was riskieren kann ..“ (Michael 1036-1038)

Petra spricht ebenfalls diesen Aspekt an, wenn sie meint:

und wenn du jetzt nicht viel Geld hast dann .. überlegst du halt mehr, was du mit deinem Geld machst und .. kannst vielleicht Sachen, die du gerne machen würdest nicht so machen .. wie halt welche, die mehr Geld haben ..“ (Petra 723-725)

Sie scheint dabei aus eigener Beobachtung zu sprechen, denn ihre Mutter hätte „sicher früher wahnsinnig gern die Schule gemacht“ (578), die sie jetzt macht, nur „hat sie aber die Chancen nicht so gehabt“ (579).

 

b. Teilweise haben Männer heute noch immer mehr Vorteile, teilweise auch nicht.

In den hier zusammengefaßten Aussagen erscheint besonders interessant, daß die ungleichen Chancen zwischen Männern und Frauen zunächst eher negiert und erst in einem zweiten Moment deutlicher benannt werden.

Carina ist die Einzige, die mit voller Klarheit und Deutlichkeit den Aspekt sozialer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern anspricht:

weil, wir wissen alle, daß Männer mehr verdienen und daß Männer .. viel mehr Vorteile haben, als Frauen ..“ (Carina 1142-1143)

Nicht ganz so konkret, jedoch mit einer ähnlichen Erkenntnis äußert sich Kerstin dazu:

weil wennst dir so die Gesellschaft wirklich anschaust .. dann is es doch so, daß viel mehr Männer in den höheren Positionen z.B. sind als Frauen .. aber so .. im Grunde dürft eigentlich kein Unterschied sein .. ich weiß nicht was da .. ich mein das Bildungsniveau von beiden is sicher gleich .. oder relativ gleich ..“ (Kerstin 1017-1020)

Im Gegensatz dazu bleibt Philipp etwas vorsichtiger. Die Situation der Frauen von früher mit der von heute vergleichend zieht er eine positive Bilanz:

das war früher so .. also hört man immer so, daß früher keine Frauen .. ähm .. diesen und diesen Job machen haben dürfen .. oder halt, daß die, daß in den Siebzigern glaub ich war’s auch noch so, da wurde zu dieser Stelle keine Frau eingestellt, sondern nur Männer, aber jetzt heutzutage hat sich das .. voll gebessert, glaub ich ..“ (Philipp 1057-1060)

Nach genaueren Überlegungen räumt er jedoch ein, daß es heutzutage doch „noch nicht so weit“ (1065) ist, bleibt aber davon überzeugt, daß das „auch noch kommen“ (1066) wird, „so wie das kommen wird, daß die Leute sich dran gewöhnen werden, daß es Freaks gibt […] und daß es nicht mehr so Schichten gibt und so Einteilungen“ (1066-1068).

Ähnlich positiv sieht das auch Petra, obwohl „es wahrscheinlich noch nicht“ (848) ganz ausgeglichen ist, ist es zumindest schon „ausgeglichener als früher“ (848) und das „bessert sich sicher irgendwie, weil wenn die Feministinnen dann so kommen, dann muß sich das ja ausgleichen .. irgendwann mal“ (849-850).

Jürgen thematisiert in diesem Zusammenhang die geschlechtliche Trennung bestimmter Berufsstände:

irgenda handwerkliche Lehre .. do werden Frauen eher net so oft ongnomma als Männer .. weil i hob no net fülle KFZ Mechaniker oda Elektrika oda Spengla oda irgendwos gsegn, de wos Mädchen worn ..“ (Jürgen 746-748)

Andererseits macht auch er einen historischen Vergleich und kommt wie Philipp zu einer positiven Bilanz:

I waß net .. fria wor’s jo so, doß a Frau gor net in die Regierung geh hot diafn oda irgend so wos, denk i ma .. hob i amoi ghert oda glernt oder irgend so wos, i waß nimma .. und jetzt host eh scho a poa Fraun in da Regierung ..“ (Jürgen 754-756)

Auch Karin würde im ersten Moment nicht „sagen, Männer haben’s leichter“ (987), ja in ihrem Beruf „eigentlich so gut wie gar nicht“ (988), denn sie glaubt, daß das „bei Künstlern […] nicht wirklich so eine starke Rolle“ (991) spielt, im Gegensatz zu „Anwalt oder Richter oder solche Sachen“ (990), wo „man’s als Mann schon ein bißl leichter“ (990) hat. Andererseits stellt sie aber fest, daß sie „auch mehr Künstler als Künstlerinnen“ (992) kennt, also dürfte das „schon eine Rolle spielen, daß man sich da mehr behaupten muß“ (993) als Frau.

Niki schließlich äußert sich diesbezüglich eher unkonkret und scheint sich nicht richtig festlegen zu wollen, was dazu führt, daß er die Geschlechter punkto Ungleichheit auf eine Stufe stellt:

also wenn’s allgemein um’s Leben geht, glaub ich .. is es unterschiedlich, du hast als Mann Vor und Nachteile und als Frau hast du auch Vor und Nachteile ..“ (Niki 1073-1076)

Seiner Meinung nach gibt es einfach „viele Bereiche, wo du als Mann oder als Frau diskriminiert bist“ (1083), was er „geschißn“ (1083) findet.

 

c. Bei uns ist das mit der Kluft zwischen arm und reich eh noch nicht so stark.

Die ungleiche Verteilung der Ressourcen zwischen arm und reich wird hier nicht dezidiert als Problem thematisiert, sondern durch den Vergleich mit anderen geradezu relativiert, so, als sollten „wir“ doch froh sein, daß es „uns“ (noch) nicht so schlecht geht.

Philipp beispielsweise befürchtet in dem Sinne eine negative Vorbildwirkung der USA für Europa, als seiner Meinung nach dort, scheinbar im Gegensatz zu Europa, die Kluft zwischen arm und reich bereits voranschreitet:

die USA gilt, galt immer als fortschrittlich ja, für Europa eben .. und .. nicht nur im positiven Bereich, auch im negativen Bereich und deswegen könnte es sein, daß die Kluft zwischen arm und reich sich vergrößern könnte in den nächsten Jahrzehnten, ja ..“ (Philipp 1198-1201)

Kerstins Ansicht nach sind die Ressourcen „sicher nicht gleich verteilt aber die Unterschiede sind nicht so groß“ (1168). Auch sie macht dabei den Vergleich mit den USA bzw. dem „Rest“ der Welt und meint dazu:

ich mein im Vergleich zu Amerika oder USA oder sonst irgendwas is das doch eigentlich super, was wir haben .. also man muß immer den Vergleich bringen .. ich mein, jeder Einzelne motzt zwar in Österreich, aber im Prinzip, wennst es vergleichst mit der Welt .. is es doch trotzdem noch gut ..“ (Kerstin 1160-1163)

Auf der anderen Seite gibt sie aber zu bedenken, daß man/frau die Armut hier „eigentlich nicht mitkriegt“ (1180), denn „die Reicheren kriegst vielleicht noch aus den Medien mit, aber die, die wirklich tiefer sind, kriegst nicht mit“ (1180-1181).

Auch Jürgen und Robert ziehen ähnliche Vergleiche wie Philipp und Kerstin, für sie sind allerdings nicht die USA das abschreckende Beispiel, sondern die „Dritte Welt“ bzw. Kriegsgebiete. Jürgen bezeichnet es als „Glück“ (857), daß er „in Österreich geburn is, stott do irgendwo in .. do untn irgendwo, in den Ländern, wo’s net guat geht, in den Dritte Welt-Ländern“ (857-859). Robert formuliert das noch etwas genauer:

ich denk ma nur dass ich froh bin dass nicht mir so geht .. bin froh dass ich da bin und ja und […] dass ich was zum Essen hab und a Dach über’m Kopf hab und nicht in an Krieg bin oder irgendsowas ..“ (Robert 1140-1143)

 

d. Was mich besonders stört ist Armut und Hunger.

In den hier dargestellten Textpassagen hingegen wird Armut und soziales Elend als Ungerechtigkeit thematisiert, wobei wiederum der globale Kontext und nicht der eigene im Vordergrund zu stehen scheint.

Carina und Niki sprechen in diesem Zusammenhang das Elend in den „Dritte Welt-Ländern“ an:

besonders stört mich natürlich .. das mit diesen Dritte Welt-Ländern und so .. das stört mich natürlich voll .. weil ich das einfach das letzte find, daß man unschuldige Menschen vor sich hin vergammeln und versauern läßt, ja, nur weil die Politiker nicht fähig sind, eine gescheite Wirtschaft zu machen ..“ (Carina 1208-1211)

Hunger in der dritten Welt .. is für mich ein sehr wichtiges Thema .. und das denk ich auch oft .. es gibt natürlich viele Menschen, die finden das lächerlich ja .. aber ich bin immer noch der Meinung es gibt eine Milliarde Menschen auf der Welt, die hungern und die sind krank ja .. und .. es gibt ja eine Milliarde Menschen, die .. haben .. zu wenig zum Essen oder gar nichts .. oder .. haben auch nicht die Möglichkeiten, um sich zu verarzten etc. ..“ (Niki 1163-1168)

Petra hingegen bleibt etwas allgemeiner. Sie findet es „natürlich sehr ungerecht“ (953), „daß es halt Leute gibt, die hungern müssen“ (953).

 

3. 2. 2. Reproduktion

Reproduktion

a. Du lernst nur Leute kennen, die in deiner Umgebung sind.

b. Man läßt sich (unbewußt) von den Eltern beeinflussen.

c. Ich find’s o.k., daß die Schichten getrennt sind.

Daß und wie soziale Verhältnisse unbewußt und bewußt reproduziert werden, zeigt sich in den Interviewauszügen, die der Unterkategorie Reproduktion zugeordnet sind. Unbewußt in dem Sinne, als die scheinbare Unüberwindbarkeit sozialer Grenzen als Zufall oder als natürlich erlebt wird, bewußt in dem Sinne, als diese Grenzen Zugehörigkeiten schaffen.

 

a. Du lernst nur Leute kennen, die in deiner Umgebung sind.

Die nun folgenden Interviewausschnitte kreisen um die Ansicht, daß das Umfeld, in dem man/frau sich bewegt, quasi automatisch und „zufällig“ einen Zugang zu bestimmten Personengruppen schafft.

Carina beispielsweise meint, daß schon „allein die Schule […] nur Zugang zu begrenzten Leuten gibt“ (1113). Wäre sie „in einer öffentlichen Schule“ (1114), würde sie „jetzt sicher mehr Leute kennen, die eine Lehre machen“ (1114). Dadurch hat man/frau „einfach weniger Zugang zu den Leuten, die weniger haben“ (1117). Daß sie aber auch in der Freizeit immer unter „ihresgleichen“ bleibt, argumentiert sie folgendermaßen:

weil z.B. ich kenn auch .. ur wenig Lokale, wo einfach solche Leute sind .. weil ich einfach dort nicht hingeh .. aber nicht aus dem Grund, um diesen Leuten nicht zu begegnen .. sondern aus dem Grund, weil ich keine Freunde hab, die dorthin gehen.“ (Carina 1119-1121)

Sie meint, daß sie und ihre Familie ganz „einfach nur mit solchen Leuten zusammen sind, die dasselbe gemacht haben“ (1139) oder machen, andererseits erwähnt sie ganz selbstverständlich, daß sie auch „nicht in den zehnten Bezirk zu einem Heurigen“ (1140) fahren.

Auch Kerstins soziale Kontakte scheinen sich „zufällig“ nur auf gewisse Leute zu beschränken, denn sie war „einfach immer in so einer Gruppe drinnen […] wo jeder einfach maturiert hat oder studiert“ (990-991).

Petra hat ebenfalls „gar nicht so viel Kontakt zu Leuten“ (807), die eine Lehre machen, weil sie „einfach wirklich nicht viele“ (808) kennt. Ganz selbstverständlich scheint sie davon auszugehen, daß solche Leute einfach andere Interessen haben, weshalb sie lieber unter „ihresgleichen“ bleiben möchte:

und da is es dann halt irgendwie praktischer, weil man halt irgendwie ähnliche Interessen hat ..“ (Petra 833-834)

Auch für Philipp scheinen sich die sozialen Grenzen ganz „zufällig“ zu bilden:

ich glaub, das is einfach so, daß die Leute solche Leute einfach immer kennenlernen und die Leute, die eben hackln gehen, lernen die Leute kennen .. deswegen gibt’s wahrscheinlich auch .. ähm .. die diversesten Schichten eben, ja .. weil wenn das nicht so wäre, dann würde sich das Ganze ja auflösen, vielleicht .. ja ..“ (Philipp 1041-1044)

Nach genaueren Überlegungen nehmen seine Aussagen jedoch eine spannende Wendung. Er scheint sich darüber klar zu werden, daß auch er diese sozialen Grenzen unbewußt reproduziert, obwohl er das gar nicht will:

ich find das eigentlich gar nicht in Ordnung obwohl wir das ja eigentlich .. wie ich ja, wie ich jetzt grad draufgekommen bin, eigentlich unbewußt alle irgendwie machen .. also daß wir das unbewußt fördern .. obwohl wir das gar nicht wollen .. ich will das eigentlich, ich will das eigentlich überhaupt nicht, daß man so hinunterschaut und daß man denkt, das is einer aus der Arbeiterschicht oder so .. da bin ich ein totaler Gegner davon .. aber .. das passiert, das is interessant .. schade eigentlich ..“ (Philipp 1049-1054)

Robert hingegen kann sich das Bestehen ungleicher sozialer Verhältnisse „nicht erklären“ (962) und hat darüber „noch nie nachgedacht“ (963), auch weil es ihn „eben nicht interessiert hat“ (963). Allerdings möchte er mit Leuten, „die was a höhere Schul machen“ (966) ohnehin „auch gar net so viel zum tun haben“ (969). In diesem Zusammenhang stellt er beispielsweise auch fest, daß „keine Studenten oder so auf a Hardcore-Festl gehen“ (993), denn dort sind nur Leute, die „was normal arbeiten gehen, was a Lehre angfangen ham oder auch nicht oder arbeitslos sin“ (1000-1001).

 

b. Man läßt sich (unbewußt) von den Eltern beeinflussen.

Wie sich in den folgenden Textausschnitten zeigen läßt, ist der familiäre Hintergrund für den eigenen Lebensweg insofern von großer Bedeutung, als von den Interviewten die Vorstellungen bzw. der Lebensweg der Eltern scheinbar automatisch bzw. (un)bewußt übernommen und reproduziert werden.

Petra denkt sich, „daß man irgendwie schon ein bißchen von den Eltern beeinflußt ist .. jetzt unbewußt“ (746-747) und erwähnt diesbezüglich, daß sie „schon eher mehr geworden“ (755) ist wie ihre „Mutter“ (755), weil sie beispielsweise jetzt auch „in die künstlerische Richtung geht“ (754).

Philipp meint dazu, daß er „deswegen auch diesen Weg“ (973) eingeschlagen hat wie seine Eltern, weil er sieht, „wie gut’s den Eltern geht und daß sie eine coole Wohnung haben und gut leben“ (972).

Ganz ähnlich sieht das auch Carina:

meine Mutter is Lehrerin .. und ich will nie Lehrerin werden und .. ich weiß nicht, es hat mich in dem Sinn beeinflußt, daß ich weiß .. weil beide meine Eltern haben studiert .. ähm .. beide haben ihren Titel, beide .. haben so circa das geschafft, was sie wollten .. ähm .. ja natürlich denk ich mir dann auch .. irgendwie .. meine Eltern sind wer, es wär was anderes, wenn meine Mutter nie was gelernt hätte ja ..“ (Carina 1094-1098)

Weil in Kerstins „Familie alle maturiert haben“ (953), war das „irgendwie von vornherein schon klar“ (954), daß sie selbst auch Matura macht, diese Entscheidung „is eigentlich völlig automatisch abgelaufen“ (960) und sie meint selbst, daß das „im Unterbewußtsein“ (973) einfach wirkt.

 

c. Ich find’s o.k., daß die Schichten getrennt sind.

Daß die sozialen Verhältnisse nicht nur „zufällig“ und unbewußt reproduziert werden, zeigt sich hier vor allem darin, daß zwei der Interviewten die sozialen Grenzen, die ein Spannungsfeld von Differenz und Gleichheit bilden, positiv bewerten.

Für Michael ist es beispielsweise „irgendwie o.k., daß sich die Schichten trennen, weil sie nit miteinander auskommen“ (1146), merkt aber sofort an, daß er sich dadurch nicht „für was Besseres“ (1147) hält, denn für ihn hat das „nichts damit zu tun, daß sie arbeiten, sondern das hängt von der menschlichen Seite ab“ (1123). Er kennt zwar „wohl a paar Leute, die arbeiten, aber das is irgendwie nit so“ (1117) seines.

Auch Kerstins Aussage scheint in diesem Spannungsfeld von Differenz und Gleichheit zu liegen, wenn sie sagt:

Es sind sicher schon ein bißl .. Unterschiede da .. glaubt man zumindest .. es gibt sicher Lehrlinge, die ganz anders sind .. aber sicher hat jeder so sein Klischee, so mit einem Maurer kannst eh nicht reden oder so was ..“ (Kerstin 993-995)

Schließlich hält sie fest, daß „so eine wirkliche Ungleichheit […] da eh nicht“ (1003) herrscht und kommt zu dem Schluß, daß die jeweils „Gleichgesinnten“ einfach unter sich bleiben sollten, denn „die Lehrlinge sind auch unter sich und haben vielleicht gar nicht das Bedürfnis mit einem .. Studenten zu reden“ (1004).

 

3. 3. Positionierungen

Der Schwerpunkt „Positionierungen“ beinhaltet Interviewpassagen, in denen sich die Interviewten zu den für sie relevanten Themen und Praxen, die ihre Vorstellung von „Gesellschaft“ betreffen, positionieren. Die Vielfältigkeit der angesprochenen Themen zeigt sich in der komplexen Struktur, die hier graphisch dargestellt wird:

 

3. 3. 1. Erklärungsmodelle

Erklärungsmodelle

a. Vielen ist gar nicht bewußt, wie gut es ihnen geht.

b. Kapitalismus bringt eigentlich nur wenigen was.

c. Wohlstand und Reichtum für alle geht nicht.

d. Das Konkurrenzdenken ist sicher in uns drin, aber es wird auch sehr gefordert.

In der Unterkategorie „Erklärungsmodelle“ wird seitens der Interviewpersonen versucht, das Funktionieren von „Gesellschaft“ bzw. von Aspekten selbiger zu erfassen.

 

a. Vielen ist gar nicht bewußt, wie gut es ihnen geht.

Drei der Interviewten scheinen der Ansicht zu sein, daß den meisten der hier lebenden Menschen das Bewußtsein über den herrschenden „Wohlstand“ fehlt.

Carina vertritt dabei den Standpunktwas zum Essen“ (1254) oder , daß die Menschen gewisse Dinge, wie z.B. „jeden Tag wir die Dinge mehr zu ein Auto“ (1254) zu haben „einfach zu wenig zu schätzen“ wissen (1257), denn „würden schbesser gehenätzen wissen, würden wir auch Dinge verändern und würd’s auch […] manchen Leuten (1258-1259).

Auch Niki gibt diesbezüglich zu bedenken, daß es „uns […] so extrem gut geht“ und „man halt blind vor den Augen is, vor dem ganzen Gut-Gehen“ (1252-1253).

Kerstin wäre schließlich gar dafür, „das Niveau der Gesellschaft ein bißl“ (1221) zu senken, „in materieller Hinsicht“ (1223), um den Leuten „klarer“ zu machen, „was wichtig is […] und sie vielleicht auch probieren irgendwie zufriedener machen“ (1223-1224).

 

b. Kapitalismus bringt eigentlich nur wenigen was.

Der Kapitalismus als Begriff wurde in den Interviews nur von Niki direkt aufgenommen und thematisiert. Was für ihn Kapitalismus bedeutet und warum er „an und für sich ein Kapitalismusgegner“ (1268) ist, erklärt er im hier ausgewählten Textausschnitt ausführlich:

aber .. äh .. ich bin an und für sich ein Kapitalismusgegner, wenns um das geht .. weil das nicht .. das is nicht war .. daß .. äh .. Kapitalismus bringt eigentlich nur wenigen was .. und die wenigen, denen’s was bringt, die haben die Macht um den Kapitalismus weiterhin zu erhalten .. und alle anderen sind nur die .. nur Zahnräder, die da mitwirken .. wenn ich mir überleg, ich arbeite jetzt ja .. und ich muß ja, damit sich meine Arbeitsleistung für das Geschäft rentiert (…) muß die Firma durch mich mehr verdienen als sie mir gibt .. das heißt, da siehst du schon mal, ich arbeite .. krieg .. weiß ich nicht vierzehntausend Schilling ja .. is mir egal, das is eh nur eine fiktive Zahl .. und .. die Firma verdient durch mich aber was weiß ich dreißig ja .. oder sagen wir noch mehr, weil die Steuern ja .. oder sie verdient fünfzigtausend .. die Kohle, die sie dann aber mehr hat ja .. is .. is da .. meine Arbeitsleistung ja, aber die geb ich in die Firma .. und die bekommt jemand in der Firma .. der aber die Arbeitsleistung aber gar nicht gemacht hat .. das heißt die Arbeitsleistung wird gebündelt .. abgezogen ja .. wir glauben zwar, daß wir das, was wir verdienen auch unsere Arbeitsleistung is, aber in Wirklichkeit würden wir mehr verdienen, wenn’s .. gerecht wär unter Anführungsstrichen .. und somit kann ein Chef, der alle Mitarbeiter führt ja .. bekommt von jedem ein bißi was und hat dann einen riesen Patzen Geld .. und so .. das is der Kapitalismus ..“ (Niki 1268-1284)

 

c. Wohlstand und Reichtum für alle geht nicht.

Die Meinung, daß niemals alle Menschen in Wohlstand und Reichtum leben können und warum dem so ist, offenbart sich an zahlreichen Textstellen.

In Carinas Augen ist „Wohlstand und Reichtum […] für alle […] ein Irrglaube“ (1266-1267).

Ähnlich wie sie sieht das auch Petra, die ebenfalls meint, daß das „einfach nicht“ geht, daß „alle Menschen wohlhabend und reich“ (999) sind. Sie erklärt sich das folgendermaßen:

weil halt dann die Leute .. eben wirklich manche halt immer dann so gierig sind .. und die wollen halt noch mehr und dann wollen sie das von den anderen Reichen vielleicht auch noch […] es gibt halt immer Leute, die zurückstecken müssen ..“ (Petra 1000-1004)

Niki erklärt sich das ähnlich wie Petra. Seiner Meinung nach kann das nicht funktionieren, weil „ein Mensch, der arm is […] auch leicht immer ärmer“ (1295) wird, „weil er keinen Rückhalt hat, weil er keine Macht hat“ (1295) und „nichts zum Sagen“ (1296) hat.

Auch Michael und Karin äußern sich schließlich über diese Unvereinbarkeit des Wohlstands für alle:

I glaub, daß es unmöglich is, daß, daß Wohlstand und Reichtum .. für alle da is […] weil einfach zu viele Leute da draußen sind, die .. die nur an sich selbst denken ..“ (Michael 1275)

aber, daß jeder das gleiche erreicht, das kann gar nicht gehen, weil irgendwer muß ja die Arbeit machen, die andere nicht machen ..“ (Karin 1117-1118)

 

d. Das Konkurrenzdenken ist sicher in uns drin, aber es wird auch sehr gefordert.

In den folgenden Textausschnitten nehmen drei Interviewte einen direkten Bezug zum Konkurrenzdenken. Was hier interessant ist, sind die dabei angesprochenen Ambivalenzen in bezug auf Natur und Gesellschaft, die bei allen drei Interviewten eindeutig zum Vorschein kommen.

Carina vertritt die Auffassung, daß Konkurrenzdenken „teilweise in unserer Natur“ liegt, um „uns weiterzuentwickeln“ (1245), weil die „Menschen immer besser sein wollen“ (1247), aber daß es andererseits von der Gesellschaft „auch zu extrem gefordert“ (1244) wird.

Auch Karin glaubt, daß „dieses Machtstreben […] schon irgendwo […] nicht in allen, vielleicht aber in sehr vielen Menschen vorhanden“ (1100-1101) ist. Allerdings meint sie an anderer Stelle, „daß das sehr viel die Gesellschaft und dadurch auch die Familien sind, aus denen man kommt“ (1105).

Daß „besser sein […] sicher jedem wichtig“ (1135) ist, scheint auch für Kerstin festzustehen. An anderer Stelle bemerkt sie jedoch, daß dieses „Besser-Sein Denken“ (1152) auch mit dem „kapitalistischem Denken“ (1152) zusammenhängt.

 

3. 3. 2. Kritik

Kritik

Subjektiver Praxen

Sozialer Praxen

Politischer Praxen

a. Die Leute sollten nicht immer auf ihren eigenen Vorteil schauen. a. Es stört mich, wenn Menschen sozial benachteiligt oder diskriminiert werden. a. Von der Realpolitik halte ich nicht viel.

Wie schon aus dem Titel der Unterkategorie Kritik ersichtlich, geht es den Interviewten hier um konkrete Benennungen subjektiver, sozialer und politischer Praxen, die sie als ungerecht oder allgemein als negativ bewerten.

 

3. 2. 2. 1. Subjektiver Praxen

a. Die Leute sollten nicht immer auf ihren eigenen Vorteil schauen.

Eine Kritik am anscheinend als sehr verbreitet wahrgenommenen Egoismus mitsamt seinen unterschiedlichen Äußerungsformen bildet den Schwerpunkt in den unten stehenden Zitaten.

Carina beispielsweise findet „diese Ellebogentechnik […] geschißn“ (1223). Sie hält zwar daran fest, daß „man schauen“ (1223) muß, „wo man bleibt“ (1224), denn „man kann nicht immer auf alle Rücksicht nehmen“ (1224), dennoch sollte ihrer Meinung nach „eine gewisse Toleranz und Rücksichtnahme […] einfach da sein“ (1225), was „manche Leute nicht“ (1225) haben. An anderer Stelle artikuliert sie diese Kritik als konkrete Forderung:

daß einfach .. Leute mehr, mehr liebenswürdiger und mehr herzlicher sein sollten und nicht nur immer auf ihren eigenen .. Vorteil hoffen sollten, wenn sie irgendjemandem zuhören oder irgendjemandem helfen ..“ (Carina 1364-1366)

Sie hat dabei „das Gefühl, die anderen bemühen sich nicht einmal“ (1378) und „das is das, was“ (1379) sie „oft enttäuscht an den Menschen“ (1379-1380).

Petra teilt ebenfalls diese Ansicht und meint, daß „man […] nicht nur so auf den eigenen Vorteil schauen“ (348) und sich mehr „bemühen“ sollte, „daß man irgendwie auch auf die anderen schaut“ (980).

Karin formuliert das noch etwas schärfer:

das is .. was, was ich total verabscheu, weil ich hasse diese Leute, die .. egal .. was sie machen […] nur auf das eigene Wohl bedacht sind .. das find ich das Schlimmste, was man machen kann ..“ (Karin 1070-1073)

Und auch Michael und Niki vertreten einen ähnlichen Standpunkt. Michael ist ebenfalls davon überzeugt, „daß jeder immer nur an sich selbst denkt .. oder daß viele an sich selbst denken“ (1226) und „auf ihren eigenen Vorteil bedacht“ (1245) sind. Niki formuliert das wiederum mit ähnlichen Worten:

aber die Mehrheit der Menschen sind leider so, daß es ihnen völlig egal is, wie’s anderen geht .. und sind nur auf den eigenen Vorteil aus ..“ (Niki 1198-1207)

 

 

3. 2. 2. 2. Sozialer Praxen

a. Es stört mich, wenn Menschen sozial benachteiligt oder diskriminiert werden.

Benachteiligungen hinsichtlich ungerechter finanzieller und sozialer Verhältnisse werden ganz direkt von drei Interviewten kritisiert.

Carina spricht dabei die ungleiche Verteilung von finanziellen Ressourcen an, die „gerechter aufgeteilt werden“ (1269) sollten. „Leute, die für eine Hotelnacht dreihunderttausend Schilling ausgeben“ (1272), sollten ihrer Meinung nach „die dreihunderttausend Schilling irgendwem geben, der sie wirklich braucht“ (1273).

Karin thematisiert soziale Diskriminierungspraxen in Zusammenhang mit Geschlecht und sozialem Status. „Dieses Macho-Gehabe, dieses Männer sind so besser und die Frau muß sich drunter stellen“ (1052) geht ihr „total auf die Nerven“ (1052). Bezüglich dem sozialen Status meint sie:

ich find’s schlimm, wenn Leute .. ähm .. andere .. die niedrigere unter Anführungszeichen Arbeiten machen .. ähm .. auch anders behandeln .. niedriger behandeln .. fertig machen durch ihre Art .. z.B. wenn .. ich weiß nicht, wenn man in einem Lokal ist und die Leute behandeln die .. die .. ich weiß es nicht .. die Klofrau z.B. wie den letzten Dreck .. das find ich einfach ur schlimm .. weil ohne denen würd’s auch nicht funktionieren ..“ (Karin 1118-1124)

Schließlich spricht Michael noch einen weiteren Aspekt an, er kritisiert Diskriminierungspraxen in bezug auf soziale Minderheiten

Dagegen bin i absolut, also das is .. etwas, das sich bei mir eingeprägt hat .. bei einer Minderheit irgendwie, oder wenn jemand, der .. der anders is ähm kritisiert wird, da .. das is für mich schon was schlimmes ..“ (Michael 547-549)

Daß er diese Kritik auch in die Praxis umzusetzen scheint, zeigt sich darin, daß er, „wenn’s ausartet, eher auf die Seite von dem tritt, der in der Minderheit is“ (551-552), auch um „der Gruppe zu beweisen, daß es anders is, als sie denken“ (552-553).

 

 

3. 2. 2. 3. Politischer Praxen

a. Von der Realpolitik halte ich nicht viel.

Daß vier der Interviewten der Realpolitik ein besonders schlechtes Zeugnis ausstellen, kommt in den hier zusammengefaßten Interviewausschnitten deutlich zum Vorschein.

Für Niki scheint der Sachverhalt klar zu sein. Seine Kritik äußert sich darin, indem er meint, daß sich „die Politiker […] alles richten“ (1267) können, „wie sie’s brauchen“ (1268).

Philipp formuliert das noch etwas schärfer:

Ja aber da kommen immer nur solche rauf, die eh nichts verändern wollen, die halt immer nur so kleine Schritte machen und nie richtig irgendwas verändern ..“ (Philipp 1228-1229)

Carina wiederum fällt „speziell jetzt im Moment bei der Politik auf, daß jeder um den heißen Brei redet, aber keiner irgendwas macht“ (1176-1177). Wie sie sich das besser vorstellen würde, bringt sie an anderer Stelle zur Sprache:

ich mein, sie machen im Prinzip eh alles nur wegen Wählerstimmen .. und ich glaub, man bräucht einfach eine Partei .. die sich nicht drum .. drum schert .. ob wer sie gut findet, sondern, die einfach Dinge durchsetzt, nur das is natürlich eine Wunschvorstellung von allen.“ (Carina 1179-1182)

Schließlich ist für Michael Politik etwas, was ihn „sehr wenig interessiert, weil’s so viel mit Lügnerei und Heuchelei zu tun hat“ (1182). Seiner Meinung nach kann man/frau „mit kam Politiker, oder mit wenig Politiker, ein normales Gespräch führen .. ohne daß sie jetzt zu schreien anfangen“ (1236-1237).

 

3. 3. 3. Handlungspotentiale

Desinteresse/Ohnmacht/mangelnde Ressourcen

Perspektiven

a. Mich betrifft das, was auf der Welt passiert eh nicht so.

b. Wenn irgendwas Aktuelles ist, reden wir schon darüber, ansonsten interessiert uns das nicht so.

c. Ein Mensch alleine kann eh nichts verändern.

d. Mittlerweile ist es für alle schon so hart geworden, daß niemand mehr die Kraft hat, sich einzusetzen.

a. Ich versuche zumindest in meinem Umfeld was zu verändern.

b. Bei diesem Engagement möchte ich wenigstens versuchen, was zu verändern.

Die Unterkategorie Handlungspotentiale versammelt Aussagen der Interviewten, die einerseits Gründe benennen, die ein Engagement für gesellschaftliche Veränderungen erschweren oder gar verunmöglichen, was im Bereich Desinteresse/Ohnmacht/mangelnde Ressourcen dargestellt wird. Im Bereich Perspektiven werden andererseits Eingriffsmöglichkeiten thematisiert, die für einige der GesprächspartnerInnen realisierbar und sinnvoll erscheinen.

 

 

3. 3. 3. 1. Desinteresse/Ohnmacht/mangelnde Ressourcen

a. Mich betrifft das, was auf der Welt passiert eh nicht so.

Die folgenden Gesprächspassagen drücken die Ambivalenz zwischen wahrgenommener sozialer Mitverantwortung einerseits und mangelnder Betroffenheit andererseits aus.

Philipp beispielsweise meint, daß ihn und seine Freunde das „Weltgeschehen“ „nicht so richtig betrifft“ (1131), weil es ihnen „ja doch gut geht und deswegen“ (1132) reden sie „nicht so richtig drüber“ (1132). Er begründet das folgendermaßen:

Ja, so is das bei uns, glaub ich (…) wir sind ja eh erst siebzehn, das is .. das geht uns eh nichts an, das is, das kommt dann später, später werden wir uns drum kümmern, aber jetzt is mal Jugend .. und .. Spaß haben .. und halt lernen und schauen, daß wir das gut hinkriegen ..“ (Philipp 1141-1144)

Andererseits gibt er zu bedenken, daß sie sich „eigentlich Gedanken drüber machen sollten, weil“ (1133) sie „dadurch vielleicht das ganze ein bißchen verbessern könnten .. durch Demonstrationen oder sonst irgendwas anderes“ (1134).

Auch Robert vertritt einen ähnlichen Standpunkt, allerdings noch etwas selbstverständlicher:

angehn .. sicher geht’s mi nix an .. weil i hab damit nix zum tuan und .. weiß nicht .. ich leb für mich und nicht für die andern und ich bin z.B. einer der was nie was spenden wird, weil .. pf .. wer spendet mir .. ich mein, sicher geht’s mir besser wie denen ja, aber  trotzdem .. mich intressiert das nicht wirklich ..“ (Robert 1149-1152)

Ganz ähnlich sieht das auch Jürgen, wenn er sagt, solange er „net betroffn“ ist „von dem Krieg .. oda de Umgebung von“ (814) ihm, „interessiert“ ihn das nicht. Andererseits bringt er seine Mitverantwortung im Zusammenhang mit der Umwelt zur Sprache. Zwar tut er „sicha jetzt net Umwelt schützn“ (820) und haut „a Sochn am Bodn“ (820), meint jedoch im zweiten Moment, doch „mitvaontwortlich“ (872) zu sein, „weil wenn du des den klan Kindan fuhrmochst, de segn des bei dir und mochn dir des noch“ (874).

Auch Michael glaubt zwar, daß „jeder Mensch eine Verantwortung hat“ (1305), weil „wenn jeder denkt, das kümmert mi nit, das sollen die andern machen […] dann wird’s nit funktionieren“ (1300-1302). Allerdings scheint er diese Ansicht selbst nicht in die Praxis umzusetzen, wenn er meint:

Weil’s mi noch nit wirklich interessiert, i mein es kann sein, daß das später kommt, aber .. im Moment bin i eher so .. auf .. das is mein Leben ..“ (Michael 1209-1210)

Ähnliche Ambivalenzen zeigen sich schließlich auch bei Kerstin:

Ja es gibt halt die große Welt, wo viel passiert und es gibt die kleine Welt, wo viel passiert .. und wichtiger is für dich persönlich natürlich die kleine Welt .. obwohl dir die große Welt auch nicht ganz egal sein sollte ..“ (Kerstin 1129-1131)

 

b. Wenn irgendwas Aktuelles ist, reden wir schon darüber, ansonsten interessiert uns das nicht so.

Daß sich das Interesse an Themen wie Politik, Wirtschaft, Umwelt etc. hauptsächlich auf besondere Vorfälle und Ereignisse zu beschränken scheint, kommt in den hier dargestellten Interviewauszügen deutlich zum Vorschein.

Carina führt das auf ein generell mangelndes Intereresse an solchen Themen sowie auf das Alter zurück:

aber wenn jetzt nichts irgendwie markantes in den Medien is, wird sich keiner hinsetzen und sagen so .. also, keine Ahnung, die und die Wirtschaft find ich ja überhaupt das letzte und wie die das machen (…) und sonst glaub ich sind wir einfach noch zu jung oder zu .. die meisten einfach zu unüberlegt .. die passen einfach zu wenig auf, interessiert sie nicht.“ (Carina 1196-1205)

Auch Petra meint, daß über solche Themen „normalerweise eher nicht“ (939) geredet wird, „außer halt nur, wenn irgendwas besonderes halt passiert“ (940).

Philipp bringt ebenfalls zur Sprache, daß er mit seinen Freunden „über Politik […] fast gar nicht“ (1113) redet und „über Wirtschaft eigentlich fast auch nicht“ (1116). Nur „ab und zu“ werden „ein paar so Themen […] zum Gesprächsthema, aber dann vergessen“ (1116-1117) sie „sie auch wieder und reden […] wieder über andere Sachen und träumen wieder herum“ (1117-1118).

Jürgen und Robert thematisieren in diesem Zusammenhang unter anderem die Terroranschläge des 11. September in den USA. Daß sich Jürgen ansonsten nicht für Politik interessiert, bringt er an folgender Textstelle zum Ausdruck:

Jo sicha .. wie dos in Amerika wor, homma scho gred drüba .. sonst Politik .. des mit Temelin oda so, des hot uns gor net interessiert, des homma net amoi irgendwie bered oda so .. mit der Volksabstimmung oda so .. üba Politik red ma eigentlich nix ..“ (Jürgen 802-804)

Robert wiederum betont den Aspekt der aktuellen Besonderheit besonders deutlich:

Ja na es kommt immer drauf an was jetzt passiert sicher wie des mit’m, in Amerika war .. ham’ma auch drüber diskutiert und so oder .. weiß nicht also so z.B. wenn jetzt irgendwas passieren würd .. irgendwas Schreckliches .. dann würd’ma auch sicher darüber diskutieren .. also es kommt immer auf die Situation drauf an was passiert oder so ..“ (Robert 1122-1225)

 

c. Ein Mensch alleine kann eh nichts verändern.

Die hier versammelten Aussagen spiegeln das Erleben von Ohnmachtsgefühlen in dem Sinne wider, als das Ausmaß der gesellschaftlichen „Problemfelder“ die Wahrnehmung der eigenen Handlungsspielräume zu minimieren scheint.

Petra spricht das direkt an, wenn sie sagt, „aber man weiß halt auch nicht, was man dagegen tun soll“ (954), denn „so wirklich groß in der Welt“ könne sie „eh nicht was verändern“ (1054).

Ähnlich formuliert das Michael, der meint, daß es schwer ist, „für jemand einzelnen, was zu verändern“ (1311).

Auch Roberts Einschätzung nach kann „einer alleine […] sicher nichts verändern“ (1244) und nachdem „wie die meisten denken“ (1244), ist er davon überzeugt, „daß man nicht wirklich was verändern kann“ (1245).

Jürgen scheint eine widersprüchliche Haltung zum Helfen einzunehmen und kommt letztlich auch zum Schluß, daß einzelne alleine nichts bewirken könnten:

Na sicha, i kunnt scho wos tuan .. wenn i, wenn ana herkummt zu mir auf da Stroßn, dem gib i a bißl a Göd, der freit si sicha und so hin und her, oba .. donn denk i ma wieda, du bist sicha a söba schuid und so hin und her und .. im Prinzip is ma wuascht .. i man wenn ma olle zomhöfn und des mochn und donn kenna ma sicha irgendwie wos vaändan, oba wenn ana des und des mocht, hot des kan Sinn ..“ (Jürgen 890-894)

In Philipps Augen ist „durch die ganzen Traditionen und Konventionen […] das Ganze so verhärtet, daß es so schwierig is, das […] wieder aufzubrechen“ (1222-1223). Um das zu schaffen, bräuchte man/frau zumindest „eine Menge Leute, die da mitmacht“ (1224).

Daß es schwierig is, was zu verändern, was jetzt im Weltgeschehen passiert“ (1124), stellt auch Kerstin fest, weil „halt jeder Mensch für sich trotzdem noch einzeln“ (1125) lebt „und versucht, seinen Dingen nachzugehen“ (1126).

Diesen Aspekt spricht schließlich auch Elisa an, bei der es heißt:

ich kann ja auch nicht viel machen (…) weil ich bin ja ein Bürger von vielen und sicher denk ich mir, mal zuerst mach ich mir zuerst mal über mich oder schau, daß es mir gut geht und dann halt vielleicht eben jemandem anderen helfen ..“ (Elisa 601-604)

 

d. Mittlerweile ist es für alle schon so hart geworden, daß niemand mehr die Kraft hat, sich einzusetzen.

Ähnlich wie in den eben dargestellten Textpassagen geht es auch in diesem Abschnitt noch einmal kurz um das Erleben von Ohnmachtsgefühlen, wobei hier die Überforderung in bezug auf die eigenen Kapazitäten und Ressourcen im Vordergrund steht.

Carina thematisiert in diesem Zusammenhang die „Härte“ der eigenen Lebensanforderungen, die ihrer Meinung nach die eigenen Aktionspotentiale schwächen:

mittlerweile is es für jeden schon so hart geworden .. daß glaub ich sich keiner hinsetzen würd und sagen würd, ich versuch’s besser zu machen .. und wenn, is er einer unter was weiß ich wievielen Millionen und Milliarden.“ (Carina 1227-1229)

Ähnlich schildert das auch Kerstin, nimmt dabei jedoch einen direkten Bezug zu ihrer eigenen Lebenssituation. Für sie stellt die „größere Welt“ (1252) im Moment kein Aktionsfeld dar, da sie zur Zeit, in ihrer „kleinen Welt arbeiten muß“ (1252-1253). Noch deutlicher artikuliert sie das in folgender Passage:

I bin mit mir beschäftigt, genau ..“ (Kerstin 1251-1255)

 

 

3. 3. 3. 2. Perspektiven

a. Ich versuche zumindest in meinem Umfeld was zu verändern.

Im Gegensatz zu den gesellschaftlichen sehen einige der Interviewten durchaus Handlungsspielräume in den individuellen Aktionsfeldern, die hauptsächlich das eigene Umfeld betreffen. Außerdem stellen manche ihre eigenen Aktivitäten in einen größeren gesellschaftlichen Kontext.

Karin beispielsweise behauptet von sich zwar, „nicht so ein Idealist in der Sache“ (1186) zu sein, weil sie „immer das Gefühl“ (1165) hat, „das is total aussichtslos“ (1165), andererseits versucht auch sie, das in ihrem „Umkreis irgendwie besser zu machen“ (1166) und legt Wert darauf, daß ihr das „möglichst gut gelingt“ (1187).

Auch Petra versucht „halt immer irgendwie“ (1049) den Leuten „gut zuzureden“ (1050) und wenn z.B. „irgendwer da immer nur so ganz selbstsüchtig“ (1051) ist, dann macht sie die Person schon darauf aufmerksam, einmal zu schauen, „wie’s da den anderen dabei geht“ (1052). Sie stellt dieses individuelle Aktionspotential sogar in einen größeren sozialen Kontext, wenn sie meint:

wenn jeder einen kleinen Bereich übernimmt, dann müßte das dann ja im Großen besser werden .. eigentlich .. weil wenn’s ganz viele kleine Bereiche sind .. wird daraus ja irgendwie ein großer ..“ (Petra 1086-1088)

Ähnlich wie Petra sieht das auch Niki, der das folgendermaßen beschreibt:

du kannst aber genauso gut .. äh .. wenn du Freunde hast .. mit ihnen über Dinge reden und .. nicht Meinungen bilden ja .. aber du kannst .. äh .. z.B. wenn ich jetzt jemanden kenn und ich red mit dem so .. über die Schwulenfeindlichkeit .. über ein bestimmtes Gesetz .. und ich red mit ihm über das, dann hab ich die Gesellschaft ja eh schon verändert auch .. weil ich dann jemanden aufgeklärt hab darüber, wie’s wirklich rennt .. und dann is das schon verändern .. und alle Menschen kannst sowieso nicht verändern .. das geht gar nicht.“ (Niki 1315-1321)

Auch Michael versucht „die Dinge“ (1312) zu verändern, wo er „eigentlich kann“ (1312). „Wenn’s geht, dann“ (1312), hilft er „jemand .. a wenn das vielleicht […] manchmal Einschränkungen bringt“ (1313), denn seiner Meinung nach ist es besser, „daß beide genug haben, als daß einer zuviel und der andere zuwenig hat“ (1314-1315).

 

b. Bei diesem Engagement möchte ich wenigstens versuchen, was zu verändern.

Neben den Aussagen, die sich auf die Aktivitäten im eigenen Umfeld beziehen, gibt es unter den Interviewten eine, deren Aktionspotential sich auf einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang erweitert. Warum sich Carina als aktive Mitarbeiterin bei der Jungen ÖVP engagiert, bringt sie an folgender Stelle zum Ausdruck:

Ähm, weil ich einfach .. ähm .. ich bin da deswegen dabei z.B. .. ich fühl mich gut, wenn ich bei so einer Anti-Drogen Kampagne mitmach .. ich ich hab einfach das Gefühl, daß ich wenigstens versuch, was zu tun .. nicht nur red, sondern auch was versuch .. auch wenn’s nicht klappt, ich hab’s wenigstens versucht .. und das is was sehr befriedigendes für mich, wenn ich sag, ich hab’s wenigstens versucht .. und .. ich möchte versuchen .. eben so Dinge zu machen ..“ (Carina 1325-1329)

 

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