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VIII. Darstellung der Ergebnisse (Teil I)

 

Aus der Auswertung des erhobenen Forschungsmaterials konnten drei zentrale Themenkomplexe generiert werden, die zur Veranschaulichung in der folgenden Abbildung graphisch dargestellt werden:

Diese Themenkomplexe lassen sich jeweils wiederum in Schwerpunkte, Unterkategorien und Themenbündel unterteilen, die ihrerseits aus den Kernsatzbündeln generiert werden konnten. In den folgenden Abschnitten werden nun immer zu Beginn die Schwerpunkte, Unterkategorien und Themenbündel des jeweiligen Themenkomplexes graphisch dargestellt und anschließend die relevanten Kernsätze überblicksartig aufgelistet.

 

1. Streß/Leistung

 

Im Themenkomplex Streß/Leistung lassen sich zwei relevante Schwerpunkte unterscheiden:

 

1. 1. Streß von Außen

Der Schwerpunkt Streß von Außen betrifft jene Aussagen der Interviewpersonen, in denen direkt auf die von außen gegebenen strukturellen Leistungsanforderungen, im Zusammenhang mit Schule bzw. Arbeit und Zukunftsplanung, Bezug genommen wird. Daher lassen sich hier zwei Unterkategorien unterscheiden: Gegenwart und Zukunft.

 

1. 1. 1. Gegenwart

 

Gegenwart

a. Die Schule/Arbeit ist mir schon oft zuviel.

b. Ich hab schon manchmal Angst, daß ich versag.

c. Manchmal werde ich krank, wenn der Schulstreß zu groß wird.

d. Ich bin den Druck, du mußt Leistung bringen, du mußt gut sein, gewohnt.

e. Man hat halt bessere Jobaussichten, wenn man in der Schule gut ist.

f. Neben der Schule/Arbeit bleibt sowieso nicht viel Freizeit übrig.

Die Kernsatzbündel der Unterkategorie Gegenwart betreffen Äußerungen, die im Kontext der gegenwärtigen strukturellen Leistungsanforderungen von Schule bzw. Arbeit stehen. Fühlen sich manche durch die Leistungsanforderungen eher belastet und überfordert, was sogar mit physischen oder psychischen Beschwerden in Verbindung gebracht werden kann, sind diese für andere ganz selbstverständlich ein integrierter Bestandteil ihres Alltagslebens. Die heutige Leistungsbereitschaft scheint entscheidend von der Perspektive geprägt zu sein, daß die heutigen Leistungen eine wichtige Basis für das morgige Leben darstellen. Viel Freizeit bleibt dann jedenfalls nicht mehr übrig.

 

a. Die Schule/Arbeit ist mir schon oft zuviel.

Direkt darauf angesprochen, wie es denn in der Schule/Arbeit so geht, stellte sich bei vielen Interviewten heraus, daß die gegebenen Leistungsanforderungen nur mit einem enormen Aufwand zu erfüllen sind. Gefühle der Überforderung und Frustration scheinen bei vielen auf der Tagesordnung zu stehen.

Für Philipp ist es beispielsweise der Lernfaktor, d.h. das geforderte Lernausmaß an sich, das ihm große Mühe bereitet:

ich hab, also ich hab sehr viel zu lernen .. und .. das is halt schon, das is sehr anstrengend und .. auch sehr streßbeladen das Ganze ..“ (Philipp 619-620)

Auch Elisa denkt sich manchmal „daß es irgendwie zuviel wird oder so und daß sie zuviel wollen..“ (Elisa 255)

Im Falle von Petra sind es nicht nur die inhaltlichen Leistungsansprüche ihrer Schule, sondern vor allem auch die strukturellen Anforderungen, die sie mit großen Schwierigkeiten konfrontieren, was einmal bereits dazu führte, daß sie eine Klasse wiederholen mußte:

und es is halt .. ja irgendwie alles ein bißl zuviel, weil man bis am Abend in der Schule is .. und dann soll man zu Hause auch noch was machen .. und ähm .. das hab ich dann halt irgendwie teilweise zu versäumt und hab dann.. also das erste Jahr in der Schule hab ich wiederholt .. und jetzt geht’s schon wieder einmal nicht so gut .. es is halt ein bißl .. es is schon irgendwie .. mühsam alles ...“ (Petra 450-454)

An anderer Stelle beschreibt sie ihre Lage noch etwas genauer. Hier ist interessant, daß diese ihren Schilderungen nach ziemlich aussichtlos erscheint, was auf ihre Überforderung hinsichtlich der gesamten Schulstruktur zurückgeführt werden dürfte:

Ja .. also im Grunde is es eigentlich ja keine schwierige Schule .. aber aber .. weil man schon den ganzen Tag da is und und dann is .. z.B. wenn man am Nachmittag dann noch irgendwas hat .. Mathematik oder so was .. und dann schaltet man einfach ab, weil das .. irgendwie .. ich denk mir ich merk mir das dann eh nicht .. also .. wenn ich schon den ganzen Tag was gemacht hab ..und das holt man dann aber irgendwie auch nicht auf ..“ (Petra 456-460)

Ähnliche Erfahrungen werden auch von Michael thematisiert. Daß es ihm zur Zeit in der Schule ziemlich schlecht geht, führt auch er auf die herrschenden Strukturen seiner Schule zurück:

Wies mir geht, beschissen, weil .. i mein, i bin in die Schule kommen und hab Zweier, Dreier ghabt, einen Vierer vielleicht .. jetzt bin i dort und hab vier Fünfer und vier Vierer .. i kann mit dem, mit dem System überhaupt nit umgehen, das is total nit meins ..“ (Michael 609-611)

Auch Kerstin spricht Schwierigkeiten mit den strukturellen Anforderungen ihrer Arbeit an, weshalb sie beispielsweise „vor ein paar Wochen […] ziemlich schlecht drauf gwesen“ (522) ist. Die Unzufriedenheit mit ihrer Arbeitssituation ging sogar so weit, daß sie ganz konkrete Maßnahmen für eine Veränderung setzte:

Es hat mir einfach alles gereicht, es war mir so zuviel .. und ich hab dann auch das .. geändert in dem Sinn, daß ich nicht mehr so viel arbeite .. daß einfach mehr Zeit bleibt für das, was ich will ..“ (Kerstin 524-526)

Für Niki ist die Arbeit auch „ziemlich unübersichtlich und ziemlich kompliziert im Moment .. und es is auch gar nicht bewältigbar der Job .. normal“ (417). Frustrierend findet er es, wenn er die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllt, „weil man nicht mehr mithalten kann.“ (562). Seinen Schilderungen nach scheinen Gefühle der Frustration und Überforderung ganz einfach zu seinem Arbeitsalltag dazuzugehören, was in der folgenden Passage deutlich zum Vorschein kommt:

und ich hab das schon auch, daß ich mich überfordert fühle .. von der Arbeit .. sogar in gewissen regelmäßigen Abständen, is das üblich bei X., daß .. wenn ein Mitarbeiter anfängt bei X. .. dann geht’s .. ja .. und sobald, dann kommen schon die ersten .. äh .. ähm .. die ersten Erwartungen seitens der Kollegen und der Chefs .. und dann is man einmal überfordert, dann muß man halt versuchen, daß man das regelt und dann kann man wieder normal weiter .. und irgendwann erwartet man dann noch mehr von den Mitarbeitern .. und dann is man wieder frustriert und dann .. man muß halt .. es is eine ein regelmäßiger .. sich selbst beweisen .. aber im Sinne von .. man muß sich total viel Mühe geben .. ein Rad kann man sagen ja ...“ (Niki 567-575)

Einen weiteren Aspekt bringt Jürgen zur Sprache. Er hat jetzt zwar eine Lehrstelle, doch seinen Schilderungen nach dürfte für ihn die Lehrstellensuche ziemlich belastend gewesen sein:

Jo manchmal hob i ma scho docht, wo i de gonzn Bewerbungen gschriebn hob und so, mir geht dos olles so am Oasch, des interessiert mi net, i bleib afoch daham und so ..“ (Jürgen 559-560)

 

b. Ich hab schon manchmal Angst, daß ich versag.

In den folgenden Passagen bilden angesprochene hinsichtlich des Leistungsversagens das zentrale Thema bei drei Ängste Interviewtenvor noch mehr Leistungsdruck, Angst die Schule verlassen zu . Angst vor möglichen negativen Konsequenzen, mhier eine große Rolle zu spielen scheinen.üssen bzw. Angst vor Arbeitslosigkeit sind die Aspekte, die

Bei Carina kommt beispielsweise die Angst vor steigendem Leistungsdruck ganz klar zum Vorschein:

ich hab schon Angst irgendwie, daß ich versag .. weil ich mir dann auch immer denk, daß das Konsequenzen hat, das heißt vielleicht eine Prüfung .. das heißt vielleicht, was mir jetzt fehlt, fehlt mir bei der nächsten Schularbeit, das heißt dann wieder mehr Druck ..“ (Carina 822-824)

Bei Petra stellt sich das Ganze schon etwas komplexer dar. Sie thematisiert die Angst vor Leistungsversagen im Zusammenhang mit den fehlenden schulischen Perspektiven, weil sie sich dann immer denkt, „was sind die Alternativen und .. gibt’s auch nicht wirklich so, also jetzt vom Schulischen her gibt’s eigentlich eh keine Alternative“ (448-449). Ratlos beschreibt sie ihre unglückliche Situation an anderer Stelle:

vor allem ich denk mir halt .. was soll ich denn sonst machen .. ich hab ja auch keine Lust jetzt zum Billa zu gehen und Verkäuferin zu werden...weil es is bei mir schon so, daß ich .. weil’s ja jetzt schon wieder nicht so gut geht .. da denk ich mir dann .. daß ich gar nichts mehr machen will...“ (Petra 504-507)

Aufgrund der angesprochenen Perspektivlosigkeit kommt sie dann schließlich zu dem Schluß, daß es für sie trotzdem so „am einfachsten noch und .. vielleicht auch am gescheitesten“ (699-702) ist.

Auch Jürgen bringt ähnliche Gefühlsmomente im Zusammenhang mit drohender Arbeitslosigkeit kurz zur Sprache:

Jo sicha hob i ma docht Oida, wie i zwa drei Obsogn kriagt hob, hob i ma scho docht, jetzt kriag i nie a Orbeit und so und wer a Sandler oder so hin und her .. und wer orbeitslos ..“ (Jürgen 427-428)

 

c. Manchmal werde ich krank, wenn der Schulstreß zu groß wird.

Physische und psychische Beschwerden scheinen bei fünf Interviewten mit dem schulischen Leistungsstreß in Zusammenhang zu stehen, zumindest werden diese von den Interviewten selbst damit in Verbindung gebracht.

Bei Petra sieht das beispielsweise so aus:

ja .. eigentlich .. also .. kenn ich das z.B. daß manchmal .. wenn ich gerade in der Schule voll Streß hab .. irgendwelche Schularbeiten oder so .. da werde ich dann halt krank .. aber ich meine nicht einfach so krank .. also nicht, daß ich mir da denk .. also ich möchte jetzt unbedingt krank werden, weil ich nicht in die Schule gehen mag .. sondern da werde ich dann .. so richtig mit Fieber und so, so daß ich dann echt nicht in die Schule gehen kann ..“ (Petra 543-547)

Auch für Karin und Elisa scheinen ähnliche Beschwerden mit schulischem Streß verbunden zu sein:

aber wenn ich echt viel zu tun hab und das Gefühl hab, ich komm mit dem Ganzen nicht mehr klar .. dann .. hab ich dann so Sachen wie so einen Husten .. oder .. werd ich total oft krank ..“ (Karin 818-820)

„Ja Kopfweh hab ich schon manchmal, weil ich mir wahrscheinlich halt dann auch den Druck .. also vor allem bei irgendeiner Prüfung oder so ..“ (Elisa 342-343)

Bei Jürgen äußerte sich der Streß während seiner Schulzeit in Form von starker Nervosität, die nach seinen Angaben sogar beim Schulabbruch eine Rolle spielte:

J: „Na kronk net, oba i wor imma ur nervös vor da Schularbeit .. fria ..

I: „Denkst du, daß das auch eine Rolle gespielt hat, mit der Schule aufzuhören, weil du ..

J: „Ja, des kann scho meglich sei, wei do wor i eh amoi bei an Schulpsycho.. Schulpsychiaterin oda irgendwos, de mit mir gret hot, warum i do so nervös bin oder so vor da Schularbeit .. i was net .. i hob mi, vurha hob i olles kenna, und donn bei da Schularbeit is afoch nix gonga .. was a net, warum dos wor, oba .. konn ma a nix mochn, des hobn fülle ..“ (Jürgen 502; 504-507)

Bei Michael verhält es sich ein wenig anders. Zwar klagt er nicht über derartige Beschwerden, wohl aber taucht er bei zu großem Streß schon mal unter und zieht sich regelrecht aus seiner Umwelt zurück:

wenn’s zuviel wird, dann kann i nimma weitermachn .. dann leg i mi zwa Tag ins Bett oder so .. wurscht, wenn i die Schularbeit versäum ..“ (Michael 665-667)

 

d. Ich bin den Druck, du mußt Leistung bringen, du mußt gut sein, gewohnt.

Die nun folgenden Textpassagen stellen die Normalität von Streß und Leistungsdruck in den Vordergrund und bringen zum Ausdruck, wie selbstverständlich Streß und Leistungsdruck für drei der Interviewten in ihrem Lebensalltag integriert sind, was zum Teil positiv bewertet bzw. gar nicht hinterfragt wird.

Kurz und bündig schildert Carina beispielsweise den von ihr bereits vollzogenen Gewöhnungseffekt permanenter Streßbelastung, wenn es heißt:

Ja es is .. es is Streß pur, das stimmt, also Montag bis Freitag is .. Streß pur aber .. du gewöhnst dich daran ..“ (Carina 657-658)

Außerdem scheint sie regelrecht froh darüber zu sein, ständig unter Druck zu stehen, denn so ist sie immer gezwungen, ihren Leistungsansprüchen zu entsprechen:

aber ich denk mir auch, hätt ich das Tanzen nicht, wär ich nicht dieses ewige .. diesen ewigen Druck, du mußt Leistung bringen, du mußt gut sein, wär ich nicht gewohnt und ich glaub, hätt ich mein Tanzen nicht, wär ich schlechter in der Schule .. weil ich einfach viel zu viel Zeit zum verscheißen hätt ..“ (Carina 705-709)

Daß sie aufgrund ihrer Situation keine Zeit hat, Dinge auf morgen zu verschieben, spricht sie an anderer Stelle mit großer Deutlichkeit aus:

da hab ich einfach keine Zeit, darüber nachzudenken .. äh, machen wir’s morgen, sondern da muß ich’s einfach heute machen, weil morgen nicht geht ..“ (Carina 710-712)

Auch für Philipp ist schulischer Streß etwas Normales und Alltägliches, „das is einfach nur so ein automatisches Arbeiten eigentlich .. nach acht Jahren is das Routine, daß man für jede Schularbeit probiert, viel zu lernen, ja“ (692-694).

Kerstin bringt in diesem Kontext noch einen weiteren Aspekt zur Sprache. Für sie steht die Normalität von Streß und Leistungsdruck in einem direkten Zusammenhang mit dem Leistungs(selbst)verständnis ihrer Familie, in der sie die Wichtigkeit und bedeutungsgeladene Normalität von Leistung schon früh kennenlernte; die Leistungsansprüche ihrer Eltern „waren immer relativ hoch“ (634), „bei denen wars einfach auch immer das zums Beste geben, zum .. hundertprozent sein“ (598-599).

 

e. Man hat halt bessere Jobaussichten, wenn man in der Schule gut ist.

Gegenwärtige Leistungsverständnisse im Kontext zukünftiger beruflicher Perspektiven bilden den thematischen Schwerpunkt der nun folgenden Aussagen. Nach dem Motto: „Gute Leistungen von heute garantieren gute Leistungen von morgen“ wird der Struktur von Leistungsansprüchen eine weitere Bedeutung zugefügt, die wiederum das gegenwärtige Streßausmaß und den Leistunsgsdruck der Interviewten entscheidend prägen bzw. erhöhen.

Petra beispielsweise denkt sich, „daß man halt schon bessere Jobaussichten später einmal hat, wenn man in der Schule gut ist“ (484-485). „Weil’s halt dann doch immer so heißt, ja .. und ohne Matura hat man weniger Chancen“ (764), war es ihr wichtig, daß sie „halt auch Matura“ (765) macht, um vielleicht „dann irgendwie vielleicht doch ein bißchen mehr Chancen“ (766) zu haben. Zudem hört sie „von den Leuten, die halt die Schule abgebrochen haben, daß die dann halt auch Probleme haben mit Job suchen und so“ (797-798).

Karin, deren gegenwärtige Anstrengungen und Mühen direkt auf die Zukunft gerichtet sind, formuliert das folgendermaßen:

und als Künstler hat man’s ja ziemlich schwer sich da zu behaupten .. und ich versuch einfach jetzt schon so viel wie möglich machen zu können .. und jetzt schon verschiedene Verbindungen zu Leuten zu knüpfen und vielleicht .. wir machen auch .. also jetzt dieses Jahr .. ähm ..viele .. bei Wettbewerben mit und da versuch ich halt schon .. ähm .. das Beste halt zu geben, was ich kann .. damit ich irgendwie .. dadurch kriegt man ja auch irgendwelche .. wird man ja auch oft entdeckt und so ..“ (Karin 632-637)

An anderer Stelle thematisiert sie ganz konkret die „Härte“ des Berufsstandes, den sie anstreben möchte. Jetzt schon rechnet sie damit, daß dort nur die Besten eine Überlebenschance haben:

es gibt einfach so viele Leute die das machen .. und .. wenn man da nicht irgendwie was ganz anderes und was ganz neues hat .. denk ich nicht, daß man da weit kommen wird ..“ (Karin 660-662)

Die kurze Aussage von Kerstin scheint das Ganze noch einmal auf den Punkt zu bringen:

Matura bringt dir heute auch fast nichts mehr .. das bringt dir die Möglichkeit zu studieren .. studieren tun auch was weiß ich wie viele, hunderttausend oder weiß ich, wieviel’s sind ..“ (Kerstin 932-933)

Auch Philipp ist bewußt, daß seine schulischen Leistungen seine beruflichen Chancen entscheidend beeinflussen:

Ja ich glaub schon, also das Matura-Zeugnis .. und .. und das Jahreszeugnis von der achten Klasse is schon ganz wichtig .. also ich hör halt immer nur so, daß dann der Arbeitgeber da rein schauen wird und .. und wenn da gute Noten drinnen stehen, dann is die Chance höher, daß er dich nehmen wird, als wenn keine guten Noten drin stehen, was eigentlich ja auch .. ganz logisch klingt.“ (Philipp 640-644)

Mit diesen Perspektiven vor Augen, verfolgt er nun das Ziel, sich mit einem guten Maturazeugnis eine gute Basis für sein weiteres Leben zu schaffen:

Ja ich denk mir, ja, da muß ich was machen, damit ich das gut hinkrieg und .. es is ja nur .. es sind ja nur noch die paar Schularbeiten und die Matura, die ich gut machen muß und wenn ich die gut mach, hab ich einmal .. eine gute Basis geschaffen .. fürs spätere Leben und .. das will ich schon erreichen, ja ..“ (Philipp 649-652)

Ein wenig anders verhält es sich bei Michael. Zwar strebt er kein gutes Maturazeugnis an, vielmehr sieht er in der Matura an sich eine wichtige Basis für seine Zukunft, was seine Leistungsbereitschaft „positiv“ beeinflußt:

sagen wir so, die Matura möchte i schon gern schaffen, aber .. für mi spielt die Schule nit unbedingt die wichtigste Rolle, das is .. i glaub, daß i a .. es geht, es geht nur darum, daß man .. ohne den gewissen Standard eigentlich nit wirklich was machen kann .. das is mir klar, daß man den braucht und dafür knie i mi a rein ..“ (Michael 534-637)

In einem ähnlichen Kontext stehen die Aussagen von Carina, nur noch etwas „rationaler“ formuliert. Mit klarer Bestimmtheit bringt sie zum Ausdruck, daß für sie aufgrund der gegebenen Bedingungen Leistung zu einer lebensnotwendigen Voraussetzung geworden ist:

„Weil .. ich denk mir, man wird heutzutage nur anerkannt, wenn man eine gewisse Leistung hat und ein gewisses Potential, auf das man aufbaun kann .. bin ich jetzt der ur liebe Mensch, wird sich .. keiner um mich scheren, wenn ich nicht irgendetwas hab, was ich gut kann .. dann komm ich wieder auf mein späteres Leben .. auf mein, auf meinen Job, ich mein .. hab ich noch so das super Gemüt und bin ich der ur ausgleichende Mensch, werden sie mich nicht einstellen, wenn ich nicht ein .. halbes gutes Schulzeugnis hab oder .. Leistungen hab oder in diesem Kapitel .. eben gut bin .. werden sie mich nicht einstellen, nur weil ich .. ein Typ bin, der mit sich selbst super zurecht kommt.“ (Carina 731-738)

An anderer Stelle bringt sie noch deutlicher zur Sprache, wie eng ihre jetzigen Leistungsambitionen mit ihren zukünftigen in Zusammenhang stehen.

ich glaub nicht, daß ich ein Mensch bin, der jetzt auf die Schule scheißn kann und dann eine super Matura schreiben kann und meine Matura, find ich, sollt schon .. schon gut sein .. also, ich möchte schon einmal .. ich weiß noch nicht, was ich machen will, aber ich weiß, daß ich schon einmal .. hoch hinauf will und das geht nicht mit einem .. ja gerade mal geschafften Matura Zeugnis .. und ich denk mir, wenn ich jetzt gut bin .. und jetzt den Stoff kann und versteh .. tu ich mir bei der Matura leichter .. weil alles auf das ich jetzt scheiß, da fehlt mir der Grundstock für die Matura ..“ (Carina 742-748)

Auch Jürgen, der mit der aktuellen beruflichen Praxis bereits konfrontiert wurde, beschreibt konkrete Erlebnisse hinsichtlich der gegebenen Leistungsanforderungen, deren Vollzug für die Umsetzung der beruflichen Ziele vorausgesetzt werden:

Jo na, a Stelle kriegn is net so afoch, i man a poa, i hätt schon no a poa ondere Stön ghobt oba .. donn muaßt hoit Bewerbungen schreiben und des schreiben und donn muaßt hingeh und donn muaßt a Prüfung mochn .. hundert ondere Bewerber, z.B. bei die großen Firmen Siemens oder Elin oder irgendwo .. donn .. do is donn scho schwer, weil da muaßt wirklich der beste sein, oda ana der bestn sein ..“ (Jürgen 396-400)

Und „wenn man z.B. genau den Beruf will und in dem Beruf gibt’s net fülle Lehrstön oda irgendwos oda .. den Beruf kriagst hoit net oft, wenn’st hoit net so a guats Zeignis host oda so .. donn kriagst hoit net olles ..“ (Jürgen 599-602)

Robert scheint mit seinen Aussagen bereits eine andere Perspektive einzunehmen. Da er sich aufgrund seiner Schul- und Ausbildungsabbrüche in jener Situation befindet, in der er die realen Konsequenzen seiner „mangelnden“ Leistungsbereitschaft ganz klar zu spüren bekam und bekommt, kommt er zu folgendem Schluß:

Ja sicher stimmt’s .. wie gsagt wenn man in der Schule anzarrt dann hat man alle Türen offen und wenn man in der Schule nachlässig is und .. was net, schlechte Noten hat oder so dann sind dem halt, dann sin .. ziemlich viele Türen verschlossen sag ich amal .. da kommt ma auch nimma durch ..“ (Robert 684-687)

 

f. Neben der Schule/Arbeit bleibt sowieso nicht viel Freizeit übrig.

Aufgrund der strukturellen Leistungsanforderungen betreffend der langen Schul- und Arbeitszeiten scheint Freizeit bei zumindest fünf der Interviewten relativ beschränkt zu sein.

Von Petra und Michael werden in diesem Zusammenhang direkt die langen Schulzeiten angesprochen:

Ähm... Freizeit ... so viel Freizeit gibt’s ja nicht , weil ... weil wir immer so lang Schule haben ..“ (Petra 288-289)

Tja, das letzte halbe Jahr hab i sehr wenig Freizeit ghabt .. weil i eben jeden Tag bis sechse in der Schule bin ..“ (Michael 351-352)

Für Carina scheint sich die Freizeit, wenn überhaupt, aufs Wochenende zu beschränken. Daß sich dadurch ein neuer Streßfaktor ergeben kann, läßt sich an folgender Aussage erkennen:

weil ich eben nicht so viel Freizeit hab .. also wenn ich dann ein Wochenende hab, wo ich nicht lernen muß, möchte ich das schon irgendwie planen, daß ich möglich’st viel reinkrieg, was ich sonst .. unter der Woche nicht hab oder was ich jetzt halt längere Zeit nicht gemacht hab ..“ (Carina 548-551)

Kerstin’s Tagesablauf scheint auch nicht viel Freizeit übrig zu lassen:

Ich hab momentan wenig Freizeit .. ich steh am Morgen auf, tu das nötigste im Haushalt und komm um halb acht heim und dann .. schau i halt, daß i no lern oder ein bißl les ..“ (Kerstin 226-227)

Und schließlich richtet auch Jürgen sein Freizeitbedürfnis nach den gegebenen Arbeitszeiten:

furtgeh konn i unta da Wochn net so long, weil i orbeitn muaß.“ (Jürgen 146-147)

 

 

1. 1. 2. Zukunft

Zukunft

Zukunftsplanung/Sorgen/Ängste

Realitätsprinzip vor Lustprinzip

a. Ich hab schon den Druck jetzt zu wissen, was ich einmal machen will.

b. Ich hab Angst, irgendwas total falsch zu machen.

a. Mit dem, was ich gern machen würd, hab ich keine Jobaussichten.

b. Ich hab Angst davor, daß ich mich irgendwann in die Norm eingliedern muß.

 

Zukunft im Sinne von Lebens- und Berufsplanung, bildet einen weiteren thematischen Schwerpunkt. Daß die Planungs- und Entscheidungsfindungsprozesse oftmals mit Streß, sozialem Druck, Zeitdruck, Ängsten oder Wunschverzicht verbunden sind, verleiht dem Ganzen wiederum einen eigenen Leistungsaspekt.

Die Unterkategorie Zukunftsplanung/Sorgen/Ängste bezieht sich ausschließlich auf (Leistungs-)Aspekte der Berufs- und Lebensplanung.

In der Unterkategorie Realitätsprinzip vor Lustprinzip wird einerseits thematisiert, wie herrschende Realitätsprinzipien die Berufsplanung der Einzelnen beeinflussen (können), andererseits werden konkrete Befürchtungen einer derartigen Beeinflussung geäußert.

 

1. 1. 2. 1. Zukunftsplanung/Sorgen/Ängste

a. Ich hab schon den Druck, jetzt zu wissen, was ich einmal machen will.

Bei fünf Interviewten werden Streß- und Belastungsmomente im Zusammenhang mit der beruflichen Lebensplanung angesprochen.

Elisa scheint sich beispielsweise besonders dann unter Druck zu fühlen, wenn ihr ihre eigene Planlosigkeit sozusagen von den anderen vor Augen geführt wird:

man soll halt .. ja halt in irgendwelchen Fächern oder so erzählen, was man einmal werden will oder so .. aber .. ja, das erinnert mich halt dann immer daran, daß ich noch nicht weiß, was ich machen will .. und die anderen wissen das dann halt schon.“ (Elisa 383-385)

Auch Petra scheint der Druck untereinander zu beeinflussen:

Naja .. manche haben .. kommt mir vor .. haben da schon mehr Pläne .. wenn sie sagen .. ja .. und wenn ich mit der Schule fertig bin will ich das und das machen und so .. und da denk ich mir dann schon so .. naja .. eigentlich hab ich das nicht so ..“ (Petra 595-597)

In den folgenden Passagen kommt jedenfalls ihr eigener Zwiespalt etwas genauer zum Ausdruck: Einerseits scheint das Bedürfnis bzw. der Druck nach konkreter Planung da zu sein, andererseits fühlt sie sich ein wenig überfordert bzw. noch nicht bereit dazu:

ich denk mir .. eigentlich bräucht ich mir die Gedanken nicht machen .. ähm .. weil ich ja eh noch Zeit genug hab .. aber .. man macht’s sich halt trotzdem ..“ (Petra 619-620)

und ich kenn mich ja eigentlich selber jetzt .. ich weiß nicht .. im Leben vielleicht .. oder .. so .. selber noch nicht so gut aus .. so jetzt .. zu entscheiden, was ich jetzt machen will .. so jobmäßig auch .. denk ich mir, ist mir jetzt noch irgendwie zu früh, daß ich mir was festleg ...“ (Petra 657-660)

Ähnliche Bedenken werden beispielsweise von Philipp geschildert:

dann denk ich mir, ich muß mich jetzt entscheiden, ich muß jetzt drauf schauen, aber dann denk ich mir, was is wenn das dann die falsche Entscheidung is, vielleicht will ich ja doch was ganz anderes .. und in solchen Sachen hab ich halt noch überhaupt keine Erfahrung, ja, das fehlt mir noch ..“ (Philipp 869-872)

Philipp thematisiert allerdings noch einen anderen Apekt: Die große Vielfältigkeit der beruflichen Perspektiven scheint ihn regelrecht zu „erschlagen“, er äußert Schwierigkeiten, den Überblick zu behalten:

vielleicht is es nur bei mir so, daß ich nicht weiß, daß ich halt jetzt noch nicht weiß, was ich machen will, obwohl mir alle Türen offenstehen .. nur ich halt .. den Überblick, man verliert den Überblick sehr leicht darin […] und es is ziemlich schwierig, den ganzen Überblick über das alles zu haben, was es da alles gibt, außer man hat eine, man weiß schon, was man machen will ..“ (Philipp 962-968)

Im Zusammenhang mit der beruflichen Vielfältigkeit werden auch von Elisa ähnliche Momente der Ratlosigkeit und Überforderung geäußert:

es gibt so viele Berufe und .. und ich, mich hat noch keiner davon irgendwie .. angesprochen, also .. das is, da denk ich mir dann halt schon, äh Hilfe .. was soll ich machen ..“ (Elisa 385-387)

Daß diese Bedenken bei ihr auch direkte Angstgefühle verursachen, zeigt sich an folgender Textstelle:

ich mein halt .. daß ich eben .. Angst hab, daß ich nichts find ..“ (Elisa 440)

Für Carina hingegen spielt der Zeitfaktor im Entscheidungsfindungsprozeß eine große Rolle, da sie das Gefühl hat, daß sie aufgrund ihrer hohen beruflichen Leistungsansprüche jetzt schon genauere Vorstellungen haben sollte:

und das macht mir die größte Angst, weil ich einfach nicht weiß, was ich will .. weil ich denk mir, ich möchte so hoch hinaufkommen .. daß man, wenn man so hoch hinauf will, man schon jetzt .. anfangen muß, irgendwie was dafür zu tun .. und .. weiß nicht, wenn ich das nicht weiß .. kann ich nichts tun dafür, und das macht mich irgendwie dann schon .. deprimiert ..“ (Carina 839-842)

Konkrete berufliche Pläne wären auch für Kerstin „von Vorteil .. weil einfach Zeit verloren geht, wenn’st es nicht einmal annähernd weißt, was du willst“ (780-781).

Auch Elisa thematisiert diesbezüglich den Zeitfaktor. Sie äußert Befürchtungen, in der ihr zur Verfügung stehenden Zeit nicht das Richtige zu finden:

weil ich mein .. Matura weiß ich ungefähr .. aber halt das Studieren dann .. ich mein, vielleicht kommts eh noch, aber ich denk mir, ja das is nicht mehr so lang und ich weiß nicht, ob ich bis dahin schon was find ..“ (Elisa 376-378)

 

b. Ich hab Angst, irgendwas falsch zu machen.

Angst- und Überforderungsmomente hinsichtlich einer allgemeineren Lebensplanung werden nur von drei Interviewten kurz erwähnt:

Sorgen, im Leben etwas falsch zu machen, falsche Entscheidungen zu treffen, werden beispielsweise von Karin und Philipp angesprochen:

aber .. ich hab teilweise schon auch Angst, daß ich irgendwas total falsch mach ..“ (Karin 383-384)

I: „O.k .. machst du dir manchmal Sorgen um deine Zukunft?

P: „ja vielleicht schon, ja .. daß ich die falsche Entscheidung treff, das is es, ja .. sonst nicht.“ (Philipp 944)

Auch Kerstins Aussage steht in einem ähnlichen Kontext, auch sie thematisiert Zweifel und Sorgen in ihrem Lebensplanungsprozeß:

unangenehm, ob man das wirklich will, ob das wirklich das is, was .. was du für’s Leben machen willst und so weiter ..“ (Kerstin 805-806)

 

1. 1. 2. 2. Realitätsprinzip vor Lustprinzip

a. Mit dem, was ich gern machen würd, hab ich keine Jobaussichten.

In den folgenden Aussagen von Kerstin und Elisa läßt sich erkennen, wie die scheinbar gegebene Perspektivenlosigkeit im Sinne von drohender Arbeitslosigkeit eines konkreten Berufsstandes die Entscheidungsfindung bei ihrer Berufsplanung beeinflußt. Um der „Verschwendung“ von zukünftigen Leistungsinvestitionen vorzubeugen, werden diese klar kalkuliert, auch wenn das heißt, die eigenen Träume und Wünsche aufzugeben:

Kunstgeschichte wär mein Traumstudium .. aber .. danach hast nichts, kannst auf Jobsuche gehen .. und vielleicht mach ich das später mal, nebenbei einfach .. aber momentan bringt’s das für mich einfach nicht.“ (Kerstin 21-23)

und an anderer Stelle meint sie weiter:

also das find ich nicht sinnvoll .. wenn i was mach, dann will i nachher einen Job haben, dann will i in das einsteigen können, will mich in das reinsetzen können, da meine Leistung investieren in das ..“ (Kerstin 594-596)

Obwohl Elisa gerne malt, scheint auch sie für sich keine realen Chancen im Kunstbereich zu sehen, was, ähnlich wie bei Kerstin, auf die angenommenen Bedingungen in diesem Berufsstand zurückgeführt werden dürfte, wenn es heißt:

also im Moment hab ich keine Ahnung, was ich werden will, überhaupt nicht, ich mein sicher hab ich irgendwelche .. sicher ich mal gern, aber ich denk mir, ich kann nicht irgendein Künstler werden oder so .. ich mein so Freizeitkunst, das würd ich schon machen aber .. studieren oder so, keine Ahnung, echt, also ..“ (Elisa 221-224)

 

b. Ich habe Angst davor, daß ich mich irgendwann in die Norm eingliedern muß.

Ein weiterer interessanter Aspekt wird schließlich von Philipp kurz angesprochen. Er äußert Bedenken darüber, daß er sich den starren Realitätsprinzipien im Sinne bestimmter gesellschaftlicher Normen und Zwänge doch irgendwann einmal anpassen bzw. fügen muß:

„ja und dann denk ich mir schon, hm, werde ich da jetzt wirklich mit dem Kopf gegen die Wand rennen, wie mein Vater das immer sagt, wenn ich, wenn ich mich nicht der Gesellschaft füge und werde ich da wirklich fünf Ehrenjahre drehen, wo ich, wo ich mich erst einmal eingliedern muß, wo ich ja jetzt so dagegen bin .. gegen diese ganzen Normen ..“ (Philipp 791-795)

 

 

1. 2. Streß von Innen

 

Der Schwerpunkt Streß von Innen bezieht sich im Gegensatz zu Streß von Außen auf den Aspekt der Internalisierung von Leistungsanforderungen und -ansprüchen.

Daß sich in den verschiedensten Bereichen subjektive Praxen solcher Internalisierungsprozesse auffinden lassen, läßt sich an der komplexen Struktur dieses Schwerpunkts anhand der folgenden Abbildung veranschaulichen. Dabei werden drei Unterkategorien Schule/Arbeit/Beruf, Freizeit und Bewältigungsansprüche unterschieden, die sich teilweise wiederum aus mehreren Themenbündeln zusammensetzen:

 

1. 2. 1. Schule/Arbeit/Beruf

 

Schule/Arbeit/Beruf

Leistungsverständnis als Selbstverständnis

Leistung und Selbstwert/Aner-kennung

Leistungsmoral/Arbeitsmoral

a. Ich mach mir den Leistungsstreß absolut selber.

b. Ich muß immer irgendwas tun.

c. Leistung bringen, das ist kein Druck, das bin einfach ich.

d. Ich möchte einmal was Besonderes/Ausßergewöhnliches machen.

a. Anerkennung durch Leistung ist mir wichtig.

b. Es ist mir wichtig, daß der Chef ein gutes Bild von mir hat.

c. Ich will was schaffen, was nicht so leicht ist.

d. Ich vergleich mich schon mit den anderen.

a. Man kann im Leben nur was erreichen, wenn man halt arbeitet, Leistung bringt.

b. Augen zu und durch.

c. Ich muß einfach lernen, Disziplin aufzubauen.

d. Wenn du die Leistungen nicht erbringst, schadest du dir auf Dauer selber.

e. Wenn ich’s mir selber leisten kann, bin ich stolz auf mich.

Daß Leistungsstreß für viele der Interviewten aufgrund struktureller Bedingungen von Schule bzw. Arbeit ein zentraler Bestandteil in ihrem Lebensalltag ist, konnten wir in den vorherigen Abschnitten bereits in Erfahrung bringen. Damit scheint das Streßpotential der Einzelnen jedoch noch nicht ausgelastet zu sein, denn der Leistungsaspekt zieht noch viel weitere Kreise und manifestiert sich gerade im Bereich Schule/Arbeit/Beruf in internalisierten Leistungsverständnissen und Leistungspraxen.

Im Themenbündel Leistungsverständnis als Selbstverständnis geht es hauptsächlich um internalisierte Leistungsverständnisse im Sinne von selbstauferlegtem Leistungsdruck, Produktiv-Sein allgemein und hohen Leistungsansprüchen.

Im Themenbündel Leistung und Selbstwert/Anerkennung werden jene Aspekte angesprochen, die das Beziehungsverhältnis sozialer Anerkennungs- und Selbstwertschätzungspraxen mit den Leistungspraxen darstellen.

Schließlich werden im Themenbündel Leistungsmoral/Arbeitsmoral konkrete Leistungsverständnisse und -praxen im Sinne von Vorstellungen, Zwängen, Disziplinierungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Leistungsbereitschaft thematisiert.

 

3. 2. 1. 1. Leistungsverständnis als Selbstverständnis

a. Ich mach mir den Leistungsstreß absolut selber.

Diese Kernsatzformulierung wurde von Carina beinahe wortgetreu übernommen, wenn es heißt: „Ich mach mir den Streß absolut selber“. (777) Diese, wie auch die folgenden Aussagen stehen im Kontext selbst auferlegter Leistungsansprüche.

Karin, die von sich selbst behauptet, „karrieregeil“ (630) zu sein, macht sich „auch teilweise zu hohe Ziele“ (665) und „kann das einfach nicht abstellen“ (666). Eines dieser hohen Ziele ist, die Schule als Jahrgangsbeste abzuschließen, obwohl sie zugibt, sich da schon selbst sehr unter Druck zu setzen. Aber sie „will das unbedingt schaffen“ (647):

ich weiß nicht bei mir is das irgendwie so ein Kampf .. ich bin in die Schule gegangen und hab mir selber gesagt .. ich mag als Beste abschließen bis zum Jahrgang .. und ich hab .. ich mach mir da selber den ur Druck .. deswegen ..“ (Karin 611-613)

Mit der Verwendung des Kampfbegriffes kommt die Härte dieser Leistungsdynamik bereits zum Ausdruck. Daß diese hohen Ansprüche bei ihr oftmals auch negative Gefühle verursachen, macht sich an an anderer Stelle bemerkbar:

und dann gefallen mir meistens die Sachen von wem anderen besser .. das macht mich dann teilweise schon ziemlich fertig ..“ (Karin 611-618)

Auch bei Niki läßt sich eine ähnliche Dynamik erkennen. Für ihn scheint dieser selbstauferlegte Druck eine regelrechte Notwendigkeit zu sein:

I: „Mhm mhm .. machst du dir da manchmal selber so einen Druck, einen Leistungsdruck?

N: „Ja leider .. wirklich .. das is ganz schlimm, weil das kann ich halt nicht abstellen, weil ein Leistungsdruck .. also .. ich glaub, den brauch ich, der muß einfach da sein, weil ohne .. ohne einen gewissen Druck, ohne daß du dir selber sagst, ich muß einfach arbeiten, weil das is meine Aufgabe, meine Verpflichtung, daß ich meine Arbeit gut mache .. dann dann kannst du sie auch nicht gut machen, weil dann nimmst du sie ja nicht so ernst .. das heißt ein gewisser Druck is leider notwendig und der .. kommt eh immer wieder auf mich zurück ..“ (Niki 451-556)

Ein wenig anders verhält es sich hingegen bei Philipp. Aufgrund der hohen Leistungsansprüche seiner Eltern scheint er beinahe zu bedauern, sein Potential an eigenen Leistungsansprüchen nicht ausschöpfen zu können, wenn er meint:

der Druck von den Eltern reicht, da möchte ich mir nicht selber noch einen Streß machen .. aber vielleicht wär’s gut, wenn mir die Eltern nicht so einen Druck machen würden, dann würd ich mir vielleicht selber Gedanken drüber machen, glaub ich, ich würd das selber auch ganz gut hinkriegen .. und .. und dann würd ich das vielleicht, vielleicht sogar besser hinkriegen, das Ganze, ja ..“ (Philipp 634-638)

 

b. Ich muß immer irgendwas tun.

In den folgenden Aussagen kommt der Leistungsaspekt im Sinne von Produktiv-Sein zum Ausdruck. Leistungsverständnis wird hier insofern zum Selbstverständnis, als es den Einzelnen oftmals nicht gut zu gehen scheint, wenn sie nichts zu tun haben.

Karin scheint sich beispielsweise fürs Ausspannen und Nichts-Tun nicht besonders viel Zeit zu nehmen:

ich mein, ich bin auch meistens total fertig aber .. teilweise so nach einem Monat nur Stress mach ich dann schon so drei Stunden mal gar nichts“ (Karin 519-520)

Auch Carina, die durch Schule und tägliches Tanztraining die meiste Zeit ziemlich eingedeckt ist, ist es überhaupt nicht mehr gewöhnt „zu Hause zu sitzen und nichts zu machen“, das kann sie „überhaupt nicht mehr“ (663). Daß Momente der Beschäftigungslosigkeit sogar einen Anstieg ihrer Leistungsansprüche verursachen können, zeigt sich an folgender Passage:

also du gewöhnst dich richtig dran und .. wenn du dann voll .. in diesem Training wirklich inkludiert bist, dann .. und am Wochenende dasitzt und nichts zu tun hast .. weil deine Freundinnen alle keine Zeit haben .. und du hast nichts zu lernen .. denkst du dir wirklich .. pfoah, ich möchte irgendwas tun, ich möchte tanzen gehen und .. wenn’s das härteste Training is seit vier .. Monaten, ich möchte einfach, ich möchte was tun .. und das is dann schon so, wenn einmal eine ruhige Minute is .. und du bist eigentlich relativ entspannt .. weil du grad weniger zum Lernen hast, is dir voll langweilig ..“ (Carina 661-670)

Daß auch bei Michael Nichts-Tun mit einem Gefühl des Unwohl-Seins verbunden ist, kommt in seiner Aussage deutlich zum Vorschein:

wenn man zu lange nichts tut und und einfach nur den ganzen Tag so vor sich hinlebt, dann .. gibt das mit der Zeit so ein bedrückendes Gefühl, daß es unerträglich wird ..“ (Michael 498-500)

An anderer Stelle versucht er, dieses Gefühl noch etwas genauer zu beschreiben:

Vielleicht die Nutzlosigkeit und zu sehen, wie draußen das Leben an einem vorbeizieht und man .. man tut eigentlich gar nichts ..“ (Michael 502-503)

Im Gegensatz dazu gibt es ihm ein gutes Gefühl, was zu machen, „wo irgendwie was dabei herauskommt “ (512), das erscheint ihm zumindest weniger anstrengend, als „einen Tag lang irgendwie die Zeit verstreichen zu sehen“ (516).

Auch für Kerstin ist Nichts-Tun inzwischen fast ein Ding der Unmöglichkeit, sie versucht sich zumindest immer irgendwie zu beschäftigen und macht dann beispielsweise „irgendetwas im Haushalt“ (424):

i bin schon a Mensch der immer wieder was tun muss, also egal was aber i schaff’s maximal an Tag zum daheimsitzen, aber da muss i mi a irgendwie beschäftigen, aber so einfach nix tun, des halt i ganz schwer aus .. weil i mi einfach unwohl fühl wenn i nur herumlieg.“ (Kerstin 404-407)

Was sie dabei konkret anspornt, erklärt sie sich folgendermaßen:

Ja es treibt mi vielleicht des, dass i was weiterbringen will, dass i was erreichen will, dass i mir einfach was im Kopf gesetzt hab, des will i erreichen und für des muss i natürlich schon was tun ..“ (Kerstin 433-435)

Auch Jürgen verbringt seine Zeit lieber mit Arbeiten, als den ganzen Tag nichts zu tun:

Na sicha denk i mas jeds moi, i kenn so fülle Habara, de wos den gonzn Tog daham sen und schlofn oda so .. donn denk i ma wieda, wenn i kronk bin a poa Tog, donn bin i den gonzn Tog daham und mir is ziemlich fad .. i was net, i mog dos net .. do geh i liaba orbeitn .. do hob i mei Göd a und .. Spaß mochts ma im Prinzip a .. bevor i den gonzn Tog daham sitz, geh i liaba orbeitn ..“ (Jürgen 466-470)

Im Fall von Robert, der ja aufgrund seiner Arbeitslosigkeit den ganzen Tag nichts zu tun hat, zeigt sich dieser Aspekt in einem noch größerem Ausmaß. Die Auswirkungen der langen Untätigkeit scheinen bei ihm eine regelrechte Antriebslosigkeit zu verursachen:

wie gsagt es is fad wenn man zu lang daheim is oder so .. i man an Monat kann i ma vorstellen, an Monat amal zu Haus sein oder so aber dann muss man wieder was machen z.B. ich fadisier mich zu Tode daheim .. ich weiss nicht was ich machen soll und es is einfach zu fad und Auslassen dann tut man sich auch nicht, m’ macht einfach nichts .. der Körper liegt einfach den ganzen Tag nur faul da und, pf, alles is urwurscht was man macht oder so ..“ (Robert 460-466)

 

c. Leistung bringen, das ist kein Druck, das bin einfach ich.

Indem Kerstin in zwei weiteren Textpassagen ihr Bedürfnis nach Leistung als direkten Bestandteil ihrer Persönlichkeit wahrzunehmen scheint, zeigt sich der Aspekt der Internalisierung des Leistungsanspruches noch einmal besonders deutlich:

Ich weiß nicht .. vielleicht bin das einfach i .. daß i trotzdem versuch, das Beste zu geben .. oder annähernd das Beste ..“ (Kerstin 553-554)

Und an anderer Stelle heißt es weiter:

des is nit wirklich ein Druck .. also ich empfind das nicht direkt als Druck zum Sagen ich muß das jetzt können, ich muß ich muß .. sondern, das is einfach, ja, das is einfach da ..“ (Kerstin 578-580)

 

d. Ich möchte einmal was Besonderes/Außergewöhnliches machen.

In den hier zusammengefaßten Textpassagen kommt ein ganz anderer Aspekt von Leistungs- im Sinne von Selbstverständnissen zum Vorschein. Einmal was in seiner Besonderheit Hervorstechendes zu machen bzw. zu leisten scheint für zumindest drei der Interviewten ein selbstauferlegtes Ziel zu sein.

Carina beispielsweise hat schon wie sie „klein war, schon immer das Gefühl gehabt, daß“ (1032) sie einmal irgedwas wird, „was nicht jeder is .. oder irgendeinem Beruf“ (1033) nachgeht, „den nicht hunderte Leute ausüben“ (1034).

Auch Karin „will irgendwas .. Besonderes machen .. nicht was Alltägliches“ (832). Außerdem gibt sie an anderer Stelle einen Einblick hinsichtlich der Beweggründe dieser Ziele. Klar wird dabei jedenfalls, daß sie sich dezidiert von der Masse unterscheiden möchte:

aber ich kann das einfach nicht abstellen, weil .. mein Traum is einfach […] berühmt zu sein .. und einfach was ganz was anderes .. ich sag jetzt […] was ganz was neues zu bringen .. irgendwas was keiner kennt, auch wenn’s einem nicht gefallt .. sondern einfach .. dieses .. das is was neues, dass man das gleich sieht und ich will einfach .. durch die Sachen, die ich mach .. nicht so in die Masse geschoben werden und davor hab ich ur Angst ..“ (Karin 666-673)

Ähnliche Beweggründe werden wiederum von Kerstin formuliert, die auch „was Außergewöhnliches vielleicht machen“ (732) will. Auch sie möchte sich mit diesem Ziel „von der Masse einfach ein bißl abheben“ (735).

 

3. 2. 1. 2. Leistung und Selbstwert/Anerkennung

a. Anerkennung durch Leistung ist mir wichtig.

In einigen Textpassagen kommt immer wieder zum Vorschein, daß die eigenen Leistungsansprüche mit konkreten Bedürfnissen nach sozialer Anerkennung verbunden sind. Dieses Beziehungsverhältnis scheint sich dabei als regelrechter Antriebsmotor zu manifestieren.

In diesem Kontext werden von Carina die Begriffe Anerkennung und Leistung wohl nicht zufällig in einem Zusammenhang verwendet:

also, ich möchte schon .. der Typ sein, der .. weiß nicht .. Karriere macht .. und der Anerkennung hat und der Leistung bringt und so ..“ (Carina 723-724)

Daß das eigene Potential an Leistungsfähigkeit ein Faktor zur Selbstanerkennung im Sinne der eigenen Wertschätzung sein kann, läßt sich an folgender Textstelle erkennen: Überforderung wird beispielsweise als Schwäche wahrgenommen:

ich glaub, wenn’s mir zuviel wird würd ich’s nicht einsehen .. also ich kann, ich kann mir gut vorstellen, daß es mir schon einmal zuviel geworden is .. aber .. ich würd’s einfach nicht akzeptieren, weil .. hätt ich das .. würd ich’s akzeptieren, es is mir zuviel .. würd ich mir irgendwie .. schwach oder so vorkommen, glaub ich halt einmal .. und deswegen, wenn’s so mal gewesen is oder so .. ähm .. hätt ich’s mir nicht eingestanden ..“ (Carina 717-721)

Ähnlich wie Carina ist auch Kerstin „wer, der nicht gern Schwächen zeigt“ (600). Einerseits geht es ihr „um die eigene Zufriedenheit“ (562) durch Leistung, andererseits ist es ihr „schon immer wichtig gewesen“ (559), durch Leistung „Lob zu bekommen“ (559) und anderen zu zeigen, daß sie „das auch kann“ (558).

Auch Karin versucht durch ihre Leistungen Gefühle der Wertschätzung und Anerkennung von anderen, vor allem von ihrer Familie, zu bekommen:

aber das is .. das is eigentlich auch die Familie, der ich beweisen will, daß ich besser bin als die anderen .. daß ich einfach den .. nicht so bin wie sie sich’s vielleicht vorstellen .. daß ich mehr erreichen kann ..“ (K. 827-829)

Auch Jürgen betont kurz den Aspekt sozialer Anerkennung durch Leistung. Das von den anderen entgegengebrachte Interesse scheint er als ziemlich positiv zu erleben:

und jetzt sans olle stoiz auf mi, weil i hackln geh .. und doß ma guat gfoit und so .. frogn mi imma danoch und so, wenn is siech .. wies ma geht und so ..“ (Jürgen 697-698)

 

c. Es ist mir wichtig, daß der Chef ein gutes Bild von mir hat.

Hier wird kurz der Aspekt der Anerkennung der eigenen Leistungen in konkreten Arbeitszusammenhängen thematisiert.

In diesem Zusammenhang ist es für Niki beispielsweise wichtig, daß er bei seinen „Chefs ein gutes Bild“ (483) hat. Das gelingt ihm dadurch, indem er versucht, ihnen seine Leistungsbereitschaft direkt vor Augen zu führen, was er folgendermaßen beschreibt:

das, was den Chefs eigentlich wichtig is, sind nicht wieviele Fehler man macht oder wieviele Fehler man nicht macht, sondern das wichtigste is eigentlich .. äh .. wieviel Mühe ich mir geb und wie sehr ich daran arbeite, wenige Fehler zu machen ..“ (Niki 500-502)

Anerkennung in Form von Lob ist dabei ein wichtiger Motivationsfaktor, wenn es heißt:

das is sehr motivierend für mich, daß wenn sie mir sagen, daß ich ein guter Mitarbeiter bin ..“ (Niki 488-489)

Auch Jürgen betont diesen Aspekt der Anerkennung:

und wenn da Chef die donn lobt, des is donn scho leivont .. des gfreit die scho ..“ (Jürgen 341-342)

 

d. Ich will was schaffen, was nicht so leicht ist.

Ein weiterer Faktor des Bedürfnisses nach Anerkennung durch Leistung kommt in den hier dargestellten Aussagen zwar nicht direkt, sondern vielmehr indirekt zum Ausdruck. Es läßt sich beispielsweise erkennen, welche Rolle das Ausschöpfen bzw. Nicht-Ausschöpfen der eigenen Leistungsfähigkeit für den Selbstwert hat.

Beinahe wortgetreu läßt sich die Kernsatzformulierung bei Karin wiederfinden, die in dem Zusammenhang ganz klar zum Ausdruck bringt:

ich will einfach was schaffen .. was vielleicht nicht so leicht is .. oder wo man .. leicht is übertr .. das kann man so schwer sagen ... ich will irgendwas .. besonderes machen .. nicht was alltägliches ..“ (Karin 831-833)

Auch Michael spricht ein ähnliches Bedürfnis aus. Es sich leicht zu machen, wäre für ihn „irgendwie nit so .. reizvoll“ (944). Etwas zu schaffen, was nicht so leicht ist, empfindet er als angenehmer, weil er „a besseres Gefühl“ (948) dabei hat. Und er „möchte schon auch zurückschauen und sagen, i hab was gmacht“ (952). Den eigenen Weg zu gehen ist sicher „manchmal hart, aber .. es is immer hart.“ (232)

Das Gefühl der Unterforderung der eigenen Leistungsfähigkeit wird auch von Kerstin als etwas Negatives beschrieben, der in ihrem Job ganz konkret „die Ansprüche .. also die Herausforderungen fehlen“ (566). Auch wenn sie „sicher noch in ein paar Löcher fallen“ (741) wird, wo’s ihr „dann wieder nicht gut geht“ (742), möchte sie sich in Zukunft größeren Herausforderungen stellen.

 

e. Ich vergleich mich schon mit den anderen.

Daß der Vergleich der eigenen Leistungen mit denen der anderen nicht nur im Kontext des Konkurrenzprinzips steht, das die Leistungsbereitschaft und -motivation der Einzelnen vorantreibt, sondern auch im Kontext von Wertschätzungspraxen, läßt sich in zahlreichen Aussagen erkennen.

Für Carina und Jürgen beispielsweise scheint das Konkurrenzprinzip ein Motivationsfaktor zu sein:

und dann is mir das natürlich ein Ansporn, wenn ich denk, woah, die hat einen Einser, ich hab einen Zweier, na danke .. super .. und ich mein ich freu mich dann natürlich auch, wenn sie schlechter is, also ich .. aber ich mein, das is so ein gewisses .. Ehrgeiz-Gefühl .. oder eine gewisse Konkurrenz .. gibt’s glaub ich immer ..“ (Carina 766-769)

wir hobn no drei Lehrling und .. i was, doß i ana der Bestn bin .. i bemüh mi und i moch des und des .. mir mochts a Spaß .. also mir gfoits .. sicha, wenn ma .. wie soll i sogn .. was net .. ma wüh hoit afoch net da Schlechteste sein ..“ (Jürgen 336-338)

Karin geht es da ganz anders. Für sie ist es zwar schon so, daß sie „besser sein will als die anderen“ (1096), doch fällt bei ihr der Vergleich mit den anderen, in ihren Worten sogar immer, negativ aus:

aber das Problem is, das ich mir immer denk wenn ich meins seh, das is auf jeden Fall nicht so gut als wie viele andere Dinge ..“ (Karin 637-638)

Auch an anderer Stelle kommen ihre diesbezüglichen Selbstzweifel klar zum Ausdruck:

und alle entwickeln sich weiter .. machen neue Sachen .. und ich bin die einzige die .. die nichts macht .. und ich will aber genau jemand sein, der .. was neues macht ..“ (Karin 715-717)

Niki äußert ähnliche Gefühle des Selbstzweifels, wenn er etwas nicht schafft, was die anderen schaffen:

weil ich das Gefühl hab, es gibt .. äh .. andere Leute die das besser .. viel wesentlich .. also nicht besser .. also ich sag jetzt einmal komplett, dies überhaupt schaffen .. gewisse Dinge .. und ich halt hin und wieder, wo ich überfordert bin ..“ (Niki 563-565)

 

3. 2. 1. 3. Arbeitsmoral/Leistungsmoral

a. Man kann im Leben nur was erreichen, wenn man halt arbeitet, Leistung bringt.

Daß die Leistungsverständnisse oftmals eng mit der Vorstellung verbunden sind, aus dem eigenen Leben etwas zu machen, einmal etwas zu erreichen, wird in den folgenden Textpassagen thematisiert.

Besonders bei Niki scheinen derartige Vorstellungen das Verständnis von Leistung zu prägen, wenn er meint:

ich find einfach .. man kann im Leben nur was erreichen wenn man .. wenn man halt arbeitet ..“ (Niki 174-175)

Mit ähnlichen Worten formuliert beispielsweise auch Jürgen sein Leistungsverständnis:

Jo sicha .. Leistung muß man bringen, weil sonst .. wird ma net füh erreichn ..“ (Jürgen 605)

Abgesehen davon, daß die Arbeit notwendig ist, um sich das Leben zu finanzieren, scheint für Niki der Leistungsaspekt ein noch wichtigerer Antriebsfaktor zu sein, was in folgender Passage zum Ausdruck kommt:

also ohne Arbeit kann ich, kann ich mein Leben nicht finanzieren und ohne meine Arbeit bin ich auch nichts .. gerade weil’s um Leistung geht .. weil jeder Mensch hat etwas zu leisten in seinem Leben .. was er .. was er leisten kann .. und .. äh .. und deshalb geh ich auch arbeiten .. um um was zu leisten ..“ (Niki 809-812)

Als weiterführende Konsequenz dieser Auffassung von Leistung meint er an anderer Stelle:

und nebenbei wo der Job wichtig is, is es auch wichtig, wenn man wo arbeitet, daß man das Beste draus macht und daß man dort weiterkommt ..“ (Niki 819-820)

 

b. Augen zu und durch.

Der Schwerpunkt der hier zusammengefaßten Textpassagen verleiht dem Leistungsaspekt eine weitere Dimension. In den Leistungsverständnissen einiger Interviewten scheinen die mit bestimmten Leistungsanforderungen verbundenen Zwänge regelrecht integriert zu sein. Leistungspraxis ist damit eng mit der Haltung: da muß man/frau einfach durch, verbunden.

Dies zeigt sich beispielsweise an mehreren Aussagen von Jürgen, der meint:

Jo sicha, es mocht oft kan Spaß, wenn’st donn scho voi miad bist in da Fruah, denkst da a, jetzt konnst wieda stemmen oda irgendwos .. donn mochst es afoch und donn .. es muaß afoch sei ..“ (Jürgen 317-319)

Und an anderer Stelle:

weil bei monche Sochen denk i ma scho, des moch i net und monche Sochn moch i a net, wei des wüh i afoch net und do trau i mi net .. oba wenn’s hoit so is, donn mocht ma hoit de Augn zua .. und gemma durch ..“ (Jürgen 631-634)

Wie er dieses Durchhalten praktisch vollzieht, beschreibt er folgendermaßen:

Jo sicha is es hoat .. monchmoi is scho hoat, oba .. do beißt hoit de Zehn zomm und donn .. wird’s donn bessa .. hacklst hoit den an Tog lenga, z.B. amoi .. und am nächsten Tag waßt donn, doßt donn fria hamgeh konnst oda irgendwos und donn .. denkst hoit auf des oda denkst an wos ondas .. denkst hackl i jetzt schnö weida, doß jo de Zeit vageht, und dafür konnst donn am Wochnende wieda furtgeh ..“ (Jürgen 636-640)

Ähnlich schaut das auch bei Kerstin aus:

I hak einfach die Tage ab, die i dort war und freu mi auf die freien Tage ..“ (Kerstin 498)

Michael hingegen thematisiert diese Durchhaltepraxis in Bezug auf seine schulische Situation:

aber man muß durch .. auf jeden Fall muß ich das Jahr noch durch, das halbe ..“ (Michael 77-78)

Daß er die nächsten Monate „einfach reinbeißen muß“ (701) und „der Spaß halt ein bißi auf der Strecke bleibt“ (701) ist für ihn die praktische Konsequenz, die auch bedeutet, daß man sich manchmal „selbst zu was zwingen muß“ (842). Andererseits gibt er in diesem Zusammenhang zu bedenken, daß „einem nit viel Wahl“ (844) bleibt.

Auch Elisa spricht diesen Aspekt der Wahllosigkeit kurz an. Sie stellt sich dabei die Frage, warum sie ganz bestimmte schulische Anforderungen einfach erfüllen muß, obwohl ihr diese für ihr weiteres Leben als unnötig erscheinen.

aber ich glaub nicht, daß ich das, wenn ich .. keine Ahnung, wenn ich dreißig bin, das alles noch kann, also es .. ich weiß nicht, ob das was gebracht hat, ich denk mir dann schon, das bringt’s eh alles nicht, aber, ich mein .. ich muß da halt durch ..“ (Elisa 242-245)

 

c. Ich muß einfach lernen, Disziplin aufzubauen.

Die hier ausgewählten Aussagen stellen die eben thematisierten Durchhaltepraxen auf eine andere Ebene. Hier steht das Bedürfnis und die Notwendigkeit von Disziplin zur Erfüllung der eigenen Leistungsansprüche im Vordergrund. In diesem Zusammenhang lassen sich ganz konkrete Maßnahmen und Praxen erkennen.

Karin beispielsweise hat das Gefühl, daß sie disziplinierter sein sollte, um in Zukunft auch mal einen Arbeitsauftrag erfüllen zu können, der ihr „vielleicht überhaupt nicht gefällt“ (657):

Ja weil ich einfach das Gefühl hab ich muß lernen .. Disziplin irgendwie .. aufzubauen, wenn ich .. das hab ich überhaupt nicht .. also wenn mich was interessiert mach ich das .. und sobald mich’s nicht interessiert .. scheiß ich da eigentlich ur drauf .. und ich versuch das halt jetzt .. so viel wie möglich in die Sachen die mich wirklich interessieren aufzubauen, daß ich dann noch bei Sachen die mich weniger interessieren .. auch .. arbeiten kann ..“ (Karin 651-656)

Um diese Ansprüche realisieren zu können sucht sie sich immer ein Ziel, worauf sie „hinarbeiten kann“ (846), „auch wenn das viel zu hoch gesteckt is“ (848). Dadurch kann sie sich „selber anspornen“ (859), denn sonst hat sie „einfach nicht genug Disziplin, das einfach so zu machen“ (850).

Für Michael hingegen scheint dieser Lernprozeß bereits abgeschlossen zu sein:

Tja, i mein, sich selbst gehen zu lassen und einfach zu sagen, is mir wurscht .. is eh schon alles zu spät und so, solche Aussagen .. das hab i irgendwie glernt, das eher zu bekämpfen ..“ (Michael 652-653)

Diese Haltung scheint sich in seiner Lebenserfahrung schon mehrmals bewährt zu haben. Er ist „eigentlich dankbar für jede Erfahrung, die neu dazukommt, a wenn die Zeit hart ist“ (601), denn „danach denkt man darüber nach und .. man findet eigentlich viele positive Dinge dran“ (602).

Auch in den Augen von Niki muß man „abgehärtet sein für’s Leben .. dann hast du auch keine Probleme“. (963) Daß er diesem Leistungsverständnis eine positive Bedeutung verleiht und wie er es praktisch umzusetzen versucht, beschreibt er folgendermaßen:

wenn ich jetzt frustriert bin, weil ich das und das nicht schaffe oder das und das nicht erreichen kann .. dann geht’s mir natürlich schon schlecht und ich denk mir .. super, was mach ich jetzt ja .. aber im Großen und Ganzen .. im Nachhinein dann betrachtet ja .. war’s eh gut, daß ich eigentlich .. daß .. daß ich frustriert war, weil dadurch hab ich’s dann geschafft, mir noch mehr Mühe zu geben und das dann zu schaffen, warum ich frustriert war ..“ (Niki 656-661)

 

d. Wenn du die Leistungen nicht erbringst, schadest du dir auf Dauer selber.

Ein anderer Aspekt, der das Leistungsverständnis entscheidend zu prägen scheint, betrifft die Befürchtung negativer Konsequenzen bei mangelnder Anstrengung, was manche bereits selbst erfahren mußten. Die eigene Leistungsbereitschaft zu erhöhen, scheint dabei die „positivere“ Konsequenz zu sein.

Niki beispielsweise geht davon aus, daß mangelnde Anstrengungen in der Arbeit noch größere Anforderungen nach sich ziehen:

obezahn .. ich mein, das wär .. natürlich für manche Leute is das gemütlicher ja .. aber langfristig gesehen trittst du dir selber damit in den Arsch .. wirklich es is so,weil du .. mußt im Endeffekt eh mehr arbeiten dann, weil .. dann kommt der Chef und dann regt sich der auf ..“ (Niki 468-471)

Ein wenig anders verhält es sich bei Michael. Er äußert diesbezügliche Bedenken in Bezug auf seine schulischen Probleme und befürchtet dabei negative Auswirkungen auf sein gesamtes Leben:

Ja weil, i mein, das is, das is jetzt a kurze Zeit in meinem Leben .. und i wer später eher bereuen, wenn i mi jetzt hängenlaß, als daß i .. daß das gut is .. weil i a über die Zukunft nachdenk und mir denk .. daß es eher blöd is, zurückzuschauen und sagen .. und dann, nur weil i das eine Mal da nit einegebissn hab .. sozusagen deswegen .. das Ganze zu verhaun .. das is einfach notwendig, glaub i ..“ (Michael 705-719)

Im Gegensatz dazu stehen die Aussagen von Robert nicht mehr im Kontext von bloßen Befürchtungen. Er spricht bereits aus jener Perspektive, aus der er die realen Konsequenzen mangelnder Leistungsbereitschaft direkt erfahren mußte und muß:

man muss halt schon was tun .. wenn ich die Uhr jetzt zrückstelln tät dann warat i in da Schule besser, dann tät ich jetza .. Matura machen oder irgendsowas oder studieren ja aber für das .. hab i in der Schule zu wenig aufpasst schlechtes Zeugnis und so .. also alle was noch in die Schule gehn lass i ihnen ausrichten sie solln anzaan .. und des nicht zu leicht nehmen die Schule .. weil’s auch wichtig is .. in der Schule eben versaust da dein ganzes, versaust da deine ganze Zukunft ..“ (Robert 578-584)

Wie sehr er das alles jetzt bereut, zeigt sich an anderer Stelle:

und des war ma .. damals war ma des ziemlich egal .. jetzt denk ich ma wenn ich noch a Chance hätt, tät ich, tät ich alles komplett anders machen .. aber über des kommt man immer später drauf ..“ (Robert 730-732)

 

f. Wenn ich’s mir selber leisten kann, bin ich stolz auf mich.

Der Reiz des selbstverdienten Geldes scheint bei einigen der Interviewten mit positiven Gefühlen besetzt zu sein. Daß diese positiven Gefühle wiederum die Leistungsbereitschaft positiv beeinflussen, scheint nur die logische Konsequenz zu sein.

Ganz klar äußert sich Karin dazu:

ich hab das erstens nicht, daß mir die Eltern das zahlen und ich will es auch nicht, auch wenn sie es hätten .. weil.. wenn ich’s mir selber leisten kann, dann bin ich auch auf mich stolz ..“ (Karin 336-338)

Niki beschreibt ähnliche Gefühle mit anderen Worten:

es is halt es is halt ein anderes Gefühl .. weißt du, wenn du Geld ausgibst, das du verdient hast oder das du nicht verdient hast .. und genau das Gefühl, Geld auszugeben, das du verdient hast, das is sehr wichtig ..“ (Niki 816-818)

Für Jürgen scheint das selbstverdiente Geld vor allem dann ein wichtiger Faktor für seine Arbeitsmotivation zu sein, wenn er seinen Lebensalltag, in dem ihm nur kurze Ferien gestattet werden, mit jenem von SchülerInnen vergleicht:

Jo sicha denk i ma, Oida, jetzt hobn de wieda a Wochn frei .. i man i kennt ma a frei nehma, oba i geh hoit hackln .. im Summa hobn de nein Wochn frei und i hob drei Wochn frei .. und i denk ma scho, des is Oasch, do sigst olle vorbeigeh, de gengan olle no ind Schui oba .. dafür hob i donn mei Göd ..“ (Jürgen 590-593)

Schließlich zieht auch Elisa einen Vergleich zwischem Taschengeld und selbstverdientem, in dem das Taschengeld schon schlechter abschneidet:

also das is schon .. also ich stell mir das schon gut vor, wenn ich, also man sich das Geld selber verdient .. das is .. ich weiß nicht .. das is ur angenehm sicher .. ich mein, ich sag jetzt nicht, daß ich unbedingt arbeiten gehen will, aber .. also sonst, ich mein das Taschengeld, was ich krieg is .. halt, ich weiß nicht, nicht so selber erarbeitet oder so ..“ (Elisa 105-109)

 

 

1. 2. 2. Freizeit

Freizeit

a. Langweilig und fad darf’s nicht sein.

b. Ich suche Spaß und Action als Ausgleich zum Schul-/Arbeitsstreß.

c. Ich möchte den anderen mit meiner Stimmung den Abend nicht vermiesen, weil’s zu langweilig ist.

Auch der Freizeitbereich der Interviewten scheint in gewissem Sinne von Leistungsanforderungen geprägt zu sein. Indem man/frau etwas erleben muß und auch immer guter Stimmung sein sollte, verleiht das dem Ganzen wiederum einen gewissen Leistungscharakter.

 

a. Langweilig und fad darf’s nicht sein.

Das Bedürfnis der Interviewten nach lustvollen Erlebnissen, nach Spaß und Ausgelassenheit wird in den folgenden Passagen thematisiert. Interessant ist daran allerdings, daß sie sich dabei einen ziemlichen Druck zu machen scheinen. Alle scheinen sich darüber einig zu sein, daß es auf keinen Fall langweilig und fad sein darf, dadurch wird Spaß und Ausgelassenheit zu einem Muß.

Karin beispielsweise „war seit drei Jahren kein ganzes Wochenende zu Hause“ (488), weil sie „das einfach nicht kann“ (489), denn „das is einfach so langweilig, da passiert überhaupt nichts“ (494). Ja sogar wenn sie krank ist, muß sie weggehen, wenn sie meint:

Ich weiß es nicht, das is mir einfach .. z.B. wenn ich krank bin .. sogar wenn ich krank bin muß ich irgendwas machen, weil ich einfach nicht zu Hause sitzen kann und nichts mach ..“ (Karin 491-492)

Daß sie sich mit diesen Gewohnheiten allerdings nicht ganz wohl fühlen dürfte, kommt an anderer Stelle zum Vorschein.

aber oft wenn ich drüber nachdenk, denk ich mir, warum bleib ich nicht einfach einmal zu Hause..“ (Karin 532-533)

Langeweile ist nichts Gutes“ (458), heißt es auch bei Philipp. In diesem Zusammenhang zeigt auch die folgende Textstelle, welch ein Druck sich dahinter verbirgt:

Langeweile war wieder der Auslöser, daß ich nicht gewußt hab, daß wir einfach nicht gewußt haben oder ich nicht gewußt hab, was ich jetzt, wie wir das Ganze jetzt irgendwie interessanter machen könnten, den ganzen Tag oder so .. und da wars dann einfach fad “ (Philipp 472-475)

Und an anderer Stelle spricht er den Druck direkt an und bringt auch zum Ausdruck, daß Langeweile gar nicht so schlecht sein muß:

aber wenn wir dann mit den anderen .. mit dem größeren Freundeskreis irgendwie abhängen, dann is es schon, is es schon wichtig auch, daß es lustig is, vielleicht is da schon ein gewisser Druck gegeben .. ja aber, es is halt irgendwie .. es war halt einfach immer so, daß es wichtig is, daß es lustig is und daß immer irgendwas passiert und daß irgendwas los is und so, weil das einfach, weil das wieder irgendwie interessanter is als eben Langeweile, aber .. in letzter Zeit kommen wir eigentlich eh immer mehr drauf, daß es, daß es auch wenn’s langweilig is, eben wenn ich jetzt mal so bewußt dran denke, dann is es, is es eigentlich eh nicht schlecht, weil ich war in letzter Zeit .. also am Anfang der Ferien war ich drei Mal beim beim Stefan, und .. und da haben wir eigentlich auch nichts gemacht und haben uns nur fadisiert und das war eigentlich trotzdem ganz angenehm, wenn ich so da zurückdenke, waren’s eigentlich ganz nette Stunden ..“ (Philipp 489-500)

Auch bei Petra wird der Druck im Zusammenhang mit Spaß kurz thematisiert:

ich mein, man kann ja auch Spaß haben ohne jetzt vorher zu sagen ich werde jetzt Spaß haben und so ... weil irgendwie .. eben das setzt einen noch mehr unter Druck, daß man dann .. ja, was lustiges unternimmt ..“ (Petra 308-310)

b. Ich suche Spaß und Action als Ausgleich zum Schul-/Arbeitsstreß.

Einige der Interviewten sprechen in diesem Kontext noch einen anderen Aspekt an. Aufgrund mangelnder Möglichkeiten der Bedürfnisbefriegdigung unter der Woche scheinen diese ausschließlich am Wochenende genützt werden zu können bzw. zu müssen:

Carina beispielweise will „nach einem Schulstreß […] Action haben“ (539), weil das ein „Ausgleich“ ist, „für den Aufwand, den“ sie „grad geleistet“ (540) hat, oder „für diese einfältige Zeit, halt immer nur lernen und tanzen und Schule und tanzen und lernen“ (541). Da möchte sie das, was sie „in der letzten Zeit nicht gehabt“ (544) hat oder das, was sie geglaubt hat, „zu versäume,n aufgrund des Schulischen, irgendwie nachholen“ (545-546).

Auch Philipp meint in diesem Zusammenhang, weil seine „Schule echt nicht leicht“ ist (548), daß „man das schon“ (548) braucht, „so ab und zu, daß man sich ausläßt eben“ (549).

Elisa wiederum formuliert das etwas anders, denn sie scheint sich regelrecht dazu verpflichtet zu fühlen, ihre begrenzte Freizeit entsprechend auszunützen:

weil ich denk mir halt immer Samstag .. das is halt Wochenende und da müssen wir halt .. die Nacht ausnützen oder halt, daß wir einfach .. eben am nächsten Tag keine Schule haben ..“ (Elisa 135-136)

Auch Niki und Jürgen scheinen sich den Ausgleich des mühsamen Arbeitsalltages in gezielten Freizeitaktivitäten zu suchen. Für Jürgen ist „Fußball […] und a des Furtgeh“ (151) der Ausgleich. Bei Niki heißt es:

vor allem, wenn ich jetzt von der Arbeit komm oder so ..  und ich bin .. halt den ganzen Tag irgendwie ausgelaugt worden .. auch wenn ich Spaß gehabt hab .. möchte ich schon .. also ich geh schon bewußt ins Kino oder so weg .. ähm .. weil es mir einfach Spaß macht, weil ich lachen kann mit Freunden ..“ (Niki 231-234)

Schließlich spricht auch Robert diesen Aspekt an, weil „wenn ma die ganze Woche z.B. daham sitzt oder arbeiten geht, dann muß man sich einfach einmal am Wochendende muß man sich austoben und muß man alles geben und die ganze Energie was man hat muß man alles rauslassen“ (354-357). Noch etwas deutlicher formuliert er das an anderer Stelle:

und wenn ma fad is, die ganze Woche is mir fad weiß nicht was ich machen soll und am Wochenend da gfrei i, die ganze Woche freu ich mich auf einen Tag wo ich fortgehn kann und wo ich die Sau raus lassen kann ‘s is schon so ..“ (Robert 366-369)

 

c. Ich möchte den anderen mit meiner Stimmung den Abend nicht vermiesen, weil’s zu langweilig ist.

Dem Spaßfaktor kommt in den hier zusammengefaßten Aussagen noch eine weitere Bedeutung zu. Es zeigt sich, daß man/frau beim Fortgehen nicht langweilig und immer lustig bzw. gut drauf sein sollte, was sich hauptsächlich dahingehend äußert, daß für eigene Verstimmungen kein Platz zu sein scheint.

Jürgen meint zwar, daß er „nit imma guat drauf sein“ (174) muß, wenn er mit seinen Freunden fortgeht, gleichzeitig hat er jedoch das Gefühl, er sollte „hoit a kann Frotz ziagn“ (175), was ihm auch „irgendwie logisch“ (175) erscheint.

Wenn Philipp einmal nicht so guter Stimmung ist, zieht er es beispielsweise vor, nach Hause zu gehen, anstatt mit den anderen darüber zu reden, wenn er meint:

Ah, das sind nicht so richtige Probleme […] das sind eigentlich eh immer die üblichen Sachen und .. da is dann eigentlich, mit den anderen da redet man dann nicht drüber, nein .. also ich sag ihnen halt, ich bin heute ein bißchen zu müd oder ich hab heute ur keine Lust, ich geh jetzt nach Haus oder so ..“ (Philipp 399-404)

Einerseits gibt er zu bedenken, daß es „halt meistens nicht so interessante Dinge“ (454) sind, „warum man nicht so gut drauf ist und dann .. dann redet man halt nicht drüber, weil das eh nur langweilig is“ (455), andererseits gibt er aber auch zu, daß er die anderen mit seinen Problemen nicht beeinflussen möchte:

ich möchte dann die anderen nicht irgendwie von meinem schlechten Tag beeinträchtigen und ihnen ihren Tag auch ein bißl vermiesen .. das wollen wir eigentlich alle nicht und deswegen .. und deswegen .. gehen wir und sagen einfach ok .. ich hau mich jetzt, ciao.“ (Philipp 407-410)

Auch Petra scheint sich, wenn sie schlechter Stimmung ist, beim Weggehen nicht gerade wohl zu fühlen. Sie hat dabei den Eindruck, sich zu guter Laune zwingen zu müssen:

wenn ich jetzt nicht so gut drauf bin und dann sagen alle ja und geh mit uns weg und so ..wir haben sicher Spaß .. haha .. und ich dann mitgeh und dann .. dann is es irgendwie so gezwungen und man denkt sich dann .. ja.. eigentlich wegen dem und dem geht’s mir dann doch nicht so gut und man muß dann irgendwie.. irgendwie so ein bißchen auf lustig tun .. oder sollte halt .. und wenn man so da sitzt und halt .. traurig drein schaut ... dann .. jaa, was is’n los mit dir ..hm,hm,hm ..“ (Petra 362-368)

 

 

1. 2. 3. Bewältigungsansprüche

Anspruch/Anforderung, allein damit fertig zu werden

Schuldzuweisung an sich selbst

Streßbewältigung durch noch mehr Leistung

a. Ich versuche selber damit klarzukommen.

b. Ich hab Angst, anderen zu vertrauen.

a. Ich bin eh selber schuld, wenn ich das nicht schaff. a. Ich versuche den Streß zu bekämpfen, indem ich mich noch mehr bemüh.

Ansprüche nach eigener bzw. alleiniger Lebens- und Problembewältigung im Kontext der gegebenen (Leistungs-)Anforderungen bilden den thematischen Schwerpunkt des Bereiches Bewältigungsansprüche. Dabei werden die angeführten drei Unterkategorien unterschieden, deren Explikation aufgrund ihrer Selbstevidenz m.E. nicht notwendig erscheint.

 

1. 2. 3. 1. Anspruch/Anforderung, allein damit fertig zu werden.

a. Ich versuche selber damit klarzukommen.

Der Anspruch, die eigenen Probleme möglichst alleine zu bewältigen und am liebsten auf keine Hilfe von außen angewiesen zu sein, kommt in den folgenden Passagen ganz gut zum Ausdruck.

Karin beispielsweise redet „eigentlich mit niemanden“ (720) über schulische Probleme und meint, daß man „das halt mit sich selber ausmachen“ (746) muß. Insofern versucht sie „halt so gut wie möglich alles selber zu machen“ (866).

Ähnliche Ansprüche äußert auch Michael. Er scheint jedes Problem am liebsten ganz alleine bewältigen zu wollen, wenn er meint:

es is einfach so, daß i selber durchkommen will ohne jemand .. es geht natürlich nit ganz ohne jemand, aber .. großteils schon ..“ (Michael 802-804)

An anderer Stelle versucht er der Ursache dieser Ansprüche ein wenig auf den Grund zu gehen. Hierbei scheint es weniger um Selbstbestimmung als mehr um Selbstbestätigung im Sinne des Selbstwertes zu gehen:

Daß i’s selber schaff vielleicht .. vielleicht is es so, daß i mir das beweisen will, daß i niemand brauch dazu .. kann sein ..“ (Michael 996-997)

Auch bei Robert, der sich am liebsten gar nichts sagen läßt, kommt zum Vorschein, daß er versucht, mit seinem Leben selbst und alleine klarzukommen:

also i bin scho ... mir is des scho wichtig .. also ich leb mein Leben wie ich‘s leben will .. und da schau ich halt auf mich selber oder so […] jetza bin ich halt so dass ich ma denk, pf, ja .. jetz mach ich was ich will .. also sagen lass ich ma sowieso nix ..“ (Robert 823-828)

Bei Kerstin äußert sich dieser Anspruch ein wenig anders. Sie kommt dabei zum Schluß, daß ihr die anderen „vielleicht Tips geben“ (724) können, „aber sonst bist schon auf dich alleine gestellt“ (734).

Ähnlich wie Kerstin fühlt sich auch Carina, besonders bei Entscheidungen, auf sich „alleine gestellt“ (986). Andererseits stellt sie fest, daß „dir später auch niemand deine Entscheidungen abnehmen“ (971) kann, weshalb sie sich „schön langsam dran gewöhnen“ (972) möchte, denn „so is das Leben und damit muß jeder lernen zurechtzukommen“ (989).

 

b. Ich hab Angst, anderen zu vertrauen.

Mit anderen über Probleme zu reden, anderen zu vertrauen, scheint besonders für Kerstin, Michael und Carina mit Ängsten in Verbindung zu stehen. In diesem Zusammenhang dürfte es kein Zufall sein, daß, wie eben dargestellt, genau diese drei ihre Probleme gerne alleine bewältigen.

Carina beispielsweise würde „allein aus der Angst, daß es dann einfach irgendwann vorbei geht, niemanden .. beste Freundin nennen“ (Carina 142-143).

Kerstin, die „nicht gern Schwächen zeigt“ (599), tut sich schwer dabei, ihre Probleme mit anderen zu besprechen, denn sie ist „einfach ein Mensch, der nicht gern drüber redet, wie’s .. wenn’s einem schlecht geht“ (716):

also da müssen Menschen, die mich gut kennen, ziemlich tief bohren, also daß ich mal wirklich das sag, was .. was Sache is oder warum’s mir schlecht geht .. das bin einfach ich .. ich hab das nie wirklich zeigt ..“ (Kerstin 716-719)

Daß dabei Gefühle von Angst eine Rolle spielen, scheint ihr selbst bewußt zu sein, ja sie gibt dieser Angst einen konkreten Namen, wenn sie meint:

Sicher is da Angst auch dabei, was das genau für eine Angst is, weiß ich nicht, vielleicht Angst zu versagen ..“ (C. 727-728)

Für Michael „spielt Vertrauen eine große Rolle“ (152) und er meint, daß es „schwer is, jemandem voll zu vertrauen“ (777). Anders als Kerstin hat er bei Leuten, denen er nicht vertraut, Angst, eigene Schwächen zu zeigen. Bei ihm geht es jedoch um die Angst, ausgenutzt zu werden:

weil natürlich wird jemand, der einem nit kennt, der einen nicht schätzt, die Schwächen eher ausnutzen, als jemand, der einen gern hat.“ (Michael 787-789)

Da er, seit er in Wien ist, „auch ein paar mal ausgenutzt worden“ (159) ist, ist er jetzt „auf jeden Fall mißtrauischer worden“ (165), „weil anders is es ja nicht möglich, sobald man, wenn man sich nicht anpaßt, dann wird man ausgenutzt“ (170-171).

 

1. 2. 3. 2. Schuldzuweisung an sich selbst

a. Ich bin eh selber schuld, wenn ich das nicht schaff.

Ein weiterer interessanter Faktor, der in den folgenden Aussagen zum Ausdruck gebracht wird, ist die Schuldzuweisung an sich selbst bei Nicht-Erfüllung der gegebenen oder eigenen Leistungsansprüche. Die Anforderungen selbst werden dabei nicht hinterfragt bzw. als zu hoch bewertet, da diese prinzipiell bewältigbar erscheinen.

Wenn Carina beispielsweise die Leistungserwartungen nicht erfüllt, ist sie „total enttäuscht“ (802) und denkt sich „immer .. was hab ich falsch gemacht, daß ich wirklich so deppert bin“ (803).

Ähnlich geht es Karin, bei der wiederum die eigene Unzufriedenheit die Leistungsmotivation zu steigern scheint, wenn sie meint:

es is einfach so, daß ich da meistens ur bös auf mich selber bin .. aber nach einer Zeit legt sich das wieder und dann denk ich mir .. o.k. .. ich habs gemacht und ich kanns besser machen und ich mach das wieder neu ..“ (Karin 698-700)

Petra, Michael und Elisa bringen in diesem Zusammenhang einen anderen Aspekt zur Sprache. Sie scheinen sich besonders schwer dabei zu tun, sich die gegebenen Anforderungen zeitlich einzuteilen. Wenn es dann zu viel wird, ist man/frau halt selber schuld:

Naja ... ich denk mir .. bin ich halt eh selber schuld .. weil wenn ich es nicht schaff, mir das so einzuteilen und ich halt alles bis zum letzten Moment zusammenkommen laß ..“ (Petra 512-513)

Bei Michael stellt sich „ dann auch danach das schlechte Gewissen“ (870) ein, „weil .. man hätt’s leicht locker schaffen können, es war genug Zeit“ (871), „weil es is zu schaffen, was die Anforderungen in der Schule“ (873) sind.

Elisa beschreibt das folgendermaßen:

„ich mein ich hab schon manchmal Lernstreß, weil ich mir denk, ah ich will nicht und so und dann .. halt ein Tag davor noch schnell, ah ich muß noch lernen und so, das is dann halt schon ein bißl ein Druck, aber da bin ich selber schuld, weil ich nicht früher angefangen hab zu lernen .. ja ..“ (Elisa 266-269)

Philipp dagegen spricht ganz konkret die Höhe der schulischen Leistungsanforderungen an. Sie sind seiner Meinung nach zwar nicht „zu hoch“, weil sie bewältigbar sind, „aber halt sehr viel“ (772). Auch wenn „es einfach anstrengend is“ (772), muß er schließlich „deren Anforderungen eben nachkommen“ (774), da er sich selbst „diese Schule ausgewählt“ (774) hat.

Robert und Jürgen thematisieren in diesem Zusammenhang die eigene Verantwortung des Schulabbruchs bzw. bei Robert auch des Lehrabbruchs. Schließlich waren ja sie selbst diejenigen, die zu wenig gelernt haben:

na ich denk ma scho bin selber schuld, dass i ka Hockn hab oder so .. ich mach ma da scho .. Vorwürfe kann man nicht sagen dass ich ma mach aber ich denk ma halt .. wie gsagt, dass i schuld bin oder so und net .. ich kann nicht sagen ja, weil ich bin derjenige was in der Schule net aufpasst hat, ich bin derjenige was schlechte Noten hat, ich bin derjenige was die Hockn aufgebn hat oder so also bin ich selber schuld ..“ (Robert 624-629)

jo sicha bin i sölba schuld, weil i’s net fertig gmocht hob oda net mehr glernt hob ..“ (Jürgen 388)

 

1. 2. 3. 3. Streßbewältigung durch noch mehr Leistung

a. Ich versuche den Streß zu bekämpfen, indem ich mich noch mehr bemüh.

Daß Gefühle der Frustration und Angst ein Motivationsfaktor für die eigene Leistungsbereitschaft sein können, wird in den folgenden Passagen thematisiert:

Daß i was tu .. daß i nit herumsitz“ (621), „daß i mein Bestes gib“ (623) ist beispielsweise die Strategie von Kerstin, um „die Frustration zu bekämpfen“ (620). Streß war für sie „eigentlich nie wirklich ein Problem“ (639), denn „es gibt ja positiven Streß“ (641) und zwar „in dem Sinn, daß man produktiver wird“ (642).

Anders als bei Kerstin scheinen bei Niki direkte Angstgefühle entscheidend für seine Leistungsmotivation zu sein. „Halt wieder mehr Leistung geben“ (606) ist seine Strategie, „daß diese Angst aufhört“ (607), „und das funktioniert dann eigentlich eh immer“ (607). An anderer Stelle beschreibt er diese Angst noch etwas genauer:

und genauso is es auch mit der Angst .. wenn du .. wenn du Angst hast, daß du .. äh .. zurückbleibst .. die besteht .. also die Angst is ja nur deshalb da, weil du Angst hast, daß du, daß du nicht mehr .. daß du dann nicht mehr das sein kannst, was du sein möchtest in der Arbeit ja .. aber durch die Leistung siehst du immer, o.k, es kann doch so sein ..“ (Niki 645-648)

Auch Michaels Leistunsgsbereitschaft scheint zu einem Teil von einer konkreten Angst bestimmt zu werden, der Angst, alle schulischen Perspektiven zu verlieren:

Ich versuch’s, ja .. und .. es is sicher nit leicht, wenn nit der Spaß dabei is .. aber es, es muß sein, weil, weil wenn i dort aussteig mit fünf Fünfer, dann nimmt mi ka andere Schule ..“ (Michel 687-688)

weiter zu teil II


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